Norbert Leser zum Gedenken († 31. Dezember 2014)

„Gut, dass Sie mich an ihn erinnern…, ich werde Alfred morgen anrufen!“ Als Norbert Leser an diesem Frühjahrsabend 2014 im Ilona-Stüberl erfahren musste, dass mein Vater, der Wissenschaftskritiker Alfred Locker bereits neun Jahre verstorben war, hat ihn das sichtlich bewegt, weil er meinte: „Ich hätte gerne mit ihm wieder einmal über Gott gesprochen!“

Vielleicht haben die beiden Herren nun die Möglichkeit dazu, zumal man Leser nicht überzeugen musste, dass die Facetten des Lebens in einer anderen Dimension weitergehen. Er wusste es einfach! Seine Suche nach Gott war aber zugleich eine unbedingte Auseinandersetzung mit dem Leben, dem er sich als katholischer und sozialdemokratischer Philosoph stellte. Beide Denk- und Lebensweisen stellten für ihn weder einen Widerspruch noch eine Unvereinbarkeit dar. Allerdings forderte er gerade von der Weltanschaulichkeit des Sozialismus eine Moral, die vielleicht etwas zusehr von einem katholischen Idealbild geprägt war, welches sich auch in seiner monarchistischen Freizeitgestaltung widerspiegelte. Dass er zu nicht wenigen Anlässen das Ehrenband der Katholisch-Österreichischen Landsmannschaft Maximiliana (inklusive Deckel) trug, nahmen ihm manche übel. Besonders jene, die gar nicht verstanden, dass sein Blick zurück in die Monarchie auch ein Blick auf die ursprünglichen Ideale der Sozialdemokratie gewesen ist. Und diese sah er gerade in letzter Zeit mehr als verraten, weil es einem Sozialphilosophen nicht ins Hirn ging, was Sozialismus mit Großbanken und Kapitalvermehrung um jeden Preis zu tun haben soll.

Deswegen konnte (und wollte) er auch nicht, allerlei Unkenrufen zum Trotz, stillhalten und wählte bei seiner Politikerkritik Formulierungen, die möglicherweise bewusst so über das Ziel hinausschießen mussten, damit ein Philosoph in der heutigen Zeit überhaupt gehört wird.

Denn ein Phänomen des Zeitgeistes trat bereits zu Lebzeiten Norbert Lesers ein. Es wurde immer mehr über ihn geschwiegen, weil er selbst nicht gewillt war, den Mund zu halten, die Feder in Pension zu schicken und die hirnverbrannte Oberflächlichkeit siegen zu lassen.

Aber einen Mahner in der Wüste möchten die wenigsten hören, besonders jene nicht, die uns weismachen möchten, dass alles was sie selbst daherschwafeln, immer seine Richtigkeit hat.

Allerdings hat uns Norbert Leser einiges zu lesen hinterlassen. Und wenn manche Politiker nur mehr als fragwürdige Randnotiz in den Geschichtsbüchern erwähnt werden, wird Universitätsprofessor Dr. Norbert Leser immer noch einen vorderen Platz in der Reihe großer österreichischer Denker haben!

RIP, lieber Freund! Und zu einem Glas Wein höre ich mir nun seine CD „In Vino Veritas“ an.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:59

fischundfleisch

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