Na gut, vielleicht ist das etwas zu viel versprochen. Und dennoch dürften einige wesentliche Ergebnisse längst feststehen, ungeachtet der latenten Unsicherheiten die Meinungsumfragen so innewohnen. Auf diese sollte man sich ohnehin nicht all zu sehr verlassen.
Weit aussagekräftiger sind schon echte Wahlergebnisse, die über die letzten Jahrzehnte bemerkenswerte Konstante aufweisen, obwohl bzw. gerade weil die Parteienlandschaft ständig in Bewegung war. Mit BZÖ, Team Stronach, LIF oder "Matin" hatten wir nicht wenige Parteien gesehen die gekommen, und gegangen sind. Mit Neos und Pilz haben wir abermals zwei (halbwegs) neue Fraktionen im Spiel, die prognosetechnisch Unsicherheit bringen könnten.
Reduzieren wir die Betrachtung einfach mal auf die "rechten" Parteien, bzw. all die Parteien die nicht explizit dem linken Lager zuzurechnen sind. Da wären ÖVP, FPÖ, BZÖ, Team Stronach, "Fritz" und auch "Matin" zu nennen. Weitere Klein(st)parteien seien hier mal ignoriert. Deren gemeinsamer Stimmenanteil entwickelte sich rückblickend wie folgt: 53,8% (2013), 56,0% (2008), 52,3% (2006), 52,3% (2002), 53,8% (1999).
Wie man sieht, bewegt sich da praktisch gar nichts! Selbst wenn man den Zeithorizont ausdehnte, würde sich da nicht viel tun. In den 70er und 80er Jahren ging sich, dank einer sehr starken SPÖ, phasenweise eine knappe linke Mehrheit aus. Den Tiefpunkt erreichte die Kombination aus ÖVP und FPÖ 1979 mit nur 48%. Doch selbst dieses "Extrembeispiel" zeigt die Rigidität des Wählerverhaltens.
Man bräuchte also kein Prophet sein, um 53-54% für ÖVP UND FPÖ zu prognostizieren, wenn wir a) die rechte Konkurrenz (FLÖ?) und b) rezentere politische Großereignisse ignorierten. Während a) tatsächlich wenig bedeutend sein dürfte, so gilt das für b) keineswegs.
Die "Flüchtlingswelle" und ihre Nachwirkungen haben als Elementarereignis zu grundlegenden Verschiebungen geführt. Bemerkenswerter Weise sind es vor allem Frauen, und darauf weisen zahlreiche Umfrageergebnisse hin, die von links nach rechts gewandert sind. Der Grund ist ebenso pragmatisch wie logisch: die dramatisch verschlechterte Sicherheitslage. Damit hat sich der Gendergap beim Wahlverhalten weitgehend geschlossen. Ein von Feministinnen kaum gewürdigter Umstand übrigens.
Auch wenn das mit Vorsicht zu genießen ist, so zeigen die Umfragen gerade im stark betroffenen Wien hier einen Erdrutsch an. FPÖ 40%, SPÖ 25%, Grüne 15%..?! Wenn diese Werte auch nur einigermaßen stimmen, und immerhin werden sie von vier ähnlichen Umfrageergebnissen gestützt, dann hat die SPÖ längst ihre wichtigste Bastion verloren.
https://neuwal.com/wahlumfragen/index.php?cid=2
So wird "rechts" um mindestens 5% zulegen (man vergleiche auch die Landtagswahlen in ÖO und der Stmk), und ÖVP und FPÖ müssten so knapp 60% erreichen. Bei dieser Rechnung spielen die jeweiligen Spitzenkandidaten oder allfällige Geschehnisse im Wahlkampf noch nichtmal eine Rolle.
Auch wenn das ungleich schwieriger ist, kann man auch diese Faktoren zu gewichten versuchen. Umfragen mögen in den Absolutwerten oft deutliche Schwächen aufweisen, sind sie doch recht gut darin Trends zu quantifizieren. Verliert eine Partei in den laufenden Umfragen 3 Prozent, dann dürfte das weitgehend akkurat sein.
Mit dem Erscheinen von Kurz hat die FPÖ um die 8% verloren, die SPÖ aber ebenfalls 3-4%. Dem wäre allerdings der "Kern Effekt" gegenzurechnen, der davor 2-3% von der ÖVP entführte. In Summe bliebe im Duell Kern-Kurz ein leichtes Übergewicht für Kurz übrig.
Wäre da nicht Silbersteingate! Es ist verdammt schwer zu sagen, wie sich das auswirken wird. Vermutlich wohl nicht positiv für die SPÖ. Das aggressive Auftreten von Kern und seiner Entourage dürfte weitere Wechselwähler verscheuchen. Dabei ist die Frage freilich: wohin?
Kern könnte am Ende Peter Pilz den Einzug in den Nationalrat gesichert, und die Grünen gerettet haben. Diese haben bekanntlich ihrerseits zuvor ihre linke Wählerschaft auf Reisen geschickt. Ein Nullsummenspiel wird es aus linker Sicht dennoch nicht. Natürlich werden nicht wenige Wähler die vom versprochen Aufbruch (Plan A..) angelockt wurden, wieder zurück zur ÖVP wechseln. Und die Reibungsverluste Richtung Nichtwähler werden nicht zu vernachlässigen sein.
Blieben noch die Neos. Diese scheinen, seit ihrem erstmaligen Auftreten 2013, in der Wahrnehmung deutlich nach links gerückt zu sein. Sie konkurrieren mehr mit Grünen und Pilz um ein kleines Wählersegment, als mit der ÖVP. Auch das sollte nicht ganz ohne Spuren bleiben.
Fazit: ÖVP und FPÖ sollten zusammen locker über 60% kommen, die Umfragen dürften diesen Wert eher unter- als überschätzen. Der rote Schwächeanfall ist wetttechnisch eine Bank, sollte aber den Kleinen das Leben sichern. Ein spezieller Wackelkandidat bleiben jedoch die Grünen. Die prognostizierten 5% sind zwar schon denkbar schwach, doch schneidet diese Partei traditionell in Umfragen stärker ab als am Wahlabend. Sollte diese, oder eine andere Kleinpartei, am Einzug scheitern, dann rückt sogar eine schwarz-blaue Verfassungsmehrheit in Reichweite.