Warum denn nicht?
Auch nach diesen Wahlen: Kaum ein Zeitungskommentar und Fernsehinterview, in dem nicht gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ getrommelt wird. Wie im letzten Jahrzehnt erfolglos medial dauerpraktiziert, wird die Nachwahldiskussion auf ein für oder gegen Strache reduziert, statt über Inhalte und Lösungen echter Probleme zu diskutieren. Aber warum eigentlich?
Hoffen Teile von ÖVP und SPÖ weiterhin, dass sich die FPÖ zu Tode siegt und eine neue Große Koalition auf einmal Reformen, statt Streit, Stillstand und Silberstein lebt? Wenn man betrachtet, welche Teile von SPÖ und ÖVP sich für eine weitere Zusammenarbeit aussprechen, dann kann dies aber nur eine Koalition der Bremser und Pfründeretter werden. Die politischen Ansichten der FPÖ kann man teilen oder leidenschaftlich bekämpfen. Aber es ist das demokratische Recht der FPÖ, diese zu vertreten – und das seit mehr als zehn Jahren äußerst erfolgreich.
Zwei Hauptargumente gegen eine blaue Regierungsbeteiligung werden aber bei jedweder Gelegenheit gepredigt: Unfähigkeit und Korruption. Dies habe die schwarz/blau/orange Koalition 2000 bis 2007 ausreichend bewiesen.
Eine Insel der Schläfrigen
Zu Ersterem: Während das Magazin „Stern“ noch 2005 über „Österreich: Das bessere Deutschland“ geschrieben hat, blicken wir heute neidisch auf das neue deutsche Wirtschaftswunder. Von Absturz bei der Wettbewerbsfähigkeit, Bildungsstillstand, Reformverweigerung und Vogel-Strauß-Politik im einstigen Musterland Österreich gar nicht zu reden. SPÖ und ÖVP wissen genau um die Notwendigkeit von Reformen, haben aber trotz oft wirklich kompetenter Fachminister weder Kraft noch Willen, diese gemeinsam umzusetzen. Österreich ist keine Insel der Seligen mehr, sondern eine Insel der Schläfrigen.
Zu Reformen verdammt
Warum also keinen neuen Reformmotor anstatt des im Schlamm steckenden antriebslosen Regierungskarren ausprobieren? Die FPÖ ist dazu verdammt, Reformen einzuleiten. Denn nur mit erfolgreichen Veränderungen kann sie in der Regierung überleben.
Zur Korruption: Ja, regierungsnahe Personen haben sich offenbar massiv bereichert. Das ist inakzeptabel, von Gerichten zu klären und im Schuldfall mit größtmöglicher Härte zu bestrafen. Parteichef Strache für Hypo und Notverstaatlichung verantwortlich zu machen ist aber absurd, relativiert die Fehler der tatsächlich verantwortlichen Personen – darunter selbstverständlich auch Freiheitliche, BZÖler und Mitglieder anderer Parteien – und treibt der FPÖ weiter Stimmen zu. Siehe die Tatsache, dass die FPÖ in Kärnten bei dieser Nationalratswahl wieder stimmenstärkste Kraft geworden ist.
Der Linkskannibalismus der SPÖ
Das Kärntner Ergebnis der FPÖ widerlegt übrigens auch den Dauerspin der Wiener SPÖ, dass man als Sozialdemokratie Strache nur ausgrenzen müsse und dann jede Wahl gewinne. Dieser auf Wien und Graz beschränkte „Erfolg“ der SPÖ hat Ihr durch gelebten Linkskannibalismus mit dem Nichteinzug der Grünen auf längere Zeit jedwede linke/liberale Koalitionsoption geraubt und sich damit SPÖ und ÖVP selbst ausgeliefert.
Demokratie ist Machtwechsel
Simplifiziert zusammengefasst: Lasst Strache und sein Team arbeiten! Und wenn sie „Mist bauen“, wählt sie wieder ab. Das ist nämlich der unschlagbare Vorteil einer Demokratie. Das derzeitige Handlungsmuster „Wir stecken weiter den Kopf in den Sand, und alles wird wieder wie früher“ funktioniert einfach nicht mehr. Und nichts gehört so zum Wesen einer Demokratie wie der friedliche Machtwechsel.
(Dieser Artikel erschien vor zwei Jahren als Gastkommentar in der „Presse“ und wurde vom Autor angesichts aktueller Ereignisse adaptiert)