Seit dem Jahr 2011 sind weltweit mehr Personen über- denn untergewichtig. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite streben viele Mneschen ein unerreichbares Schönheitsideal an. Außer Kontrolle geratene Diäten münden nicht selten in Essstörungen. Der heutige Anti-Diättag setzt ein Zeichen gegen fragwürdige Körperdiktate und ungesunde Diätmodelle.
Es ist paradox. Obwohl sich Übergewicht nahezu pandemieartig ausbreitet, ist parallel dazu auch das Gesundheitsbewusstsein gestiegen. Die Nachfrage nach Ernährungs- und Bewegungsratgebern boomt, es vergeht kaum eine Woche, in der keine neue Abnehmformel postuliert wird. Wenn der Drang nach körperlicher Selbstoptimierung die Gesundheitsthematik überlagert, haben Essstörungen freies Spiel. Am Anti-Diättag geht es weniger darum, einen kollektiven Freibrief für unkontrollierte Schlemmerorgien zu gewähren. Viel mehr soll dieser Aktionstag einen Anlass schaffen, um gesellschaftliche Werte neu zu hinterfragen.
Ehemals magersüchtige Autorin prangert Schönheitsideal an
Der Antidiättag wurde 1992 von Mary Evans Young ins Leben gerufen. Die ehemals selbst an Magersucht erkrankte und geheilte Aktivistin erarbeitete sich durch mehrere Fernsehauftritte mediale Aufmerksamkeit. Sie bezog sich dabei nicht nur auf ihr eigenes Schicksal, sondern sprach im Namen aller an Magersucht erkrankten, ihren Körper zutiefst hassenden Mädchen. Allen Anorektikern gemein ist eine Körperschemastörung – also die verzerrte Wahrnehmung eines als zu „fett“ empfundenen, tatsächlich aber völlig ausgemergelten Körpers. Die Anprangerung und Hinterfragung eines krankmachenden Schönheitsideals zählt zu den Hauptzielen der Autorin.
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Diäten machen krank
De facto machen radikale und einseitige Diätformen krank. Einerseits bergen sie die Gefahr, dass das Hungern eine Eigendynamik annimmt und nicht mehr gestoppt werden kann. Frei nach dem Motto: Je schlanker, desto schöner, je dünner, desto anerkannter. Eigenschaften, die sich auf das Erscheinungsbild beziehen, werden mit Selbstwert, Liebe und Anerkennung verknüpft. Die Gefahr dabei ist, dass innere Konflikte über das Essen ausgetragen werden, anstatt sie aktiv und kreativ im Leben und Tun zu lösen und zu gestalten. Gerade junge Mädchen und Frauen sind für diese Botschaften sehr empfänglich, da sie sich in einer Entwicklungs- und körperlichen sowie emotionalen Übergangsphase befinden. Jede neue Diät bedeutet also nur ein Aufschieben des Problems, aber keine Lösung.
Hungern lähmt den Stoffwechsel
Andererseits gehen viele Diäten mit dem Jojo-Effekt einher. Heißt also: Sie forcieren eine bestehende Gewichtsproblematik und fördern das Gewichtsplus. Doch warum ist das so? Der Organismus braucht täglich ein Mindestmaß an Kalorien, um wichtige, automatisiert ablaufende Körperfunktionen wie Atmung und Verdauung aufrecht zu halten. All das fällt unter den Begriff „Grundumsatz“ – also unter jenen Energieverbrauch, der in völliger Ruhe und ohne Aktivität erfolgt. Bekommt der Körper über einen längeren Zeitraum zu wenig Energie, schaltet er auf „Notstromaggregat“ um. Dieser sogenannte Sparflammenmodus funktioniert wiederum am effektivsten, wenn die gefräßigsten Körperregionen - ergo die Muskeln - verbannt werden. Im Vergleich zu Fettgewebe verbraucht die Muskulatur deutlich mehr Energie. Der Nachteil dabei: je geringer der Muskelanteil des Körpers, desto niedriger ist der Grundumsatz und desto weniger Energie verbraucht der Körper. Langfristig lernt er mit weniger Kalorien auszukommen. Bekommt er unerwartet doch mehr Energie zugeführt, speichert er diese gierig in Form von Körperfett. Abnehmen fällt so immer schwerer.
Diätmentalität macht unzufrieden
Neben den medizinischen und körperlichen Begleiterscheinungen wirken Diäten auch auf die Psyche. So machen nicht nur die Diäten an sich dick, sondern auch die Diätmentalität: Chronische Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, der nagende Gedanke, zu dick zu sein und daher abnehmen zu müssen, sich alles streng zu verbieten, was gut schmeckt und schlechtes Gewissen, wenn es doch gegessen wird schüren Heißhungerattacken. So kann alleine der Gedanke, mit einer Diät zu beginnen unkontrollierte Essattacken heraufbeschwören. Insbesondere bei Stress, Müdigkeit, Einladungen, Schwierigkeiten in Beziehungen etc. neigen die Betroffenen dazu mehr zu essen – meist sich dessen selbst bewusst zu sein.
Ernährung + Bewegung – Verbote = Gesund abnehmen
Wer aus gesundheitlichen Gründen abnehmen muss, sollte sich weniger am Diätgedanken denn an einer gesunden und nachhaltigen Ernährungsumstellung orientieren. Verbote haben darin ebenso wenig verloren wie radikale Dogmen. Wichtig ist es, auf die Zufuhr aller notwendigen Nährstoffe zu achten und einen Gewichtsverlust von maximal 0,5kg bis 1kg pro Woche anzustreben. Um dem Verlust an Muskelmasse entgegenzuwirken, empfiehlt sich ein begleitendes Bewegungsprogramm, das idealerweise sowohl Kraft- als auch Ausdauersportelemente beinhaltet.
Der Anti-Diättag hält auch für Personen, deren Gewichtsverlust medizinisch indiziert ist eine wichtige Botschaft bereit: Weg vom Perfektionsstreben, hin zur Wohlfühlfigur. Letztere liegt nun mal - ebenso wie Schönheit - im Auge des Betrachters.