Auffallend viele Journalisten meinen dieser Tage, wir sollen uns empören. Zum Beispiel, weil die FPÖ die Briefwahl abschaffen will. Ein Aufruf zur Empörung? Na gut, dann empöre ich mich mal darüber, dass..
1. in Österreich rund 50.000 Menschen besachtwaltet, aber dennoch wahlberechtigt sind
https://www.fischundfleisch.com/cossberger/50-000-sachbewaltete-oesterreicher-im-wahlregister-21188 @Cossberger
2. diesen Menschen bisher in aller Regel (gesetzwidrig!) die Hand geführt, bzw. stellvertretend für sie die Briefwahl beantragt wurde
3. meist nur jene Dementen besachwaltet werden, die auch Vermögen besitzen (wobei es dabei regelmäßig um die Aneignung des Vermögens durch die Sachwalter selbst geht - ich kenne viele Beispiele dafür)
4. es dagegen aber 130.000 demente (darüber hinaus 455.000 pflegebedürftige) Menschen gibt (siehe link), deren rechtlicher Status bei Ermangelung einer Besachwaltung einfach in der Luft hängt. Und ja, diese Menschen sind nicht nur wahlberechtigt, sie weisen auch eine hohe Wahlbeteiligung auf.
5. ich erst vor ein paar Monaten von einem Fall erfuhr, wo ein 90jähriger Mann in einem illegalen Pflegeheim über 2 Monate hinweg zu Tode gepflegt wurde (medikamentöser Dauerschlaf, Unterernährung..). Zwar konnten die von mir alarmierten Landesbehörden im Zuge einer Razzia den Mann befreien, der verstarb aber am nächsten Tag.
6. eben dieser Fall keine strafrechtlichen Konsequenzen haben wird, allenfalls eine Verwaltungsstrafe droht
7. dieser Mann, obwohl schon am 12.5. verstorben und davor nicht ansprechbar, wohl dennoch "seine" Stimme bei der BP Stichwahl am 22. Mai einbrachte
8. die Leben unserer alten Siechen praktisch keinen Wert haben, ganz im Gegensatz zu
9. ihren allfälligen Vermögen und Wählerstimmen
10. dann Journalisten die Kritik an solchen Verhältnissen als Angriff auf Demokratie (sic!) und Rechtsstaat (sic!) werten, offenbar in völliger Blindheit gegenüber der Realität.
Wahrscheinlich verlangt ein Land in dem Rechtsstaat und Demokratie mehr als Witz verstanden werden, auch nach besonders witzigen Journalisten.