Auf Kos haben wir als Gruppe Ehrenamtlicher Handschuhe von einem deutschen Sportgeschäft geschenkt bekommen. Der Verkäufer hat sich nicht lumpen lassen: die Handschuhe sind nicht nur warm, sie sind auch enganliegend und machen wirklich Sinn. Noch dazu ist ihre Unterseite mit Noppen versehen, dass mir bei der Arbeit nichts aus den Händen rutscht. So weit, so gut.

Als ich die Handschuhe bekommen habe, habe ich sie nur anprobiert und mich gefreut. Irgendwann später dann lagen sie im Auto vor meiner Nase und ich habe sie genauer angeschaut. Auf Kos hat man manchmal sehr viel Zeit. Dann, wenn kein Boot ankommt, aber man die Stellung halten muss oder wenn man auf Neuankömmlinge wartet, die die Küstenwache bringen soll und schon alles vorbereitet hat. Jedenfalls hatte ich Zeit. Und so habe ich sämtliche Etiketten gelesen und dann auch: „Made in Sri Lanka.“ An und für sich ist das ja nichts Ungewöhnliches und mich als alte Häsin des fairen Handels sollte so etwas auch nicht aus der Ruhe bringen. Hat es aber. Denn nur wenige Minuten zuvor hatten wir uns noch unterhalten: über die sogenannten „unechten“ Flüchtlinge, die irgendwie nirgends eine Chance bekommen. Die, die aus Pakistan kommen, aus Bangladesh oder eben auch Sri Lanka. Ich helfe hier also Menschen und bekomme dafür Handschuhe, deren Produktion höchstwahrscheinlich sehr sehr eng mit den Fluchtgründen dieser Menschen zusammenhängt? Ich muss an die vielen neuen Paar Schuhe denken, über die sich alle so gefreut haben und die bloß 8 Euro kosten – in Athen. 8 Euro pro paar Schuhe. Oder 7 Schweizer Franken, das sammelt eine andere Initiative pro Paar nigelnagelneuer Treter für Frauen auf der Flucht. Und ich muss auch daran denken, wie ich das Spendengeld genommen habe, das mich erreicht hat und damit schnurstracks zu H&M gegangen bin – in den Laden, in den ich normalerweise nur mitkomme oder zum Stöbern gehe, aber doch nicht, um einen großen Berg Schals, Mützen und Handschuhe zu kaufen. Ich weiß doch, wo und wie die hergestellt werden. Made in Turkey – das ist hier wohl mindestens genau so pervers, weiß ich doch aus direkter Quelle (schon länger, als das durch die Medien geht), dass viele der dort gestrandeten syrischen Flüchtlinge für eben dieses „Made in Turkey“ für niedrigste Löhne und ohne Krankenversicherung schuften dürfen – und den einheimischen Nähern ergeht es auch nicht viel besser. Ich habe mich sogar deshalb schon gestritten, weil ich in einem Laden einkaufe, in dem das auch auf den Etiketten steht. Dabei weiß ich dort, wer die Sachen importiert und kenne die Firmen dahinter und kann daher mit gutem Gewissen sagen: alles in Ordnung. Trotzdem hat es meine Begleitung gestört, dass ich das kaufe und wegen „Made in Bangladesh“ und Primark beinahe einen öffentlichen Aufstand angezettelt habe, als sie eben in einen solchen Laden gehen wollte. Und dann auch noch diese Ausnahme wegen der Handschuhe und Schals, weil die eben so billig waren und sie gebraucht wurden.

Menschenleid gegen Menschenleid aufrechnen hat allerdings noch nie so sonderlich gut funktioniert.

Bin ich nun undankbar, wenn ich keine Handschuhe „Made with Menschenleid“ geschenkt haben mag? Bin ich scheinheilig, wenn ich, weil Not am Mann ist, bei H&M reduziert billigste warme Sachen für eine griechische Insel einkaufe, obwohl ich sonst gegen den Laden wettere (Ich muss dazu sagen: ganz ohne Bauchweh ist das nicht passiert.)? Ist es konsequent, dass ich nur Spenden von „ethisch korrekten“ Firmen akquiriere? Oder ist das fehl am Platz, weil eben so Vieles gebraucht wird? Darf ich mich daran stören, dass die Flüchtenden Essen in Einwegaluschalen serviert bekommen – mit Plastikbesteck – und so großzügig gekocht und abgefüllt wird, dass von diesen Aluschalen oft mehr als zwanzig noch gefüllt wieder zurückkommen? Oder ist das destruktiv?

Aber wo kommen wir denn hin, wenn wir diesen ausbeuterischen Kreislauf nun schon zu Liebe der Ausgebeuteten füttern? Darf ich das fragen? Dürfen wir Leid gegen Leiden in Kauf nehmen?

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robby

robby bewertete diesen Eintrag 03.05.2016 18:01:11

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