Schon während meiner ersten Dienstzeit in Wien 1984-87 war ich beeindruckt von den vielen faszinierenden Ausstellungen hier in dieser Stadt.

Manchmal war ich so beeindruckt, dass ich ein Erinnerungsstück kaufte.

Zum Beispiel dieses Poster, das auf eine Ausstellung von Werken des österreichischen Fotografen Ernst Haas hinweist. Sie fand im Oktober 1986 statt – Haas war einen Monat zuvor im Alter von 65 Jahren gestorben.

Das Poster würdigt einen der großen Pioniere der Fotografie. Haas hat viele bedeutende Ereignisse des 20. Jahrhunderts dokumentiert; er arbeitete für Life, Vogue und andere Zeitschriften und wurde Präsident der Fotoagentur Magnum Photos. Ein Österreicher, der als Meister seines Fachs weltweit Anerkennung erlangte.

Die besondere Wirkung des Fotos entsteht durch die Eindringlichkeit und angedeutete Tragik der dargestellten Szene. Zu sehen ist eine Frau in einem Wiener Bahnhof, die heimkehrende Kriegsgefangene erwartet. In der Hand hält sie ein Bild von einem jungen Mann in Uniform – vielleicht ihr Sohn – in der Hoffnung, dass er unter den Ankömmlingen sein könnte oder dass zumindest jemand etwas über ihn wüsste. Flehend schaut sie einen der Männer an. Aber der scheint sie nicht zu sehen – sein Blick, voller Freunde über seine Heimkehr, ist auf etwas gerichtet, was sich außerhalb des Bildes befindet.

Das Foto erinnert sowohl an das ungeheure Leid, das durch den Krieg verursacht wurde, wie auch an die große Zahl von deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion – nach sowjetischen Angaben waren es rund 2,4 Millionen Deutsche und 157.000 Österreicher. Manche sind erst 1956 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt.

Ich empfehle Ihnen, sich im Internet noch weitere der bemerkenswerten Fotografien von Ernst Haas aus seinem 40-jährigen Schaffen anzuschauen.

Das Poster hängt jetzt zusammen mit anderen aus den 1980er Jahren in meinem Wohnzimmer in Wien.