Die Möglichkeit einer geheimen Abstimmung der Vertrauensfrage im Bundestag, wie sie im Grundgesetz nicht explizit ausgeschlossen wird, eröffnet ungeahnte Möglichkeiten der Unterstützung im Bundestag. Auch eine überraschende Unterstützung durch die AfD für Kanzler Scholz ist ein interessantes Gedankenspiel, auch wenn es ein bißchen fiktiv ist.
In diesem Szenario könnte die AfD-Führung intern zu dem Schluss kommen, dass vorgezogene Neuwahlen für die Partei taktisch ungünstig wären. Trotz guter Umfragewerte fürchtet man, noch nicht ausreichend auf einen Wahlkampf vorbereitet zu sein. Stattdessen sieht die Parteiführung Vorteile darin, wenn die aktuelle politische Krise noch einige Monate andauert.
Die AfD könnte darauf spekulieren, dass eine Verzögerung ihr die Möglichkeit gibt, sich ordentlich vorzubereiten. Obwohl sie praktisch die ganze Legislaturperiode Neuwahlen forderte, stellt sie jetzt fest, dass sie nicht darauf vorbereitet ist. Deshalb blieb in der AfD das Triumpgeheule aus. Nach einem ersten Moment der Freude über das Ampel-Aus herrscht in der AfD-Fraktion der Katzenjammer.
- Die AfD kann erst in vier Wochen ihr Kanzlerkandidatin Weidel küren.
-Von Landeslisten und Wahllisten aufstellen mal ganz zu schweigen. Sie ist zu zerstritten als das glatt über die Bühne gehen könnten, schon gar nicht innerhalb 14 Tagen; was notwendig wäre wenn Scholz die Vertrauenfrage sofort stellen würde.
- Außerdem sind einige Landesverbände rechtlich nicht sauber aufgestellt. So wurde z.B. in NRW bei der Aufnahme von Neumitgliedern betrogen. Etliche wurden falschen Kreis- und Landesverbänden zugeordnet, was die Proportionen verzerrt und am Ende die Kandidatenlisten ungültig macht. So besteht insbesondere in NRW, aber auch in anderen Landesverbänden die Gefahr, dass sie zur vorgezogenen Bundestagswahl nicht antreten können.
- So könnte eine geschwächte Minderheitsregierung unter Scholz zu weiteren Konflikten und Problemen führen würde. Dies wiederum könnte die Unzufriedenheit in der Bevölkerung weiter schüren und der AfD als Oppositionspartei in die Hände spielen. Zudem hätte die Partei mehr Zeit, um ihre Wahlkampfstrategie zu verfeinern und Kandidaten aufzustellen. Es wären nichtmal geheime Gespräche mit der SPD nötig, sie müsste nur bei einer nicht-öffentlichen Vertrauensabstimmung für Scholz zu stimmen.
Für Scholz wäre ein solches Vorgehen ethisch höchst fragwürdig, aber er könnte sich dagegen nicht wehren. Im Gegenzug hätte er doch mehr Zeit für die Umsetzung wichtiger Projekt.
Eine geheime Abstimmung würde es der AfD ermöglichen, offiziell ihre ablehnende Haltung gegenüber der Regierung beizubehalten und insgeheim Scholz das Vertrauen auszusprechen.
Aus der AfD-Fraktion ist folgendes verlautbart worden:
Es gebe auch menschliche Gründe, warum einigen Bundestagsabgeordneten der AfD eine vorgezogene Neuwahl überhaupt nicht passt, erzählt ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion. "Viele Funktionäre sind unglücklich: Die haben Bausparverträge und Leasingautos", spielt er auf die Unsicherheit für jeden Abgeordneten an, auch im nächsten Bundestag wieder vertreten zu sein und das gute Parlamentariereinkommen weiter zu beziehen. Von der Unsicherheit im Kreise der weiteren Mitarbeiter ganz zu schweigen. Auch deswegen sei die Idee, als AfD selbst ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Scholz einzubringen und dabei auf die Unterstützung aus anderen Fraktionen zu hoffen, schnell wieder verworfen worden. Sie wollen derzeit keine Neuwahl.
Und dann müssten sich die AfD-Abgeordneten vorläufig keine Sorgen mehr um Leasingautos, Bausparverträgen und Futtertrog machen.