Traurig. Jahrelang schon predigt die Freiheitliche Partei, dass Direkte Demokratie das Wichtigste überhaupt ist. Nur die Linken, die bösen zentralistischen EU-Bürokraten, Frau Merkel, St. Nikolaus und sonstige missliebige Gestalten sind gegen direktdemokratische Entscheidungen. Und schau mal in die Schweiz und überhaupt!
So war es bis Dezember 2017. Seitdem jedoch ist die Freiheitliche Partei in Regierungsverantwortung. Jetzt ist die Direkte Demokratie, ich zitiere, "unseriös". So nennt jedenfalls die FPÖ-Gesundheitssprecherin das aktuelle Volksbegehren betreffend Nichtraucherschutz in öffentlichen Gaststätten. Dieses läuft, vorsichtig formuliert, "ganz gut" ;) Und warum soll es unseriös sein? "Weil der Gesetzestext noch nicht feststeht!" Sehr geehrte Frau Belakowitsch-Jenewein, Ihre Regierung hat bis ins Detail angekündigt, welche neuen Regelungen kommen werden. Steht alles im Regierungsabkommen. Ist das nicht ernstzunehmen oder wie soll man Ihren Einwand verstehen? Für Volksbegehren hat es noch nie einen konkreten Gesetzestext gebraucht. Der Text für das am 1. Mai in Kraft tretende Gesetz wurde im Übrigen vor Jahren beschlossen und jeder, der des Lesens mächtig ist, kann sich diesbezüglich informieren. Das Volk würde Sie nur bitten, daran jetzt nicht mehr herumzupfuschen, das ist alles.
Es entbehrt auch nicht einer gewissen Komik, dass genau die gleiche Person im Jahr 2010 (richtig geraten, damals war sie noch Oppositionspolitikerin) eine direkte Entscheidung über dieses Thema verlangt hat. Heute das genaue Gegenteil, das Martin-Schulz-Syndrom quasi.
Aber überhaupt ist das alles etwas seltsam, was die FP in den Regierungsverhandlungen in puncto Direkte Demokratie, ihrem alten Lieblingsthema, herausgeholt hat. Momentan ändert sich nämlich gar nichts. Erst 2022, nach dem turnusmäßigen Ende dieser Wahlperiode, kommen neue Regeln, die die Direkte Demokratie etwas stärken. Also bis 2022 - so lange sitzt die FPÖ noch in der Regierung - ist das mit der Direkten Demokratie eigentlich nicht so wichtig. Weil allein durch die Tatsache, dass die Blauen in der Regierung sitzen ist gewährleistet, dass die richtigen Entscheidungen für das Volk getroffen werden ;) Da braucht man jetzt nicht blöd herumfragen. Außer natürlich, es geht um ein Thema, dass der FPÖ gut in den Kram passt. GIS-Gebühren zum Beispiel. Da hätte man am besten gestern abgestimmt. Sonst ist Direkte Demokratie aber nur parteipolitisch motivierte Inszenierung der Opposition. Jahrelang der Signature Move vom jetzigen Vizekanzler, jetzt ganz böse. Doppelmoral, wie man sie von der FP kennt.
Dunkel in Erinnerung habe ich da auch noch diese privaten Schiedsgerichten betreffend das Freihandelsabkommen CETA. Nun ist CETA (mit Zustimmung von SPÖ und ÖVP auf europäischer Ebene) teilweise schon in Kraft, die Hauptkritikpunkte, eben diese Schiedsgerichte sind aber noch offen. Die Blauen waren immer strikt dagegen, "CETA nicht ohne Volksabstimmung!". Und jetzt? Alles kein Problem. Ich bin gespannt, wann der Widerstand gegen CETA zu einer linken Spinnerei umgedeutet wird :) Dafür hat man dieses Spitzen-Wischiwaschi-Nichtraucherschutzgesetz durchgesetzt, und außerdem ein paar wichtige Ministerien abgesahnt. Gut gemacht im Sinne des Volkes von der sozialen Heimatpartei.
Abschließend wäre es der FPÖ im Sinne Österreichs angeraten, im Bereich Nichtraucherschutz nicht tote Pferde zu reiten. Diese Thematik ist nämlich keine "Ja/Nein"-Frage, sondern vielmehr eine "Wann"-Frage. Ewig wird sich Österreich nicht mehr als Rauchkammer Europas profilieren. So oder so. Die Gastronomen werden sich nicht bedanken, wenn sie jetzt noch einmal ihre Räumlichkeiten umsonst adaptieren. Sehr erfreulich ist aber, dass momentan mehr und mehr Betriebe die öffentliche Stimmungslage wahrnehmen und von sich aus auf Nichtraucher umstellen. Gerade am Land eine Wohltat. In der Stadt ist es ob der großen Auswahl ohnehin ein kleineres Problem.