Gewisse Süchte sind sehr teuer. Man nennt es Beschaffungskriminalität, wenn jemand zur Finanzierung der Sucht etwas stielt.

Die Menschen sehen in ihrer subjektiven Verzweiflung, eine Drogen- oder Spielsucht zu finanzieren, keinen anderen Weg, als zu stehlen. Im Vordergrund steht aber nicht die Bereicherung, sondern eben die Finanzierung der Sucht. Häufig sind es sogar Menschen, die ansonsten keine kriminelle Energie haben. Zum Beispiel kenne ich Glücksspielsüchtige, die von sich das Bild haben, dass sie nicht stehlen sondern sich Geld „ausborgen“, um spielen zu können und es dann, nach dem erhofften Gewinn, durchaus auch zurück zahlen wollen. Freilich gewinnen sie dann nicht sondern verlieren noch mehr.

Moral ist ja zudem etwas Elastisches und auch der Gewohnheit unterworfen. Wenn ich mich daran gewöhnt habe, unmoralische Dinge zu tun, werde ich irgendwann unmoralisch. Gewöhne ich mich dran, mir ständig Geld „auszuborgen“ ohne das Wissen des Bestohlenen, zerfällt irgendwann die Moral wirklich. Das ist auch bei manchen Drogensüchtigen so. Sie haben am Anfang, wenn sie noch keine Beschaffungskriminalität begangen haben, durchaus Skrupel, Geld heimlich zu beschaffen. Im Laufe der Zeit wird ihre eigene Moral aber verschwinden durch immer mehr kleinere und dann größere Delikte. Manche schwer Drogensüchtige mit denen ich zu tun habe, kann unter Umständen das Gefühl haben, dass ihm das (Geld der anderen) zusteht, weil er ja nichts dafür kann, dass das Heroin so teuer ist und die Polizei einen verfolgt. Er fühlt sich von der Gesellschaft und der ganzen Welt betrogen und glaubt zurück zu nehmen, was ihm eigentlich zugestanden wäre. Die Moral verschwindet durch das Tun. Sie waren häufig vor der Suchterkrankung keine unmoralischen Menschen.

Natürlich gibt es Süchte, die intensiver mit Beschaffungskriminalität zusammen hängen als andere. Alkohol ist in Österreich sehr billig, ein Alkoholiker wird nicht stehlen müssen, um sich einen Ein-Euro-Tetrapack Rotwein zu kaufen. Beschaffungskriminalität hängt auch vom Preis der Droge ab und auch davon, wie stark süchtig sie macht. Der Heroinsüchtige ist sicherlich im kalten Entzug verzweifelter als ein Zigarettensüchtiger.

Man mag vielleicht denken, dass Menschen, die von geldintensiven Süchten wie Glücksspielsucht oder Kaufsucht geplagt sind, auch kriminell sind. Aber nur die wenigsten sind kriminell. Ich kenne viele Glücksspielsüchtige, die nur zu Beginn des Monats spielen, wenn das Geld von der Arbeit oder Arbeitslosengeld kommt; den Rest des Monats, wenn alles Geld schon verspielt ist, spielen sie gezwungener Maßen nicht und manche kompensieren das indem sie Gratispornos im Internet schauen oder mehr Alkohol trinken. Sie sind deswegen nicht kriminell.

Oft macht auch die Gelegenheit Diebe. Findet ein Glücksspielsüchtiger oder ein Jugendlicher, der online-computerspielsüchtig ist und sich zum Beispiel online bessere Waffen für das Spiel kaufen kann, die Geldbörse der Frau oder der Eltern findet und da sind 100 Euro drinnen, könnte er schon zugreifen, weil er der Versuchung, damit seiner Sucht nachgehen zu können, nicht widerstehen kann. Gibt es diese Möglichkeit nicht, weil die Börse versteckt wird, passiert nichts mehr. Da ist die Frage nach Kriminalität grenzwertig, weil die Möglichkeit den Dieb macht.

Ob also ein süchtiger Mensch der Beschaffungskriminalität verfällt, hängt von vielen Faktoren ab wie Kosten des Suchtmittels, Schwere der Entzugserscheinungen, subjektive Verzweiflung, individuelle psychische und soziale Ressourcen sowie Unterstützung durch das Umfeld und die Gesellschaft.

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