Ruanda: 800 Millionen für vier (!) Abschiebungen

Ruanda lässt es sich teuer bezahlen.

Wieso will Europa ausgerechnet nach Ruanda abschieben?

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Während der neue britische Premierminister das umstrittene Vorgehen der Vorgängerregierung gestoppt hat, Geflüchtete nach Ruanda abzuschieben, wird dieser Ansatz in Deutschland nach wie vor diskutiert. Bereits seit Monaten fordern Politiker von Union, AfD, aber auch der regierenden FDP, ein entsprechendes Abkommen mit Ruanda zu schließen.

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Auch Dänemark wollte noch bis letztes Jahr Asylsuchende dorthin schicken. Israel hat das zwischen 2013 und 2018 mit mehreren Tausend Menschen umgesetzt. Und seit 2019 nimmt Ruanda Geflüchtete aus unterschiedlichen Ländern auf, die aus Libyen evakuiert werden. Initiiert hat das das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gemeinsam mit der Afrikanischen Union.

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Sollen Asylsuchende aus den Industrienationen ferngehalten werden, taucht also immer wieder der Name des ostafrikanischen Staates auf. Warum ist das so? Dass einige Länder Flüchtlinge ausgerechnet nach Ruanda abschieben oder es in Betracht ziehen, hat verschiedene Gründe.

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Zunächst die geografische Lage: Das Land liegt außerhalb Europas und zudem noch einigermaßen weit davon entfernt. Das macht es für eine solche Drittstaatenlösung interessant, weil man sich einerseits eine abschreckende Wirkung verspricht und andererseits das weitere Asylgeschehen außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung hält.

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Dann Ruandas positives Image: In den letzten Jahren hat sich die Republik als aufstrebendes, sich entwickelndes Land zeigen können, das als afrikanisches Erfolgsbeispiel gilt. Die Korruption ist vergleichsweise niedrig, die Armutsquote gesunken, genauso wie die Mütter- und Säuglingssterblichkeit, und die Lebenserwartung ist gestiegen. Diese positive internationale Wahrnehmung wird oft genutzt, um die Abschiebeabkommen politisch zu rechtfertigen.

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Zudem wird Ruanda von vielen als sicher eingestuft. Die Asylsuchenden dürfen sich dort frei bewegen und müssen nicht in Lagern leben. Sie dürfen arbeiten, Unternehmen anmelden und Bankkonten eröffnen.

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Und zuletzt hat sich Ruanda zu solchen Abkommen auch bereit erklärt. Nur: Was hat ein Land davon, das gerade einmal 13 Millionen Einwohnern zählt und nur etwas größer ist als Mecklenburg-Vorpommern?

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Zunächst einmal geben die Vertragsstaaten Ruanda für jeden aufgenommenen Menschen Geld. Israel etwa zahlte pro Person 5.000 Dollar, Großbritannien versprach eine Pro-Kopf-Prämie von 20.000 Pfund – zuzüglich Entwicklungsgeldern in Höhe von 370 Millionen Pfund bis 2026, und zusätzlichen 120 Millionen Pfund, sobald 300 Menschen erfolgreich umgesiedelt worden wären, plus ein Integrationspaket, dass Ruanda pro Geflüchtetem noch einmal bis zu 150.000 Pfund eingebracht hätte.

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Neben den Einnahmen dient Ruandas Bereitschaft, anderen Staaten Geflüchtete abzunehmen, auch seinem Ansehen in der internationalen Gemeinschaft. Das führt wiederum zu internationalen Investitionen, etwa durch die EU oder die USA. Jedes Jahr bekommt das Land über 900 Millionen Euro an Entwicklungshilfe. Das festigt auch die Position der Regierung im Land selbst.

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Es sieht also alles nach einer Win-win-win-Situation aus: für Ruanda, die westlichen Vertragspartner und die Asylsuchenden. Letztere jedoch finden in Ruanda nicht das Paradies vor, das man sich bis hierhin vielleicht vorgestellt hat. Tatsächlich leben über 90 Prozent von ihnen in Flüchtlingslagern und von einer Nahrungsmittelhilfe von umgerechnet sieben Euro im Monat. Jobs gibt es für sie nicht.

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Auch die Menschenrechtslage im Land wird immer wieder kritisiert. Immerhin wurde der „Ruanda-Asylplan“ auch in Großbritannien für rechtswidrig erklärt: Ruanda sei kein sicheres Herkunftsland, urteilte ein Gericht. Zudem bestünde die Gefahr, dass die Menschen von dort in ihre Heimatländer zurückgeschickt würden, aus denen sie geflohen sind. Das Urteil wurde im November 2023 vom britischen Obersten Gericht dann noch einmal bestätigt: Ruanda sei ein Staat, der seine Gegner „inhaftiert, foltert und ermordet“.

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Auch der Demokratieindex des Magazins Economist bewertet das Land als autoritäres Regime. Präsident ist seit dem Jahr 2000 Paul Kagame, der es de facto aber bereits seit 1994 regiert; die Opposition wird unterdrückt. Das Land sieht sich zudem immer wieder der Kritik ausgesetzt, Konflikte bei seinen Nachbarn zu schüren und Aufständische zu unterstützen, um sich den Zugang zu wertvollen Rohstoffen zu sichern.

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Angesichts des innenpolitischen Drucks wird das aber oft in Kauf genommen, wenn Abschiebungen nach Ruanda in Betracht gezogen werden. Großbritannien ließ sich seinen „Ruanda-Asylplan“ am Ende über 800 Millionen Euro kosten – nur vier Asylsuchende gingen im Rahmen dessen jedoch tatsächlich nach Ruanda.

Katapult-Magazin

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