Dass ich von Jürgen Todenhöfer und seiner......nun, Arbeitsweise nicht sonderlich viel halte, habe ich in der Vergangenheit bei verschiedenen Gelegenheiten zur Sprache gebracht. Dabei waren es nicht nur tatsächlich getätigte (wie seine seinerzeitige Schmähung gegen die Regierung Allende), sondern ebenso ungetätigte Aussagen (Solidaritätsaufrufe, gar leidenschaftliche Plädoyers für die Jesiden 2014, an denen ein Völkermord im Gange war, habe ich vermisst; aber wer will denn schon seine eindimensional denkende Followerschaft mit sowas konfrontieren?), welche jegliche (potentielle) Sympathie meinerseits zuverlässig im Keim erstickten.
Nun, einmal stoße ich im Rahmen anderen Kontextes, durch zufälligen Hinweis, auf eine Statusmeldung des Herrn vom 17. Juli 2015, in welcher er den Muslimen zum Ende des Fastenmonats Ramadan gratuliert. Ja, selbst mit einem Literaturtipp weiß er da aufzuwarten: "Allahs Sonne über dem Abendland" von Sigrid Hunke lese er gerade, denn: "Sie beweist an 1000 Beispielen, dass der Westen - auch Deutschland - nicht nur Erbe der griechisch-römischen Kultur, sondern auch der arabisch-islamischen Geisteswelt ist." preist Todenhöfer dies Werk, fährt schmachtend fort: "Mehr als alle ahnen." Weil mich dieses Thema wirklich interessiert -- hatte ich doch erst kürzlich davon gelesen, wie Al-Jazari's Ingenieurskunst Leonardo beeinflusst haben soll -- beschloss ich, dem nachzugehen. Dazu gehören auch Informationen zur Verfasserin. Einfach, um zu sehen, welchen Hintergrund sie hat(te?), zu schauen, welche Perspektive in die Arbeit miteinfloss; abzutasten, in welche "Richtung" ich kritischer lesen sollte, etc etc etc........
:D
..........und jetzt wird's interessant.
"Sigrid Hunke", spuckt das Internet binnen 30 Sekunden aus, "1913 - 1999. Religionswissenschaftlerin (Schwerpunkt Christentum, Islam), Vordenkerin der 'Neuen Rechten'. Ab 1938 Mitglied des Nationalsozialistischen Studentenbundes, ab 1. Mai 1937 Mitglied der NSDAP. Promotion unter dem Rassentheoretiker Ludwig Ferdinand Clauß (Dissertation: 'Herkunft und Wirkung fremder Vorbilder auf den deutschen Menschen', 1941). 1940-41 mit ihrer Schwester Waltraud im 'Germanischen Wissenschaftseinsatz' der SS tätig, Stipendiatin des SS-'Ahnenerbes'. Schrieb in der dazugehörigen Zeitschrift 'Germanien'. Ehemann tätig im 'Sicherheitsdienst des Reichsführers SS'."
"Lokî, du bist unfair", könnte man jetzt sagen, "Vermutlich waren das alles nur Jugendsünden. Vermutlich hat sie sich eh nie mit dem Nationalsozialismus identifiziert und musste sich anpassen, um zu überleben. Später kann sie sich immer noch gebessert haben." Ja, vermutlich. Aber vermutlich auch eher nicht: "Ab 1986 ständige Mitarbeiterin im rechtsextremen Thule-Seminar, wahrscheinlich Mitglied." Wer weiß, vielleicht fiel es der Dame einfach aus schierer nostalgischer Veranlagung heraus schwer, mit althergebrachtem Gedankengut zu brechen. (Ich meine, wir alle kennen ja selbst diese Gemütslage; aus diesem Grund vermag ich mich auch nicht von meiner Batman-Actionfigur zu trennen, die ich als Kind bekommen habe.) Vielleicht war sie selbst Opfer des NS-Regimes, deren Name posthum beschmutzt wird. Vielleicht wusste Herr T., was viele nicht wussten, daher wohl auch die völlig unkritisch wiedergegebene.......ja, nennen wir es mal Literaturempfehlung. Ironie zum Mitschreiben: Ausgerechnet er, einst "Stahlhelm"-Fraktionsmitglied innerhalb der CDU, strammer Rechtsaußen der Konservativen, der stets betont, die größte Gefahr komme von Rechts; dessen Jünger beim geringsten Gegenargument die Nazi-Keule hervorholen (selber aber inbrünstig für den Nationalismus ihrer Herkunftsländer einstehen), erfreut sich am Buch einer bis zum bitteren Ende - wiewohl darüber hinaus - überzeugten Nationalsozialistin. Kraus' Lachen kann ich bis in mein Zimmer hören.
Klar: Zu allen Zeiten gab und gibt es Individuen/Gruppen, die Leitbilder aus vergangenen Epochen heraufzubeschwören bemüht waren - um sich an ihnen zu orientieren, um sie zu übertreffen; das konnten Menschen, mythische Figuren oder Lebenseinstellungen, Philosophien sein. Mitunter auch Religionen, deren Missbrauch zu politischen Zwecken alles andere als abgeschlossen ist. Auf der Suche nach einer passenden Identifikationsfigur hatte die nationalsozialistische Führungsriege schnell entschieden, dass der uns überlieferte Christus die wohl denkbar schlechteste Wahl gewesen wäre: Wie hätte schließlich ein mittelloser Wanderprediger, der Gewalt ablehnte, Vergebung dem Feind predigte, sich am Ende widerstandslos ans Kreuz schlagen ließ, obwohl er Möglichkeiten gehabt hätte, zurückzuschlagen, zu allem Überfluss Jude -- wie wäre so einer mit dem neuen, aggressiven Deutschland kompatibel gewesen? War nicht das gesamte Christentum aus dem Judentum hervorgegangen, davon beeinflusst, "durchsetzt" gar? Ganz anders dagegen Muhammad, dessen Vita beeindruckt: Kaufmann, Prophet, Feldherr, politischer Anführer, geistige Autorität. Mann der Tat. Stand mitten im Leben, jawoll! Im christlichen Kulturkreis hatte man sein Bild jahrhundertelang stark verzerrt wiedergegeben. Wahlweise war von gefallenem Engel, abtrünnigem Priester, Scharlatan, Dämon oder dem Teufel selbst die Rede. Aus Muslim- und Judenfeindlichkeit setzte man in Spanien nach Abschluss der Reconquista sogar das Kriterium der "Reinheit des Blutes" (limpieza de sangre) in Kraft -- ein absolutes Novum. In ihrer Beurteilung seiner Person waren die Aufklärer nicht viel gnädiger. Voltaire, Diderot & Co. waren tolerant und großzügig, wenn es um Spott ging; bei denen kamen weder Christus, noch Muhammad davon, erst recht nicht ihre Glaubensgemeinschaften.
Bei den Nazis herrschten indes Paralleluniversen betreffende Überlegungen: "Hätte bei Poitiers nicht Karl Martell gesiegt: Haben wir schon die jüdische Welt auf uns genommen – das Christentum ist so etwas Fades –, so hätten wir viel eher noch den Mohammedanismus übernommen, diese Lehre der Belohnung des Heldentums: Der Kämpfer allein hat den siebenten Himmel! Die Germanen hätten die Welt damit erobert, nur durch das Christentum sind wir davon abgehalten worden." so ein gewisser Adolf H., ganz große Nummer in der Partei, manchen womöglich bekannt. (Mir ganz sicher, denn over Brigittenau everybody know everybody, aight?) Politische Interessen sind natürlich reiner Zufall. Dass muslimische SS-Divisionen entstehen, der Großmufti von Jerusalem nach Berlin kommt, um mit dem Führer fröhlich kulturverbindend über die Vernichtung des internationalen Judentums zu plaudern, dass Nazis nach 1945 Zuflucht im Orient finden. Es geht hier also nicht um ehrliche Sympathie, wie rührselige Zeitgenossen meinen, noch um geplante (heimliche?) Konversionen (siehe die merkwürdigen Gerüchte um Goethe), sondern Politik. Aufarbeitung hat in den betreffenden Ländern natürlich null stattgefunden (man muss es bereits als Fortschritt betrachten, wenn sie nicht stolz damit hausieren gehen).
(Eine Perserin - mittlerweile auch nur mehr eine ehemalige Bekanntschaft - attestierte mir einmal, ich sei "rechts". Zugegeben, ich habe durchaus finstere, chamberlainesk anmutende Momente, wo ich fast daran glauben will, dass es bei manchen Völkern offenbar genetisch nicht stimmt, weil da so viele wie aus einem Guss reden und "denken", vergleichbar Spielzeugen mit Fernsteuerung; dennoch bin ich Muslim und Sozialdemokrat. Man findet mich tendenziell eher auf Seiten der traurigen Gestalten.)
Wir Südländer sind halt schon a wengerl emotional, um ein abgegriffenes Klischee zu bedienen. Wer bei uns die richtigen Knöpfe drückt, uns den Bauch krault, sagt, was wir hören wollen, lobt noch und nöcher, den erheben wir sofort zum primus inter pares, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. So genießt auch Herr T. seinen Höhenflug an der Sonne, wie einst Bellerophon auf dem Rücken des Pegasos, indem er sich im Umgang mit seinen Followern muslimischen Glaubens gekonnt an eiserne Regeln hält: Ja kein Wort von Selbstverantwortung. Immer schön schwarz-weiß malen, weg mit unnötigen Differenzierungen. Und um Gottes willen, UM GOTTES WILLEN, unter keinen Umständen ein Sterbenswörtchen der Umsetzung von Menschen- und Minderheitenrechten! Einseitige Schuldzuweisungen, untermalt von völlig aus dem Kontext gerissenen (historischen) Hintergründen: Die USA, wie sie bei der Vernichtung der Dinosaurier wegsahen, weil diese sich nicht länger dem Westen unterwerfen wollten. Der byzantinische Diktator in Konstantinopel, dem Geld, Berater und Drohnen geschickt wurden, um Afghanistan zu bombardieren. Alexander, der völkerrechtswidrig Gaza besetzt hielt. (Oder so ähnlich, denn in Geschichte bin ich jetzt nicht sonderlich versiert.) Diskussionskultur unter des Herrn T. Beiträge nicht einmal in Ansätzen zu bemerken. Ablenkungen ("Aba Israil hat Völkamord an Indianers gemacht!!!!") , Doppelmoral ("Ey, gegen Muslime wird gehetzt, weil Juden alle Medien beherrschen!") , Verleugnung ("Was Völkamord, lan was? Wen Völkamord wäre warum gibs noch Armenier? Ihr Nazis!") , wüste Beschimpfungen ("Islam ist Frieden......du Hurensohn!") , oder Flucht ("Allah möge dich manipulierten Menschen rechtleiten!"). Ich glaub' mittlerweile, dass es nur in der 'Böhse Onkelz'- Fanszene schlimmer zugeht, wenn wieder einmal versucht wird, pathetische Drogen- und Knastgeschichten vom wandelnden Totalausfall Kevin Russell zu verteidigen. Oh, und natürlich der Klassiker: "Todenhöfer Ehrenmann!" Ehrenmann, einer, dessen Wort gilt. Ehrenmann, der nie zurückweicht. Ehrenmann, der sagt, was Sache ist. Ehrenmann......weil er sagt, was manche hören wollen.
Manchmal, aber wirklich nur manchmal, wird offene Hetze gegen Minderheiten betrieben. Das ist aber wirklich nur manchmal, es sind immer nur unglückliche Einzelfälle, deren Kommentare natürlich nicht hunderte (wenn nicht tausende) "Gefällt mir"- Angaben abräumen. Soviel ich mitbekommen habe, dürfte das Herrn T. nicht weiter interessieren. Wozu? Immerhin können tote Jesiden weder "Inside IS" kaufen, noch ihm zujubeln. Überlebende solche, in ihren Flüchtlingslagern, schutzlos der Witterung ausgesetzt, hungernd....aber gut, wenn sie kein Brot haben, so sollen sie doch Kebab essen.
Zum Abschluss könnte man mich fragen: "Lokî, findest du das eigentlich lustig, was du da geschrieben hast?" Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nein, ich finde es eigentlich zum Speiben. Todenhöfers manipulative Arbeitsweise, die Bereitschaft so vieler meiner Glaubensgenossen, das von ihm vorgekaute Zeug bereitwillig runterzuschlingen, unkritisch übernommene Dogmen, Nationalismus, Hass auf Minderheiten, Ignoranz -- man könnte stundenlang so fortfahren und käme doch zu keinem Ende. Ich werde allerdings niemals Menschen verstehen, die da vorgeben, Gottes Schöpfung zu lieben, zu preisen, aber wohl seiner größten Kreation bei jeder Gelegenheit Unrecht tun: Dem Gehirn.