Burnoutgefährdete berufstätige Mütter sehen sich vor ähnliche Herausforderungen gestellt wie gefährdete Manager. Sie sind gleichzeitig in sehr unterschiedlichen Rollen gefordert und von ihrem Funktionieren hängt viel ab, ohne sie steht das Rad still.

Die Arbeit hört nie auf, es gäbe immer noch viel mehr zu tun, so dass es keine Spielräume und keine natürlichen Pausen mehr gibt, Wichtiges und Wertvolles zu kurz kommt („ich bin froh, wenn ich es schaffe noch einzukaufen und die Hausaufgaben zu kontrollieren, spielen und tratschen ist nicht mehr drin“). Regenerations- und Eigenzeiten müssten immer auf Kosten von etwas anderem genommen werden und Burnoutgefährdete reihen die Selbstsorge immer an letzte Stelle.

Fallbeispiel:

Monika F.: Als Alleinerzieherin musst du immer funktionieren. Ausnahmslos. Bis schließlich vor fünf Jahren der Zusammenbruch kam. Ich fühlte mich müde, depressiv, ausgebrannt. Nach fünf Jahren Ehe war ich geschieden, hatte zwei Kinder, eine Eigentumswohnung zu erhalten, kein Auto und keinen Job, weil ich noch in Karenz war. Ich musste aber zurück in den Beruf, hatte keine Wahl, die Kinder waren damals gerade zwei und vier Jahre alt. Für die Jüngere bekam ich keinen Platz in der Krabbelstube, sondern nur bei der Tagesmutter, sie heulte aber täglich, wenn ich sie hinbrachte, und die Große wollte Mittags im Kindergarten nicht essen und hat so lange geschrien, bis sie sich übergeben hat. Und mit diesem „guten“ Gefühl sitzt man dann in der Arbeit und soll sich konzentrieren.

Ich habe den Eindruck, dass man als berufstätige Mutter immer am Grat wandert. Vor allem muss man aushalten lernen, dass keines von beiden, weder das Mutterdasein, noch der berufliche Weg, ganz perfekt ist, sondern eben nur so wie es geht – mehr ist nicht drin – das ist die tägliche Herausforderung für Frauen – so gut ich eben kann!

2001 wurde vom Bielefelder Soziologen Professor Hans-Peter Blossfeld gemeinsam mit seiner Bremer Kollegin Sonja Drobnic im Auftrag der Universität Bremen eine Studie vorgelegt, in der sie in drei Jahren knapp 2000 Paare in zehn verschiedenen Ländern unterschiedlichster Gesellschaftsformen im Alter zwischen 25 und 60 Jahren befragten zum Thema, wie sie ihre beruflichen Karrieren aufeinander abgestimmt haben. Wie sich der Beruf der Frau auf die Arbeitsteilung in der Familie ausgewirkt hat u.ä. Das Ergebnis hat sich auch heute 10 Jahre danach nicht wirklich verändert. Die Doppelbelastung von Familie und Beruf bleibt weitgehend den Frauen überlassen und wird meist von den Männern ignoriert. Selbst wenn die Frau mehr verdient als der Mann, sieht er sich weiterhin in der Rolle des Haupternährers. Mit der beruflichen Position des Mannes steigt der Druck auf die Partnerin systematisch an, ihre Karriere zu Gunsten der Familie zu opfern. Auch etwaige Väterkarenzen werden nur sehr zögerlich bis gar nicht angenommen, aus Angst vor Statusverlust des Mannes. (Veröffentlicht in dem Buch „Careers of Couples in Contemporary Society: From Male Breadwinner to Dual Earner Families“ 2001. Oxford: Oxford University Press)

Konfliktkonstellationen für Frauen, die eine Burnout- Entwicklung fördern:

„Weiblicher Perfektionismus“

Burnoutgefährdete Frauen haben eine hohe Erwartung an ihre eigenen Leistungen und große Angst vor Fehlern. In ihrer Kindheit lernen sie oft, dass sie das als Mädchen nicht können, das spornt natürlich zu Höchstleistungen an und lässt wenig Muße für entspanntes Erholen.

„Überfürsorglichkeit“ – Everybodies Darling

Ich muss es allen recht machen und für alle da sein. Frauen haben häufig das Gefühl, sie müssen an alle und alles denken und dafür sorgen, dass es allen gut geht. Damit schaffen sie eine Situation, dass andere in ihrer Umgebung aufhören zu denken, und lieber nachfragen, wo etwas zu finden sei, oder wie etwas funktioniert. Sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld scheinen sie sich damit unentbehrlich zu machen, ernten dafür natürlich auch Anerkennung, doch diese scheint nie genug für das was sie tun. Interessanterweise sind sie bei „Ich muss es allen recht machen“ selbst nicht inbegriffen – „allen außer mir!“ Ein anderes bei Frauen leider häufig zu findendes Phänomen ist, nicht nein sagen zu können und den Forderungen anderer keine deutlichen Grenzen setzen zu können.

Großes Verantwortungsgefühl

Viele Frauen verfügen über ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl, dass sie häufig über ihre eigenen Belastungsgrenzen gehen lässt, aus Überengagement der Firma, den Kunden, oder der Familie und Freunden gegenüber. Darüberhinaus übergehen sie die Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden und ihre persönliche Gesundheit und können somit auf Dauer auch anderen gegenüber nicht verantwortungsvoll handeln.

Mangel an Bestätigung und Anerkennung

„Bescheidenheit ist eine Zier“, frau soll zwar Leistungen erbringen, aber auf die Anerkennung soll sie „großmütig“ verzichten. Frauen kommen sich schnell gierig und unverschämt vor, wenn sie die ihnen zustehende Anerkennung einfordern. Diese erwartete Bescheidenheit steht im Widerspruch zu dem Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung. Viele Frauen versuchen diesen Widerspruch durch noch mehr Leistung, noch mehr Engagement aufzulösen, um dann doch die erhoffte Dankbarkeit zu bekommen.

Legitimationsdruck

Männer werden von Kindheit an auf eine berufliche Karriere vorbereitet. Entscheidet sich eine Frau für die Karriere, muss sie täglich um deren Legitimation kämpfen und sich in ihrer Position beweisen. Für Frauen mit Kindern verschärft sich dieser Legitimationsdruck noch durch Schwangerschaften, Pflegeurlaub und das „Rabenmutter-Syndrom“.

Unterschiedliche Rollenbilder und -erwartungen

Immer wieder treffen Frauen auf die Widersprüche zwischen der von ihnen erwarteten Rolle als Frau und der Rolle als Kollegin oder Vorgesetzte. Die Rolle als Frau schreibt ihnen Eigenschaften wie Bescheidenheit, Fürsorglichkeit, Nachgiebigkeit vor, sie sollen hübsch anzusehen und immer freundlich und nett sein. Doch um als Kollegin oder Vorgesetzte erfolgreich und respektiert zu sein, braucht es in unserer Gesellschaft Eigenschaften, die Männern vorbehalten sind: Selbstbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit und Risikobereitschaft. Entdeckt frau diese Fähigkeiten in sich, wird sie für andere leicht zum karrieresüchtigen, kalten und dominanten Mannweib. Frauen müssen deshalb häufig einen anstrengenden Drahtseilakt zwischen diesen unterschiedlichen Rollen-Erwartungen leisten.

Mehrfachbelastung

Die Mehrfachbelastung von Familie und Beruf bleibt weitgehend den Frauen überlassen, auch in Zeiten, wo es Männern ermöglicht wird in Vaterkarenz zu gehen. Dabei vereinen sie mitunter 3-4 Berufe unter einem Hut: Kinder, Haushalt, Beruf, Pflege von Angehörigen, etc. und begreifen häufig schnell, dass sie ihre Kraftgrenzen tagtäglich überschreiten müssen. Trotz permanenter Erschöpfung erfüllen sie weiter lächelnd ihre Aufgaben und fühlen sich oft als Versagerinnen: „Die anderen schaffen es doch auch, warum ich nicht?“, ohne jedoch die genannten Widersprüche und die ständigen real existierenden Überbelastungen mit zu berücksichtigen und ihre tagtäglichen Leistungen anzuerkennen.

Unterschiedliche Erziehung

Männer hören klare Botschaften, Frauen häufig Wahrscheinlichkeiten. Jungen hören oft: „Wenn du einmal Architekt bist...“ oder „Wenn du ein Unternehmen leitest...“ Frauen hingegen hören: „Falls du einmal studierst...“ oder „Wenn du einmal berufstätig sein solltest...“ Männer werden es schaffen – Frauen müssen es schaffen. Männer verhalten sich in stressigen Situationen häufig nach den Kampf- oder Flucht-Mustern. Frauen eher nach „tend and befriend“-Strategien.

(Foto: underdogstudios/fotolia.com)

7
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
5 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

elmardiederichs

elmardiederichs bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

zeichnerin

zeichnerin bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

sumsum

sumsum bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

Livia

Livia bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

107 Kommentare

Mehr von Lisa Tomaschek-Habrina