Lena Reiner

Kaum ein Thema kocht die Gemüter so hoch wie dieses Ding, das eigentlich längst selbstverständlich sein sollte: die Emanzipation der Frau. Klingt nach einem ollen Hut und es wäre so schön, wenn es einer wäre. Leider aber ist es mit der Gleichberechtigung und auch der Emanzipation gar nicht so weit her - auch nicht in unseren Breitengraden, den abendländischen also. "Ih, so eine Schlampe! Die knutscht ja da mit ganz vielen Typen rum." - Kommt dir bekannt vor? Und haste den schonmal gehört: "Ih, was für eine Schlampe! DER knutscht ja da mit vielen Frauen rum." - Nein? Ich auch nicht.

Es ist doch so. Selbst wenn die Situation noch so vergleichbar ist, die Frau ist meist doch die Schlampe und der Mann... nicht. Ob es heutzutage noch cool ist, wenn ein Mann "Frauen aufreißt", kann ich nicht beurteilen. Ich verkehre nicht in solchen Kreisen, wo man so etwas je cool fand, aber auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, den ich an sich für sehr offen, modern und - ja, auch emanzipiert halte - kommt so eine gewisse Doppelmoral vor... oder nennen wir es: ein Ungleichgewicht in der Bewertung von: "was man tut" und "was frau tut". Nehmen wir doch mal die Sendung "Der Bachelor". Muss man nicht gesehen haben, kennt aber doch jeder. Zumindest weiß frau und auch man, was das Konzept der ganzen Chose ist. Häufiger Kommentar: "Wie kann man da als Frau mitmachen? Wie die sich an den ranschmeißen... Irgendwie billig!" Dann gibt es aber auch das Pendant, nämlich "Die Bachelorette". Häufiger Kommentar: "Ih, die macht da mit lauter Typen rum. Voll billig!" ... Merkste was?? Gut.

Entmachtet?

Kürzlich - genauer Mitte April bei meinem Besuch der parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg - wurde mir ein kleines Heftchen in die Hand gedrückt, etwa so klein oder groß wie ein Reclamheft, knatschlila und von einem gewissen Abdullah Öcalan. "Das gefällt dir bestimmt", sagte Reimar, der es mir beinahe beiläufig gegeben hatte und wir wechselten auch schon wieder das Thema. Auf der Heimfahrt im Zug habe ich das lila Heftchen aufgeschlagen. Das Wort "Housewifization" sprang mir in die Augen und die These, dass eine echte Demokratie nie möglich sei, wenn nicht die Frauen frei und gleichberechtigt seien. Aber auch die Idee, dass Frauen historisch betrachtet auch einmal einen besseren Stand hatten - wenn man weit zurückblickte. Und wie ihre Macht dann gezielt beschnitten wurde, unter anderem durch jenen Prozess, den der Autor als "Housewifization" betitelt.

Ich muss zugeben, dass ich es sehr schätze, wenn ich für voll genommen werde und weniger, wenn mir jemand dazu rät, doch ja bald zu heiraten oder aber meinen Beruf und den Bekanntheitsgrad, den ich in einem gewissen Kreis doch schon erreicht habe, damit kommentiert, dass es ja dann ganz schön schwer sein werde, einen Mann zu finden - schließlich müsse der ja dann ganz schön viel vorlegen, um beruflich erfolgreicher zu sein.

Ich glaube, unsere Gesellschaft weißt nach wie vor einen hohen Grad an Housewifizationversuchen vor...

(und nein, das bedeutet nicht, das Hausarbeit schlecht ist. Es bedeutet auch nicht, dass Muttersein schlecht ist. Es geht hier um einerseits das Drängen in eine gewisse Rolle und gleichzeitig das Absprechen von Wert dieser Rolle ...)

Was meint ihr?

Wie gleichberechtigt sind wir wirklich?

Und wann wird das Thema endlich ein alter Hut sein?

Lena Reiner

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 05.05.2016 21:44:49

sisterect

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