Dublin: pUb, Straßenverkehr und die Farbe Rot

Tja, da heute auf Ö1 ganze 22 Stunden lang der Roman Ulysses des irischen Schriftstellers James Joyce akustisch dargebracht wird und wohl ein Gusto-Stückerl für Hardcore-Literatur-Liebhaber ist, werden Urlaubserinnerungen aus Dublin wach. Ich, der urlaubstechnisch die letzten 25 Jahre pausiert hat und diese Reise sich auch mehr zufällig ergeben hat, kann deshalb keine Reise-Tipps erwarten, die kann ich Ihnen leider nicht anbieten, im Gegenteil, ich bräuchte selbst welche.

Weshalb dem so ist, ist schnell erklärt. Zum einen bin ich furchtbar feige, sprachlich untalentiert und zum anderen wohne ich elendslang vom nächsten Flughafen entfernt. Die Anreise zum nächsten Flughafen ist schon ein Abenteuer für sich – da wird die eigentliche Reise zur Banalität.

Sollte ich mich doch mal in fremde Gefilde verirren, dann allerdings sauge ich alles auf. Jede unbedeutende Kleinigkeit wird analysiert.

So kam es, dass ich mich im September des Jahres 2013 in einem irischen Taxi bei der Hinfahrt vom Flughafen zum Hotel wiederfand. Ich summte gerade „Molly Malone“ - die heimliche irische Hymne - vor mich hin: „In Dublin’s fair city, where the girls are so pretty … hmmm … hmmm … the hottest bit*[zensuriert von fisch+fleisch]  in place.“ Letzteres war von Blurred Lines, der Sommerhit des Jahres 2013. Genau genommen hatte ich also zwei Ohrwürmer im Hirn.

Als ich von diesen Ungeziefern im Ohr überdrüssig geworden bin, konnte ich nicht umhin die leidliche Frage zu klären, ob man das Pub nun als Pub oder vielleicht doch eher als Pub ausspricht, der nette Taxichauffeur verriet es mir:Es heißt Pub. Ähm ... soll heißen:Lautmalerisch sprechen die Iren das Pub als [pUb] und nicht als [pAb] aus. Einige Tage später im naturhistorischen Museum hörte ich einen kleinen Jungen, der auf eine Ente zeigte, und seinen Papa herbeirief mit den Worten: Look daddy, a [dUck]! Nun fragte ich mich ob der Herzog, also jener Herr der vor dem Heer herzog, bekannt als Duke (oder Duce bei den Römern) als [dAke] wiedergegeben wird.Genug der Nebensächlichkeiten, aber ich konnte nicht umhin, diese meine Erkenntnis, meinem PUBlikum in dieser RePUBlik ähm zu PUBlizieren. Haha, ich immer mit diesen Wortspielen … köstlich … nein ich hör’ schon auf, wirklich … das … das ist so ein Überbleibsel aus meiner PUBertät … hihi … nein jetzt wirklich … echt.Als das geklärt war und ich mich bequem in die Polster des Taxis zurücklehnte, mich über die unzähligen Backsteinhäuser verwunderte, fiel mir noch eine Verschiedenheit der Sprache auf.Nein, nicht jener der Menschen, sondern die der Sirenen auf den Kranken- und Polizeiwagen. Sie alle klangen fremd und waren mir doch sehr vertraut – schließlich gehört dieser Soundbackground zu jedem amerikanischen Krimi, wie das Tumbleweed zu jedem Western. Und bedingt durch diese akustische Begleitmelodie, verwandelten sich die Backsteinhäuser in die Harlem und die Bronx.

Die Farbe RotDie Farbe Rot hat in Dublin eine völlige andere Bedeutung als bei uns. Dort steht sie nicht für die Farbe des Blutes, des Kriegsgottes Mars oder Stopp bei Ampeln … gerade Letzteres bemerkte ich unmittelbar.Selbst die Fußgängerampeln wiesen den Luxus von gleich drei Lichtern, nämlich Rot, Gelb und Grün auf.Bei Grün darf man gehen, bei Gelb auch und bei Rot sowieso. Ich in meiner touristischen Naivität blieb naturgemäß angesichts des strengen roten Leuchtens in meinem rechtsstaatlichen Verständnis stehen und wartete ein saftiges Inselgrün ab, während sich Menschenmassen an mir vorbeidrängten und verständnislos und herablassend den Kopf schüttelten.Es verlieh mir etwas Erhabenes, etwas von diesem preußischen Ehrgefühl und Pflichtbewusstsein. Mit mir nicht! Ich blickte auf den gesetzlosen Pöbel herab.Na schön, na schön - drei Fußgängerampeln später, hielt ich den gesellschaftlichen Druck nicht mehr aus, bei der vierten Ampel lief ich schuldbewusst bei einem Blass-Orange über die Straße.Bei der fünften und sechsten auch mal bei Rot. Außerdem war auf den Straßen vor den Fußgängerampeln auch deutlich notiert, dass man hier nach rechts (Look right) oder mal nach links (Look left) blicken sollte. Somit stand dieses Rot lediglich als unverbindliche Empfehlung im Raum.Anschließend querte ich nur mehr bei Rot die Straße – schließlich will man ja nicht als dümmlicher Tourist auffallen. Wenn ich mal versehentlich auf eine grüne Ampel stieß, wartete ich geduldig, bis sie endlich auf Rot schaltete.Als ich schließlich an einem Tag über die O’Connell-Street musste (unter dem O’Connell-Denkmal), um die Samuel-Beckett-Bridge aufzusuchen, blickte ich sorgfältig nach links (Look left), zwei Doppeldeckerbusse sah ich, die aber noch weit genug entfernt waren und mich nicht störten, ich nickte noch freundlich einem Polizisten zu und überquerte pflichtgemäß bei Rot die Straße, in diesem Moment schoss ein Radfahrerin aus heiterem Himmel herbei und verfluchte mich sehr deftig, was an ihrer Gestik zu erkennen war. Ich verstand kein Wort, höchstwahrscheinlich war es gälisch, dieses uririsch, also diese Sprache auf die die Iren mächtig stolz sind und deshalb alles doppelsprachig auszeichnen und seien es nur die Öffnungszeiten im Tattooshop. Für eine Zehntelsekunde dachte ich an Kärnten.Ich konnte der resoluten Radfahrerin gerade noch mit einem herzhaften Sprung zur Seite entkommen, war allerdings dennoch peinlich berührt und möchte mich hier in aller Form bei der Radfahrerin und dem irischen Staat zu tiefst entschuldigen. Es stand nicht in meiner Absicht, ich respektierte die Gesetze des irischen Staates – es war ein kulturelles Missverständnis: Tá brón orm! (Hoffe, dass mir der Google-Translator, das richtig übersetzt hat)Dafür erheiterten sich zwei ältere Herren ob dieser Beinahe-Kollision und kriegten sich vor Lachen nicht mehr ein. Ich versuchte ihnen mit meinem Schulenglisch die Komplexität dieses Missverständnis zu erläutern, gab allerdings entnervt auf, weil sie mit dem Lachen nicht aufhörten.Dafür schloss ich ab diesem Tag die irische Polizei – die Garda - in mein Herz, da sie mich trotz dieses Vorfalls nicht in den Tower of Dublin warf - die österreichische Polizei hätte mich sicherlich zwölfmal von hinten erschossen.Bei der Heimfahrt zum Flugenhafen klärte mich die Taxi-Chaufeurin auf, dass es verboten ist bei Rot über die Straße zu gehen ...

… das hätte man auch ruhig im Reiseführer mal vermerken können.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Herbert Erregger

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

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