Jyoty Singh -Tochter Indiens

Ich habe mir gestern die BBC Dokumentation Tochter Indiens angesehen und ich finde diesen Film unglaublich relevant. In Indien selbst und auch auf der ganzen Welt, weil er die grundlegende Problematik, die hinter Vergewaltigung steht, messerscharf aufs Korn nimmt.

In Indien wurde die Ausstrahlung des Filmes ja verboten, angeblich weil einer der verurteilten Vergewaltiger und Mörder von Jyoty Singh, der in dem Film zu Wort kommt, herabwürdigendeAussagen gegenüber Frauen tätigt. Es steht allerdings zu vermuten, dass der Mann mit seinem Aussagen eher ein wenig „too close to home“ trifft. Denn was er und seine Anwälte so verzapfen klingt nicht wesentlich verschieden von dem, was viele Politiker und Personen des öffentlichen Lebens so über Frauen von sich geben. Und es zeigt ganz deutlich, dass die Vergewaltiger keine wahnsinnigen Monster sind, sondern einfach von der sie umgebenden Vergewaltigungskultur darauf getrimmt wurden, Frauen nicht als Menschen zu sehen.

In dem Film beginnt der Vergewaltiger mit dem üblichen Victim Blaming: Sie hätte so spät nicht auf der Straße sein dürfen. Sie hätte nicht mit einem Mann am Weg sein dürfen, der nicht mit ihr verwandt ist. Sie hätte sich nicht so anziehen sollen. Sie hätte sich nicht wehren sollen. Was passiert ist, ist ihre Schuld.

Das alles zeugt von der unglaublichen Selbstverständlichkeit mit der dieser Typ annimmt, dass es sein Recht ist, über diese fremde Frau einfach so aufs Brutalste zu verfügen. Das geht so weit ihr die Eingeweide raus zu reißen.

Was für Monster, denkt man sich unwillkürlich.

Aber hier kommt der geniale Zug des Films, denn er stellt direkt neben die Aussagen des Vergewaltigers, die Aussagen seines Anwalts, der sich zwar gewählter und blumiger ausdrückt, aber im Endeffekt genau das gleiche redet. Er spricht von Frauen als Blumen und Diamanten, die in Tempel gestellt und beschützt werden müssen. De Fakto sieht er Frauen aber genau gleich wie sein Mandant: Als Dinge. Nicht als Menschen mit einem eigenen Leben und einer eigenen Agenda, sondern als Dinge, die man benutzen kann. Ein Diamant wird vielleicht als wertvoll betrachtet aber einen eigenen Willen hat er nicht.

Diese „Wertschätzung“ wird Frauen oft als Ersatz für echten Respekt und freie Lebensentscheidungen verkauft und Indien ist beileibe nicht das einzige Land in dem eine solche Argumentation gang und gebe ist.

Zum Schluss entlarven sich die Herrn Anwälte vollends, wenn der eine erklärt, er würde seine Tochter ohne zu zögern verbrennen, sollte sie ihre eigenen Lebensentscheidungen treffen. Während der andere gleich ganz direkt sagt, die indische Gesellschaft sei so toll, dass Frauen in ihr keinen Platz haben (das ist übrigens der mit den Blumen und Diamanten).

Ein sehr interessanter Aspekt dieser Entmenschlichung der Frau in den Köpfen vieler Männer wird von dem Gefängispsychiater aufgeworfen. Die Prostitution. Er sagt „ Sie (auf die Täter bezogen) sehen wie sich die Reichen den Spaß kaufen und wollen das auch“. Wer das Geld hat kauft sich also Sex mit einer Frau, die nicht wirklich mit ihm schlafen will. Durch diesen ganzen Prozess wird die Sexualität einer Frau zu einer Ware reduziert. Vergewaltigung wird quasi wiederum nur zu einem Eigentumsdelikt.

Dieser Umstand entlarvt auch die weitverbreitete Idee, Vergewaltigung wäre eine Verbrechen, dass aus einer Art sexueller Notdurft resultiert und Prostitution könnte es eindämmen. Das Gegenteil ist richtig. Prostitution befördert das Weltbild, das zu Vergewaltigung führt noch zusätzlich. Ginge es nur um körperliche Bedürfnisse, würde eine gesunde Hand ja auch ausreichen.

Obwohl der Film mit der beschriebenen Brutalität natürlich verstört, stimmt er auch hoffnungsvoll, wenn man sieht wie viele Menschen beiderlei Geschlechts auf die Straße gegangen sind um sich gegen diese entsetzlichen Geschlechtermachtverhältnisse zur Wehr zu setzen.

Es gibt Bestrebungen frauenfeindliche Pseudomoral Gesetze in Indien endlich abzuschaffen. Die Polizei wird dazu aufgerufen Vergewaltiger endlich mit aller Härte zu verfolgen und Frauen auch zu glauben, dass sie Opfer einer Vergewaltigung wurden, wenn sie nicht bereits ausgeweidet am Boden liegen wie Jyoty Singh. Es gibt also durchaus Hoffnung, in Indien und auch im Rest der Welt, wo die Vergewaltigungskultur zunehmend an Boden verliert.

Im Grunde handelt es sich dabei ja um den Terror einer Minderheit. Die große Mehrheit aller Menschen vergewaltigt nicht und hat es auch nicht nötig, die Beweggründe und die Kultur, derer die es tun, zu verteidigen.

Die Statistiken am Ende des Films, die auf Internationalität des Problems hinweisen waren aber ebenfalls ein wichtiges Statement. Denn gerne macht man es sich zu einfach und schiebt solche Dinge an andere Kulturen ab, ohne zu bedenken, dass es bei uns vor 150 Jahren noch genauso zugegangen ist und es auch heute noch Leute gibt, die öffentlich bekunden, ein kurzer Rock sei eine Rechtfertigung für eine Vergewaltigung.

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