Fazit aus dem Dialog mit FPÖ Wählern

Ich habe mich in den Tagen nach der Wahl bemüht hier und auch offline mit Menschen zu sprechen, die Hofer gewählt haben oder beabsichtigen ihn in der Stickwahl zu unterstützen (manche mit ihrer Stimme, manche durch Maul halten) und ihre Motive zu verstehen.

Ich möchte meine ernüchternden Erkenntnisse hier zusammenfassen.

Motiv 1: Wut über die Unfähigkeit der Regierung

Die große Koalition hat versagt. Sie schafft es nicht mehr ihr Versprechen gegenüber dem Bürger, ihn vollständig zu umsorgen einzuhalten (siehe dazu auch Sybille Hamann heute in der Presse). Es geht nichts weiter und es werden keine zufriedenstellenden Lösungen gefunden. Phrasen werden gedroschen, aber keine Handlungen gesetzt. Unser Nannystate sitzt besoffen auf der Couch während wir beleidigt mit den Zündhölzern spielen. Vielleicht spielen ja die Feuerwehrleute mit uns.

Die FPÖ verspricht es anders zu machen. Verspricht den Zaun. Und irgendwie hofft man auch höhere Löhne (sogar ohne dass sie es versprechen) und vielleicht klebt ja Strache die Küchenfliesen wieder an.

Gleichzeitig geht es den Menschen aber gut genug, dass sie sich vor echter Veränderung fürchten. Die Koalition hätte nichts anders machen sollen, sie hätte einfach alles für immer so erhalten sollen wie es ist. Deswegen wählt man eine Partei des Früher um sie abzustrafen, anstatt einer der Zukunft.

Ich verstehe zwar die Wut auf die korrupte GroKo nur zu gut (seit ich wahlberechtigt bin habe ich bei Nationalratswahlen nie die Großparteien gewählt), nur fehlt mir die Naivität die Heilsversprechen der Blauen zu glauben. Ich glaube nicht, dass die FPÖ weniger unfähig ist, oder weniger korrupt. Sie haben mir das Gegenteil zu Zeiten von Schwarz Blau einfach zu gründlich bewiesen. Die Hypo kostet uns wesentlich mehr als die Flüchtlingskrise und mehr blaue Korruption wird uns in die Pleite treiben. Die große Koalition muss ein Ende finden, aber die FPÖ wird den Kurs nicht ändern. Sie wird nur schneller und rücksichtsloser fahren.

Auch um der großen Koalition einen Denkzettel zu verpassen müsste man anders wählen, denn was soll sie denn lernen aus der Wahl der FPÖ? Doch nur, dass sie nicht menschenverachtend, verlogen und korrupt genug war.

Motiv 2: Angst vor dem Islam

Angst vor einer Verdrängung am Arbeitsmarkt. Fast noch mehr Angst vor Verdrängung als Sozialleistungsempfänger. Die Berichte von Vergewaltigungen durch Ausländer häufen sich. Köln. So gut wie jeder kennt Lehrer, die von den Klassen mit hohem Ausländeranteil erzählen. Den Klassen wo islamistisches Gedankengut die Runde macht und wo Lehrerinnen religiös sexistisch motiviert nicht mehr respektiert werden.

Ich finde es fahrlässig die Sorgen der Menschen über diese Themen nicht ernst zu nehmen. Dieser neue religiöse Fanatismus gefährdet die Erfolge der Emanzipation, die Erfolge der Aufklärung und auch die Erfolge der Demokratie.

Allerdings sind das in meinen Augen auch genau die Dinge, die die FPÖ gefährdet. Die FPÖ, für die „Frauenhäuser die Familie zerstören“, die FPÖ, die sogar Chemtrail Verschwörungstheorien auf ihren Seiten verbreitet um Stimmen zu lukrieren, die FPÖ, die ihre Nähe zum Nationalsozialismus kaum noch zu verschleiern versucht.

Die FPÖ, der es kein Anliegen ist die Probleme mit ausländischen Kultureinflüssen anzugehen und zu lösen, sondern die einfach alle Menschen mit dunkler Hautfarbe draußen haben will. Nicht mal nur die religiösen, oder nur die Männer vor denen sich alle immer so fürchten, sondern alle.

Und egal wie. Da sind Menschen (und ich bin ganz sicher, dass ich viele davon nicht ausstehen könnte), die vor Krieg flüchten, vor dem sicheren Tod. „Mir Wurscht, sollen sie doch verrecken, können ja andere helfen“ ist da für mich keine Lösung.

Zudem ich den Verdacht hege, dass auch beim Thema Flüchtlinge bei der FPÖ primär Strategie gefahren wird. Die FPÖ will, dass es den Ausländern, die hier leben, möglichst mies geht, damit es mehr Straftaten gibt, mehr Angst erzeugt wird und sie mehr Stimmen bekommen. Deshalb haben sie gegen die Aufteilungsregelungen im EU Parlament gestimmt. Deswegen stimmen sie gegen Aufteilungslösungen in Österreich. Massenquartiere (die ja nun wirklich jeder schlecht findet) sind für die FPÖ Wählergeneratoren und die werden sie solange es sich rentiert am Laufen halten.

Diesen Aufspalten in Wir und "die Anderen" ist auch die Strategie des IS Terrors. Zwei Seiten der gleichen Münze.

Motiv 3: Andere Ängste

Abstiegsängste sowieso.

Aber auch Ängste wie die vor dem Freihandelsabkommen TTIP. Hofer sagt, er wird es nicht unterzeichnen. Huiii! Wie schön, ich war auf mehreren Anti TTIP Demos und habe mich auch sonst sehr gegen dieses Abkommen engagiert. Wie übrigens auch die Grünen, deren Abgeordnete im EU Parlament viele der Grauslichkeiten die TTIP beinhalten sollte erst ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben.

Was hat die FPÖ in der Zeit gemacht? Stimmvieh für Monsanto in der Glyphosat Zulassungsfrage gespielt.

Was macht eine Partei, die ihre Stimmen regelmäßig den Konzernlobbies verkauft glaubwürdiger in dieser Frage als die Partei, die das Abkommen konsequent durchleuchtet und kritisiert hat?

Ich glaube hier spielt das Glauben Wollen eine sehr große Rolle. Das nicht mit der Realität auseinander setzen wollen. Nicht mit der Komplexität auseinander setzen wollen.

Diese verzweifelte naive Hoffnung, dass ein starker Mann schon alles regeln wird ist traurig mitanzusehen. Aber sie wird wohl eine Mehrheit finden. Blau ist die Hoffnung und schafft damit eine Verblendung in der der FPÖ selbst in absurdesten Gebieten Kompetenz zugetraut wird. Hofers Lügen und die ganze FPÖ Blenderei werden dann wohl in ein paar Jahren auch von den naivsten seiner jetzigen Anhänger durchschaut werden. Dann sind wir pleite und können ihn (hoffentlich) abwählen. Vermutlich folgt dann wieder eine Runde vorwärts im Stillstand mit der GroKo, wenn die reumütigen Wähler wieder zu ihrer Großpartei zurückriechen anstatt es endlich mal mit echter Veränderung zu versuchen.

Die Bundespräsidentenwahl ist da mehr eine Fußnote. Strache wird die nächste Nationalratswahl gewinnen. Der Bundespräsident entscheidet halt wann. Und er wird eine Rolle spielen wenn es soweit ist. Wenn er verfassungswidrige Gesetze für Strache einfach unterschreibt (so wie derzeit im neuen ultrarechten Regime in Polen) wird es ungemütlich.

Van der Bellen wäre eine Chance, dem Land noch ein letzes Korrektiv zu ermöglichen, noch dazu eines, dass der Mentalität der Großparteien wirklich entgegen steht, bevor das Land durch die Strache Zeit geht. Aber selbst dafür ist die Verblendung wohl schon zu groß.

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

El_Pablo

El_Pablo bewertete diesen Eintrag 01.05.2016 09:17:16

Gerhard Novak

Gerhard Novak bewertete diesen Eintrag 28.04.2016 17:36:46

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 27.04.2016 22:09:00

87 Kommentare

Mehr von Livia