Prince 2014
Alles begann an einem Donnerstag um exakt 23:04. Ein kurzer Ton am Handy und eine SMS mit minimalistischer Effizienz: „Prince?“ Ich antworte: „Ja“. „CYT" (Call you tomorrow, für alle, die nicht verstehen.)
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SO muss Einladung ... Nach 23 Jahren Abstinenz wieder ein Konzert besuchen? Ja, warum nicht. Die Vorfreude war groß, und ich sollte nicht enttäuscht werden. Pünktlich um 18h treffe ich mich mit Norberta M. (Name auf Wunsch geheim) und wir beginnen das Abenteuer stilgerecht mit einem purple Sushi.
Als wir die Stadthalle erreichen, relaxed 20 Minuten vor Konzertbeginn, erleben wir eine Völkerwanderung mittelalterlichen Ausmaßes. Es gibt also doch noch Prince Fans außer uns. Wie überraschend.
Die Security greift uns professionell ab, Männer greifen Männer, Frauen greifen Frauen ab. Die Spannung steigt, als wir uns im Schritttempo dem „Golden Circle“ nähern, dem bekanntermaßen „hottest Spot“, den ein Konzertsaal zu bieten hat. Sehr zu meinem Unmut waren auch schon Andere vor uns in den Saal gelassen worden, also wird es wohl nichts mit einem sportlichen Abklatschen zwischen mir und Prince.
Zur Einstimmung auf geilsten Funk und Rock und prickelndem Coitus Musicus hat die Stadthallenverwaltung eine Leinwand vor uns installiert. Wir sehen Fische in einem Aquarium, die sich anmutig zu Klaviermusik bewegen. Hätte Chopin eine Selbstmordsonate in D-Moll geschrieben, sie wäre hier auch noch zum Einsatz gekommen. Ich bin mir sicher.
Als sich die ersten Konzertbesucher an den herabhängenden Kabeln zu erhängen versuchen, wird die Musik geringfügig modifiziert. Ich denke, dass hier noch Optimierung für zukünftige Veranstaltungen anzubringen wäre. Aber ich bin ja kein Marketingfachmann wie die Stadt Wien.
Pünktlich um 19:25, also genau 55 Minuten verspätet, wie laut Plan, zeigen erste Lichtspiele an, dass es bald losgehen könnte. Die Menge nimmt es mit Humor und stimmt Sprechchöre an. Ich stimme mit Norberta M. ein. Das scheint Wirkung zu zeigen, denn plötzlich ist ER da. Ein Blitzgewitter, hysterisches Gekreische und ein Gitarrensound, der Urtriebe zum Vorschein bringt. Wir verstehen von der ersten Minute an, was der Mann von uns will. „Are you ready to party Vienna?!“
„We are ready, or at least we hope so, if our Bandscheiben let us do what we want“, antworten 5.000 begeisterte Fanatics.
Ich bin sofort wieder 25, und mein Körper antwortet Prince mit Moves, die ich bis heute morgen nicht für möglich gehalten hätte. Prince ist leicht irritiert als er zu uns herüberblickt, aber er fängt sich gleich wieder und fordert mich durch „Kiss“ offen heraus. Es gelingt mir, ihn zu beeindrucken, und er belohnt mich mit einem irren Gitarrensolo. "Take that, Lex.", scheint er mir zu sagen, während er mir tief in die Augen blickt.
Überhaupt gleicht Prince auf der Bühne einem gewissen Jimi Hendrix, nur von einem anderen Planeten. Er wirbelt herum, fordert seine Band auf das letzte, singt 3 Oktaven und verzückt mit einem Augenkontakt, der begeistert.
Seine Band besteht aus vier Frauen, die ein unglaubliches Tempo mit mechanischer Präzision gehen. Die Stimmung elektrisiert. Selbst Wittgenstein’sche Traktakte wie „Sometimes it snows in April“ werden zu Rocksongs umfunktioniert, die Gänsehaut erzeugen. Wittgenstein ohne Rockband könnte das natürlich auch, aber ... aber Prince ist eben Prince.
Das Konzert näher sich seinem Höhepunkt, als das Publikum ein multi-chorales „Happy Birthday“ anstimmt. Ich erleide einen kurzen Flash: Der Typ da oben, der mit den Gummiknochen und der Energie für 3 Stunden Vollgas ist 56! Irgendetwas ist in meinem Leben schiefgelaufen, speziell um die Hüftengegend ... Er verbeugt sich artig, bedankt sich aber erstaunlich zurückhaltend und meint dann: „We all want to get younger rather than older.“ HA, Midlife crisis? Ischias? Bandscheiben? Ich bin versöhnt.
Schließlich endet der offizielle Teil des Konzertes und immer wieder baut er „I love you Vienna“, „Vienna in my heart“ und dergleichen rhythmisch gekonnt in seine Songs ein. Ich hab schon ein Ticket nach Dnipropetrowsk gebucht, wo er sein nächstes Konzert gibt. Ich bin gespannt.
Jedenfalls verabschiedet er sich von uns mit „Sign o’ the times“, einem leichten Hinweis auf instabile Bandscheiben? Vielleicht. Doch der Meister lässt sich nicht lange zu einer Zugabe bitten. Er erscheint mit einem selbstgefilzten(?) Hut, und nur eingefleischte Prince-Fans wissen, was das bedeutet. It’s time for the 80ties. „Do you remember the 80ties“ fragt er brav rhetorisch. Das junge Pärchen neben mir kreischt „Yeees“. In your face, junges Pärchen, da wart ihr beide noch ungedachte Gedanken Eurer pubertierenden Eltern. In your face!
Es wird ge-jammt, gerockt und die Stimmung erreicht den nächsten Siedepunkt. Wasser siedet bei 100 Grad, eine Prince-Fangemeinde siedet bei „Little Red Corvette“ oder „Purple Rain“. Prince erlaubt uns großzügigerweise den Refrain zu singen, wozu wir uns nicht zweimal bitten lassen. Pörple, Rain, Pöhörple Rain everywhere ...
Im Vorfeld wurde verlautbart, es mögen doch alle in Purple erscheinen. Der Mann vor mir, der mit der türkisen Mütze (bei gefühlten 50 Grad im Schatten), dürfte sein kleines Farbproblem aber dann schließlich erkannt haben. Die Mütze verschwand, und damit war die Farbordnung wieder hergestellt. Das goutierte Prince mit einer weiteren Zugabe: „Vienna, we could do this all night long!“
He could, but we couldn’t, we are Austrians.
Schließlich ist Schluss mit lustig, und Prince verlässt uns tobende, völlig desorientierte Meute. Ich bin physisch und auch körperlich am Ende (ja!). Jetzt weiß ich allerdings wieder, was der Sinn des Lebens ist: Prince live erleben zu dürfen.
Danke Prince!