Sex in the City
An manchen Tagen packt mich die Reiselust und „dann ziehen mich die Nagelschuh von selber hin, dort wo ich Stammgast bin.“ In die Innere Stadt, von dort nicht Beheimateten auch respektvoll „Wien 1“ oder „Erster“ genannt.
Was kann man dort beobachten? Viel, wenn man genau zuhört. In traditionellen Wiener Kaffeehäusern, wie dem Segafredo am Graben zum Beispiel, kann einem temperamentvollen Kellner schon einmal der leidvolle Ausschrei „Oida, Dei Klana Brauna kumt glei“ auskommen. Wer jetzt Böses denkt, liegt völlig falsch.
Nicht Rassismus ist hier zu bemängeln, sondern vielmehr die Ungeduld der Gäste, die als notwendiges Übel wahrgenommen und auch so behandelt werden. Das ist jedoch schon ein Teil der Wiener Tradition und wird mit wohlwollender (Masoch hätte seine Freude) Zustimmung zur Kenntnis gekommen.
Aus geschützter Stellung (Ja, „Front Rows“ gibt es AUCH in Wien) kann man in Ruhe beobachten, wie die einheimische Kultur auf jene der ungeliebten Fremden, liebevoll auch „Gäste“ genannt, prallt.
In greifbarer Umgebung des Segafredo befinden sich die großen Modehäuser, die ich nun exemplarisch erwähnen werde. Da wäre einerseits das Hucci-Gucci. Ein kurze Zwischenfrage a la Millionenshow: Wer gründete dieses Modehaus 1921? War es:
A) Giorgio Gucci B) Francesco Gucci oder C) Guccio Gucci (Hahaha, nice try)? (Die Antwort ist übrigens C, nur falls es jemand wissen wollte.)
Auch das jüdische Unternehmen Süss & Mantel, das sich vergeblich einen italienischen Anstrich zu geben trachtet (Dolce & Gabbana ist ja wirklich ein kitschiger Versuch), wirbt erfolgreich um Kunden. Und wenn wir schon beim Thema sind. Die einzigen, die sich diese, meist auf Frauen abzielende, Mode aus finanziellen und daher aus ethischen Gründen leisten können, kommen aus dem Land, in dem die Wolga fließt.
Das dachte sich wahrscheinlich auch jener Tiroler, der das „Golden Quarter“ mitten im Herz des „Ersten“ erfunden hat. Ob diese Geschäftsstrategie erfolgreich sein wird, hängt auch vom zukünftigen Strom der kaufwütigen Menschen aus dem „nahen Osten“ ab. Es ist jedenfalls interessant zu bemerken, dass es im Schach das sogenannte „Wolga(!)-Benko(!) Gambit“ gibt, in dem großes Risiko genommen wird, um mit Druck am Damen(!)flügel zum Erfolg zu kommen. Ihr verzeiht mir sicher DIESEN Insiderwitz unter Schachspielern. Mein Freund Markus L hat schon früh bemerkt: Lex, lieber einen guten Freund verlieren, als eine gute Pointe auslassen.
Natürlich muss ich auch den Kaffeesieder mit dem Mohren im Emblem erwähnen, der sich elegant aus jeder rassistischen Diskussion gewunden hat. Wer sich dort findet, MUSS der Creme de la Creme der Society angehören. Eng drängt sich Silikon an Botox, manchmal auch noch enger. Es wird gesprochen, geschaut und gesehen. Aber alles mit Würde, bitte seeeehr.
Ich gönne mir noch ein letztes Leitungswasser um 2,70 Eur, denn wer kann, der kann. Dann ist es Zeit, Glanz und Gloria zu verlassen und sich in die beschauliche Unaufgeregtheit der Vorstadt zurückzuziehen.
I Love Wien 1.