Die E-Mail hat die Kommunikation revolutioniert. Schnell und kostengünstig lassen sich auf diesem Weg Nachrichten austauschen. Der E-Mail-Boom bringt jedoch nicht nur Vorteile. War früher noch klassischer Spam das größte Problem für Büroangestellte, sind es heute die vielen vermeintlich wichtigen Mitteilungen von Kollegen und Firmenkontakten, derer man kaum noch Herr wird. Experten gehen davon aus, dass weltweit 2,8 Millionen E-Mails pro Sekunde verschickt werden. Vor allem an Feiertagen werden die E-Mail-Postfächer mit lustigen PowerPoint-Präsentationen, Flash-animierten Grafiken und tönenden Grußbotschaften auf eine zusätzliche Belastungsprobe gestellt.
Neuer Arbeitsrhythmus
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Das beliebte Kommunikationsmittel gibt heute quasi den Arbeitsrhythmus vor. Alle paar Minuten trudeln neue Nachrichten ein, die Mitarbeiter können mit der Taktfrequenz kaum noch Schritt halten. Reflexartig werden Postfächer im Minutentakt überprüft, jede aufpoppende neue Mail zumindest aus dem Augenwinkel überflogen. Die ständigen Unterbrechungen führen zu Konzentrationsproblemen und wirken sich auf die Produktivität aus.
Verbot für interne E-Mails
Der frühere französische Finanzminister und Chef des IT-Service-Unternehmens Atos, Thierry Breton, rief einst ein Verbot für unternehmensinterne Mails aus. Binnen 18 Monaten sollen die Mitarbeiter statt per E-Mail, nur noch mittels Instant Messaging und einer Facebook- und Twitter-ähnlichen Plattform kommunizieren.
Von den 200 Mails, die jeder Atos-Mitarbeiter täglich bekomme, seien nur zehn Prozent auch nutzbringend, begründet Breton seine Entscheidung. „E-Mail ist kein geeignetes Kommunikationsmittel mehr“, so der Atos-Chef gegenüber dem britischen „The Telegraph“. „Es ist nicht normal, dass einige unserer Kollegen stundenlang am Abend ihre E-Mails abarbeiten.“ Zwischen fünf bis 20 Stunden pro Woche würden allein für die E-Mail-Bearbeitung benötigt. Wer durch eine aufblinkende E-Mail in seiner Konzentration gestört werde, brauche zudem im Durchschnitt 64 Sekunden, bis er seine Tätigkeit fortführen könne.
Ich persönlich stehe der Fülle an elektronischer Post auch abseits der Feiertage skeptisch gegenüber: Nur weil sich irgendjemand irgendwo langweilt, muss ich keine Mails lesen. Das ist auch eine Frage des fehlenden Respekts, womit man Leute behelligt. Auch andere Unternehmen setzen mit E-Mail-freien Tagen ein Zeichen in diese Richtung.
E-Mail immer und überall
Die E-Mail-Dominanz ist zu einem echten Problem geworden. Das geht schon so weit, dass Mitarbeiter in eine Besprechung gehen und dabei weiter auf dem Handy ihre E-Mails bearbeiten. Am Ende der Sitzung müssen sie dann Kollegen bitten, ihnen eine Zusammenfassung der Besprechung zu schicken, damit sie wissen, was gesagt wurde.
Durch die Nutzung von Smartphones verschwimmen zusätzlich die Grenzen zwischen Job und Privatleben. Für viele ist es heute schon selbstverständlich, dass es zwischen der E-Mail während der Arbeitszeit und der nach Dienstschluss keinen Unterschied gibt. Mit dem Handy in der Hand werden auch beim After-Work-Bier noch E-Mails gelesen, kommentiert und weitergeleitet.
Bewusstes Abschalten
Doch nicht nur an der Anzahl der E-Mails, sondern auch deren Aufbau und Inhalt sollte gearbeitet werden, um sich den Arbeitsalltag zu erleichtern. Allen voran sollte man eine E-Mail kurz und knapp formulieren. Eine aussagekräftige Betreffzeile erleichtert den Überblick und sorgt dafür, dass die Mail überhaupt gelesen wird.
Üppige Dateianhänge sind eines der größten Ärgernisse. Übereifrige Unternehmen und Agenturen spicken ihre Werbemails und Newsletter oftmals mit unerwünscht großen Anhängen und verstopfen so Postfächer und bringen Firmennetzwerke an ihre Kapazitätsgrenzen. Daher gilt: Dateianhänge nur dann versenden, wenn sie sinnvoll und erwünscht sind, die Dateigröße sollte dabei so gering wie möglich gehalten werden. Im Zweifel sollten Attachments ganz weggelassen oder durch einen Link auf die Downloadmöglichkeit des Materials ersetzt werden. Ebenso sollte auf das Anfordern von Lesebestätigungen verzichtet werden, da sie als Belästigung empfunden werden.
Experten raten zudem zu bewussten Kommunikationspausen. In Phasen des konzentrierten Arbeitens sollten Outlook und Co. einfach geschlossen werden, um der verlockenden Ablenkung durch eine neue aufblinkende Mail zu entgehen.
3,1 Milliarden Mail-Accounts weltweit
Seit dem Versand der ersten E-Mail im Jahr 1971 hat sich viel getan. Marktforscher schätzen die Zahl der E-Mail-Accounts weltweit auf 3,1 Milliarden, bis 2015 soll sie weiter auf 4,1 Milliarden anwachsen. Das berichtet die BBC. Ist die E-Mail überhaupt noch das Mittel der Wahl oder sollte man andere Kommunikationswege beschreiten? Wenn es nach der Meinung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg geht, ist die Zeit dieses Mediums eigentlich schon abgelaufen. „Ich glaube nicht daran, dass der E-Mail-Verkehr ein zeitgemäßes Nachrichtensystem ist.“ E-Mail sei „zu langsam, zu formell und zu kompliziert“, so Zuckerberg.
Auch Experten sind überzeugt, dass sich Soziale Medienplattformen in nächster Zeit mehr und mehr im Geschäftsleben etablieren werden. Die Kommunikation über Soziale Netzwerke punktet dabei vor allem durch das Ansprechen von bestimmten zielgenauen Personengruppen, während die E-Mail in erster Linie zur Direktkommunikation mit Einzelnen entwickelt wurde.
Wahl des richtigen Werkzeugs
„Als das E-Mail-System entwickelt wurde, war es ein exzellentes System um direkt miteinander zu kommunizieren, da es nichts Vergleichbares gab“, so auch Lee Bryant von Headshift, einem Beratungsunternehmen für Social Business. „Wir haben einen Punkt erreicht, an dem das E-Mail-System überbeansprucht wird und es Zeit wird, sich anderen Mitteln wie internen Sozialen Netzwerken, Instant Messengern, Wikis und Microbloggingdiensten zuzuwenden.“
„Wenn man E-Mails bekommt, sammeln sich diese im Posteingang und müssen einzeln gelesen, verschoben und gelöscht werden. Bei Sozialen Kommunikationsmitteln kommen die Nachrichten fließend herein. Und der Nachrichtenstrom fließt weiter, unabhängig davon, ob die einzelnen Mitteilungen angeklickt werden oder nicht. So kann sich nichts aufstauen,“ so Bryant weiter. Der Gefahr, eine wichtige Nachricht zu verpassen, begegnet Bryant mit Gelassenheit: „Schon möglich, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass Soziale Netzwerke eigentlich ganz gut darin sind, die richtige Information zur richtigen Zeit darzustellen.“
Die E-Mail ist trotz der Sozialen Konkurrenz noch lange nicht tot. Die Zukunft liegt nicht in nur einem Weg, sondern in der Auswahl verschiedener Kommunikationswerkzeuge. Die Herausforderung dabei wird sein, das effizienteste Mittel für die jeweilige Aufgabe zu wählen und den adäquaten Umgang damit zu finden, um nicht in einen digitalen Stress zu geraten.
(Foto: leks_052)