Heute bin ich mit einem lieben Bekannten im Kaffeehaus verabredet. Er verspätet sich, und so habe ich Gelegenheit, mich umzusehen, zu beobachten, und aufgrund des beschränkten Platzangebotes auch mit zu lauschen.

Schräg gegenüber sitzt eine Gruppe von 5 Personen, bei Bier und Wein, die kenne ich schon vom Sehen. Selbst als es mich einmal vormittags hier her verschlagen hatte, saßen sie da, umgeben von leeren Bier- und Weingläsern. Mit rot unterlaufenen Augen lallen sie sich gegenseitig etwas zu, hin wieder steht eine(r) auf und wankt vorsichtig, Richtung WC. Die Gruppe besteht aus 3 Männern, und 2 Frauen. Seltsamerweise finde ich betrunkene, und ungepflegte Frauen noch viel abstoßender, als Männer. Während das Durchschnittsalter der Gruppe wohl so um die 50-60 liegen dürfte, ist eine der beiden Damen sicher erst um die 30 Jahre alt. Sie trinkt ausschließlich Rotwein, und diesen ordet sie im 10 Minuten Takt. Gescheiterte Existenzen am Rande des Abgrunds.

Am Tisch neben mir sitzt ein elegant gekleideter Mann und liest entspannt die Zeitung. In seinem Rasierwasser muss er wohl gebadet haben, so intensiv und aufdringlich steigt es mir in die Nase. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass solche Männer einen starken Macht- und Revieranspruch haben. Die Umgebung soll sie, bitte schön, ganz deutlich wahrnehmen. Dieser Mann wirkt für mich allerdings gar nicht so. Kurz darauf erscheint, vollbepackt, und glücklich strahlend seine Gefährtin. Aha, da gab es wohl einen Großeinkauf in der Shopping Meile, und jetzt verstehe ich auch das Bad im Eau de Cologne, sie riecht nämlich nicht weniger intensiv. Ob sich die beiden wohl eine Art Parfüm-Schlacht liefern, oder, zweite Möglichkeit, sie haben sich schon vor längerer Zeit die Nasenschleimhäute ruiniert, und riechen gar nichts mehr. Er springt auf, und will ihr den Sessel zu recht rücken, doch sie möchte nur noch nach Hause. Ich male mir aus, wie sie jetzt stundenlang all diese neuen Klamotten vor dem Spiegel ausprobiert. Er fügt sich seinem Schicksal, bezahlt, und sie gehen, eingehüllt in einer Duftwolke.

Ihr Tisch wird sofort wieder neu besetzt. Eine, entzückende, schwarz gekleidete, alte Dame nimmt mit ihrer Begleiterin, Platz. Sie wirkt sehr traurig, umständlich kramt sie in ihrer Tasche herum, auf der Suche nach einem Taschentuch. Im Laufe ihres Gespräches erfahre ich (ob ich will oder nicht, die Tische stehen einfach zu knapp aneinander), dass ihr Mann kürzlich verstarb. Er hatte ihr immer versprochen, auf sie aufzupassen, er hatte alles geregelt, und einkaufen ist auch immer er gegangen, weil sie nichts tragen kann/darf. Kaum, dass er unter der Erde liegt, meldeten ihre Kinder sie bereits in einem Pensionisten-Heim an. Sie will nicht, nach ihrem Mann auch noch die gemeinsame Wohnung aufgeben, so viele Erinnerungen stecken darin, sie versteht die Welt nicht mehr. Wie lange es wohl dauern mag, bis so ein Platz im Senioren-Heim frei wird? Verstohlen wischt sie sich dabei neuerlich die Tränen aus dem Gesicht. Ihre Gesprächspartnerin erklärt ihr, dass sie zwar für 3 verschiedene Plätze angemeldet sei, aber sie müsse das erste Zimmer, welches frei wird, nehmen. Sie darf sich den Raum leider nicht selber aussuchen....

Diese liebe, alte Frau tut mir schrecklich leid, und ich bin dankbar, als mein Bekannter kommt, und ich mich ihm zuwenden kann..........