Es war eine rauhe Nacht - kalt und eisig blies der Wind und pfiff ein unheimliches Lied. Eine lange Straße mit Häusern auf beiden Seiten beleuchtet mit Laternen, geschmückt mit Türkränzen aus allen möglichen Naturmaterialien und Kürbissen - manchmal wahllos verteilt, manchmal mit Bedacht arrangiert. In kleinen Nischen versteckt, auf herrschaftlichen Vorsprüngen präsentiert oder einfach nur in Fenstern ausgestellt gab es Tierfiguren aus Ton und Bast, Girlanden aus Bogerln, Vasen und Teller mit Nüssen und Kastanien zu erblicken. Und in all dem Schmuck und Glanz herrschte ein reges Treiben und herzliches Lachen. Blätter tanzten und Kinder zogen in der Straße umher - verkleidet in allen denkbaren, aber nicht immer erkennbaren Kostümen. Jacken und Hauben verhüllten so manche Verkleidung, schützten aber vor der Kälte. Eine kleine Gruppe spukender Geister wusste es besser. Routiniert und wiff wie sie waren passten sie die Verkleidung den Witterungsverhältnissen an und verhüllten mit großen, weißen Leintüchern nicht nur sich selbst, sondern auch die wärmenden Kleidungsstücke.
Und dann stand da ein kleines Häuschen am Ende der Straße - unmittelbar neben dem angrenzenden Wald, mit Efeu überwuchtert und von Sträuchern und kleinen Bäumen umringt, so als ob der Wald das Haus bald verschlingen würde. Das Haus war auch geschmückt, aber im Gegensatz zu den anderen in dieser Straße nicht mit Tonfiguren und dergleichen, sondern mit geflochtenen Naturmaterialien, Ästen und Kräuterbüscheln. Links und rechts des Gartentürls standen auf 2 Säulen Tonschalen aus denen Rauch aufstieg. Und direkt bei der Eingangstür befand sich eine Laterne in dessen Mitte eine Schale mit glühenden Kohlen war. Und auch hier rauchte es raus und es roch ein wenig süß.
"Kinder macht euch drauf gefasst: Das ist die letzte Tür, an die wir klopfen. Danach gehen wir nach Hause!"
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"Geh Papa, jetzt sind wir grade erst weggegangen und dann soll ma schon wieder heim?" - "Ich hab zu Hause länger fürs anziehen gebraucht als wir hierher gegangen sind." - "Und meine Mama hat gesagt, dass ich viel Spaß haben soll, aber nach Hause gehen macht keinen Spaß!"
"Also jetzt übertreibt ihr aber! Schaut´s Kinder - die Silvi wartet zu Hause schon mit dem Gulasch!"
"Aber ich hab noch gar keinen Hunger!" - "Ich auch nicht!" - "Ich brauch auch noch nichts!" - "Und wir haben erst so wenig Süßes, da bleibt nie und nimmer was für dich übrig Papa. Und du wolltest die Süßigkeiten ja teilen, weil dir die Mama immer alles wegnimmt, wennst in der Nacht aufstehst und zum Naschladerl gehst."
"Jetzt läut ma einmal an und dann schau ma weiter."
Das kleine Gespenster-Geschwader ging durchs Gartentürl und klopfte an der hölzernen Eingangstür. Mit einem schnellen Ruck öffnete sich die Tür - so ruckartig, dass die Grusel-Kinder erschraken. Und wie aus einer Szene in einem gruselig, nebeligen Film stand in einer Wolke aus Weihrauch eine kleine zarte Frau mit ganz schön struppigen Haaren.
"Ah ich habe euch schon erwartet", sprach sie und nahm ein Metallgefäß, das einer Laterne glich, die an Ketten herunterbaumelt. Sie schloss die Augen und murmelte leise und rhythmisch etwas vor sich hin als sie die Laterne schwang und damit die vor der Tür wartenden, sprachlosen und entgeisterten Spuk-Gespenster einräucherte.
*Hust*Hust* - "Tschuldigung - was machen Sie da bitte?"
"Ich besänftige die Geister."
"Also bitte - das sind doch Kinder! Die müssen nicht mit was-auch-immer sie da angezündet haben besänftigt oder ruhig gestellt werden. Ich schau schon drauf, dass sie nix anstellen."
"Ich meine doch nicht Ihre Kinder! Ich spreche von den Untoten!"
"Papa welche Untoten?" - "Alles ist in Ordnung mein Schatz - da ist nix! Hör da nicht hin."
"Hör da nicht hin?! Was sind denn Sie für ein Vater? Lassen die Kinder einfach so ins offene Messer laufen... Hör da nicht hin?! Oh doch mein Kind hör hin - öffne alle deine Sinne, lausche und versuch sie zu hören... versuch Alles zu hören...!"
"UHUUUUUUU" - die Laute eines Uhuns waren aus dem naheliegenden Wald zu vernehmen.
"Ein Uhu" - "Ja mein Kind - hör hin!"
"Was reden Sie denn da bitte? Was hören? Sie sollten wirklich weniger räuchern."
"Die Tiere sprechen an solch Schicksalstagen zu dir! Hör ihnen zu! Vergangenes kommt ans Licht und die Zukunft wird sich weisen! Befrage das Orakel - es verkündet dir wen du heiraten wirst..."
"Also ich heirate sicher nicht...."
"Die Tore sind geöffnet - und das Schicksalsrad wird neu gesponnen!"
"Ja SIE spinnen vielleicht!"
"Papa, ich hab Angst!"
"Oh mein Kind du brauchst dich nicht zu fürchten - Percht und die Wilde Jagd gehen um und vertreiben das Böse!"
"Also jetzt ist aber Schluss! Kommt Kinder wir gehen."
"Wartet! Ich hab euch doch Kräuterkekse gebacken! Und jedem ein Säckchen Räucherwerk zusammengestellt! Also gut, aber vergesst nicht - das ist erst der Bginn der Rauhnachtszeit! Begeht sie mit Bedacht!"
Ein wenig leise und beinahe lammfromm folgten die Kinder ihrem Vater wie eine Schäfchenherde ihrem Hirten, der mit schützend ausgebreiteten Armen und wachsamen Augen die Schar zusammenhält.
"Papa die Beste hast du uns für den Schluss aufgehoben!"
"Na ich weiß nicht."
"Papa, ich will nach Hause." - "Ja - weil DIE kann soweiso keiner mehr toppen!"
Zuhause angekommen berichteten sie voller Aufregung der Mutter von ihren Erlebnissen während sie sich beim Gulasch essen wärmten. Sie verschlangen die gesammelten Süßigkeiten und unterhielten sich lange - länger als sie eigentlich aufbleiben durften - mit den Eltern über altes Brauchtum, über Gut und Böse, dessen Grenzen und das alles aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie überdachten eigene Taten der Vergangenheit, daraus resultierende Gegebenheiten der Gegenwart und alle von ihnen nahmen sich vor in Zukunft das eigene Handeln mit mehr Bedacht zu begehen.
Im Volksmund gehören die Nächte 29.11./30.11. "Andreasnacht" - 1.11. "Allerheiligen" 2.11. "Allerseelen" und 2.11./3.11. "Hubertusnacht" zu den Rauhnächten, wie auch die Weihnachtsfeiertage von 21.12. bis 06.01. Es heißt man soll an diesen Tagen zwar nicht arbeiten, es darf aber auch keine Unordnung herrschen. Man soll keine Wäsche waschen bzw. hängen lassen, um Mitternacht könne man die Tiere sprechen hören und generell soll man "genauer hinhören", zwischen den Zeilen lesen und auf "Zeichen" achten, die die Zukunft weisen könnten. Vergangene Taten kann man dieser Tage wieder gut machen und so die Weichenstellung für die (positive) Zukunft legen.