Titanic
Ja, man hat Kurz schon souveräner gesehen als im gestrigen Sommergespräch. Höhepunkt des Interviews waren wohl die Fragen zur Senkung von Staatsschulden- und Abgabenquote. Da wurde es merklich emotionaler und kontroverser.
Das obwohl Tarek Leitner jetzt eher nicht für eine aggressive Interviewführung bekannt wäre, insbesondere im Vergleich zu den ideologischen Hardcore-Wadlbeisern a la Wolf, Turnher, Milborn oder Loulou Lorenz Tittlbacher. Nichts Schlimmes hätte also nicht passieren dürfen. Hätte..
Die fatale Attacke erfolgte nämlich völlig unerwartet aus dem Nichts, gleichsam jenem Element aus dem Tarek Leitners Wirtschaftskompetenz besteht. Man darf ihm also durchwegs zu Gute halten: er wusste nicht was er tat! Doch leider war er damit an diesem Tag nicht allein.
Leitner: Jetzt gibt es in Österreich etwa 20 Mrd. die zum Bereich der Förderungen gehören jedes Jahr. Ein Teil davon, fast 3/4, 14 Mrd., sind indirekte Förderungen, also sprich Steuererleichterungen. Wenn man da jetzt hinein schneidet hat man am Ende..
Kurz: Das ist richtig! ..aber ist nur ein Teil davon!
Leitner: ..wieder mehr Steuern zu zahlen. Naja, 3/4. Bleibt noch ein Viertel über der zum größten Teil Agrarförderungen sind. Und ich hätte mir jetzt erwartet, dass Sie mir entweder im Bereich der Förderungen oder..
Kurz: Wenn Sie mir eine Minute schenken..
Leitner: Herr Kurz ich hab Ihnen jetzt bereits 36 Minuten geschenkt..
Nun muss man wohl etwas sachkundig sein um die Ironie dieser Passage zu erkennen, wobei man sich dann schon darüber zerkugeln kann (spreche aus eigener Erfahrung!). Tarek Leitner hat nämlich nicht die geringste Ahnung was eine Subvention ist! Er denkt sich etwa Folgendes: was könnte der Unterschied zwischen einer direkten und einer indirekten Subvention sein? Er grübelt wohl ein wenig darüber nach, spart sich die Recherche, und erinnert sich vielleicht daran was mal der Herr Jan Krainer (immerhin Finanzsprecher der SPÖ) dazu sagte. Leider nur hat Krainer auch nicht die geringste Ahnung.
Und so spinnt sich Herr Leitner zusammen, dass direkte Subventionen bzw. Förderungen wohl Geldzahlungen sein müssten, und indirekte Subventionen, weil ja offenkundig etwas anderes, dann wohl wahrscheinlich Steuererleichterungen seien.
Was Herrn Leitner an dieser Stelle zumindest ins Auge hätte stechen müssen, ist der Umstand, dass Steuervorschriften in Österreich durchwegs Bundesgesetze sind und Ausnahmen hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedürften. Solche parlamentarisch beschlossenen Steuersubventionen gibt es in Österreich jedoch gar nicht. Gut, es gab mal welche für Regiebetriebe des Staates, aber selbst das ist Geschichte. Solche Praktiken gibt es zwar in vielen Ländern, man denke etwa an Luxemburg, die Schweiz oder die USA. Bei uns ist das aber schlichtweg nicht möglich.
Und sollte Herr Leitner da an ermäßigte Steuersätze etwa im Sinne der Umsatzsteuer gedacht haben, ist auch das ein abwegiger Irrtum. Abgestufte Steuersätze sind einfach nur das, und haben nicht das Geringste mit Subventionen zu tun. Wie sollte man sich das auch vorstellen? Es gibt irgendwo einen Höchststeuersatz und alles was drunter liegt sei dann eine indirekte Subvention? Steigen dann die Subventionen automatisch gewaltig an, nur weil ein Höchststeuersatz erhöht wird? Man sieht, auch so wird kein Schuh draus.
Um die Sache aufzulösen. Hier geht es um Begrifflichkeiten aus der Ökonomie, wo in der Theorie zumindest jedes Unternehmen darauf abstellt Güter herzustellen, gleichgültig ob das ein Produkt oder eine Dienstleistung ist. Die Produktion ist also der Sinn eines „Wirtschaftssubjektes“.
Eine finanzielle Zuwendung an ein solches Wirtschaftssubjekt kann daher nur den Zweck erfüllen, diese Produktion zu fördern. Und die Unterscheidung direkt oder indirekt, bezieht sich exakt auf diese Produktion. Direkt bedeutet also an die Produktionsleistung gebunden, indirekt bedeutet nicht an eine Produktionsleistung gebunden.
Nun wäre derartiges Grundlagenwissen natürlich zu viel verlangt, etwa von einem ORF Journalisten, einem Wirtschaftssprecher der SPÖ, oder von Sebastian Kurz. So richtig peinlich wird die Sache aber dadurch, dass Kurz nicht nur Herrn Leitner auf seine völlig falsche und inkompetente Aussage entschlossen zustimmt („das ist richtig!“) um dann selbst in Argumentationsnotstand zu kommen, sondern sein zentrales Wahlversprechen mit dieser Frage schwimmt, oder untergeht.
Natürlich leistet der Staat Österreich über 20 Mrd. an Subventionen, ganz ohne „Steuererleichterungen“, und wenn man diese reduzieren will, muss man einfach wissen worin diese bestehen. Hier nur eine Überschrift zu setzen und nicht die geringste Ahnung von der Materie zu haben, fordert den Eisberg geradezu heraus.