Im September 2012 griff eine Französin zur Waffe, suchte nach ihrem Mann, mit dem sie seit 47 Jahren verheiratet war, und schoss ihm drei Mal in den Rücken. Das Motiv: „jahrelanges Martyrium“. Daraufhin wurde sie vor ein unabhängiges Gericht gestellt und trotz ihrer Beteuerung, in Notwehr gehandelt zu haben, wegen Mordes verurteilt. Dieser Fall wäre weiter nicht außergewöhnlich und würde auch kein allzu großes Echo in den internationalen Medien hervorrufen, hätte sich nicht der französische Staatspräsident François Hollande persönlich eingeschaltet und die verurteilte Mörderin begnadigt, wodurch ihr das Absitzen einer Haftstrafe nunmehr erspart bleiben dürfte.

Wie soll man diese in der jüngeren Geschichte beispiellose Intervention seitens des Staatsoberhaupts eines demokratischen Landes mit vermeintlich unabhängiger Gerichtsbarkeit interpretieren? Ist Mord nunmehr legal oder zumindest straffrei, sofern nachvollziehbare Gründe dafür vorliegen? Medienberichten zufolge war das Mordopfer keinesfalls ein Unschuldslamm: Angeblich hatte er die gesamte Familie jahrzehntelang tyrannisiert, geschlagen und misshandelt, was sogar zum Selbstmord eines Sohnes geführt haben soll. Es darf daher nicht verwundern, wenn sich das öffentliche Mitleid mit dem Opfer in sehr engen Grenzen hält. Gerade solche Fälle appellieren an die emotionale Seite der menschlichen Empfindung und schüren Rachegelüste nach dem Auge-um-Auge-Prinzip. Und ganz ehrlich: Wer würde beispielsweise den Vergewaltiger seiner Tochter nicht gerne am elektrischen Stuhl sitzen sehen? Doch die nachvollziehbare Emotion direkt oder indirekt betroffener Opfer von Gewalttaten ist eine Sache, die objektive und unabhängige Gerichtsbarkeit eines demokratischen Rechtsstaates eine andere. „Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein“, sagte einst ein weiser Mann namens Mahatma Gandhi. Monsieur Hollande scheint jedoch einen anderen Standpunkt zu vertreten, zumal er dem feministischen Druck der Straße nachgegeben hat und sich nach zahlreichen Demonstrationen gegen „häusliche Gewalt an Frauen“ (ist Gewalt an Männern etwa nicht verwerflich oder wie ist das zu verstehen?) zu diesem Schritt entschlossen hat.

Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob in einem Land, in dem angeblich eine rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen herrscht, eine Zwei-Klassen-Justiz Einzug gehalten hat: Gewalt an Frauen wird (zu Recht!) mit voller Härte des ausschöpfbaren Strafrahmens sanktioniert, während Gewalt und sogar Mord an Männern de facto mit Straffreiheit belohnt und vom Mob auf der Straße zudem mit Applaus bedacht werden. Schließlich war es der Dame ja nicht zumutbar, sich von ihrem wenig liebevollen Gemahl zu trennen, um sich und – vor allem – die Kinder zu schützen. Vorsätzlicher Mord nach 47 (!) Jahren war der einzige Ausweg, diesem Martyrium zu entkommen. Und selbstverständlich trägt sie keinerlei Mitschuld am Missbrauch und der Misshandlung ihrer Kinder, weshalb es nicht nur skandalös wäre, sie wegen Mittäterschaft anzuklagen, sondern auch die Duldung eines vorsätzliches begangenen Tötungsdeliktes nicht von höchster Stelle zu verordnen und somit die Gewaltentrennung – der Eckpfeiler eines jeden Rechtsstaates – in diktatorischer Manier auszuhebeln. Frankreich, quo vadis?

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Erkrath

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dohle

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