Die Headline für seinen Kommentar zum Atomdeal-Exit der USA mag etwas ungeschliffen sein. Sie ist aber ganz und gar angemessen:
Wenn der Wahnsinn regiert.
Denn sie ist der adäquate Ausdruck unwillkürlicher Selbstreferenz des Autors: Stefan Buchen (NDR, Panorama).
Über die Führung in Washington heißt es: „Amerika wird von moralisch Verwahrlosten regiert.“ Im Kontrast dazu zeige die Führung in Teheran ihre „geistig-moralische Überlegenheit“, da sie erklärt, sich vorerst an das Atom-Abkommen zu halten. Dass sich Trump zu einem neuen Abkommen bereiterklärt, wird nicht erwähnt.
USA böse, Iran gut. Die eine Seite wird dämonisiert, die andere verklärt. Trump „verletzt Vertrauen“ (wie Merkel meinte), Rohani schenkt man Vertrauen.
Der Iran ist schließlich ein wichtiger Handelspartner für Deutschland. Und außerdem – was es um so leichter macht – der Erzfeind Israels. Ökonomisch wie politisch bestehen also gemeinsame Interessen.
Die enorme Zunahme der Hinrichtungen im Iran seit dem Amtsantritt des als „gemäßigt“ geltenden, „geistig-moralisch überlegenen“ Ahmadinedschad-Nachfolgers muss den geistig-moralisch verwahrlosten Stefan Buchen natürlich nicht kümmern.
Dem iranischen Schlächter dürfe nach Meinung des Autors also zum Thema Nuklearprogramm getraut werden, aber auf keinen Fall den "Beweisen" des israelischen Premiers, auf die sich der US-Präsident in seiner Ausstiegserklärung nach der „aufdringlich lärmenden Rolle der israelischen Regierung“ berufen hat.
Kann ein Krieg verhindert werden? „Ist der Wahnsinn zu stoppen? Es wird sehr schwierig.“ Und Stefan Buchen stellt immerhin korrekt fest: „Europa ist schwach.“ Und meint: „Größere Hoffnung möchte man da noch auf die israelische und die iranische Gesellschaft setzen.“ Man beachte hier die Reihenfolge der Nennung! Israels Angst vor dem Iran sei übertrieben, findet der Autor – so als würden die Erfahrungen der letzten 70 Jahre als Grund nicht ausreichen. Den systematisch geschürten Judenhass im Iran blendet Buchen biasgemäß aus.
Als frommer Wunsch heißt es dann, der iranischen Zivilgesellschaft „müsste es gelingen, der Führung klar zu machen, dass die Mehrheit der Bevölkerung keine Provokationen, keine Nadelstiche will, die der Gegenseite einen Vorwand für den Krieg liefern.“
Zur Erinnerung: Erst vor wenigen Tagen drohte Rohani: „Sollten die USA aus dem Atomdeal aussteigen, werden sie sehr bald erkennen, dass sie diese Entscheidung bereuen werden – und zwar historisch.“ (bei Günter Grass wär's wohl auch nur ein „Maulheld“). Und was einem aus der iranischen Zivilgesellschaft blüht, kann der Autor ja dann in den Folterkellern und bei den Hinrichtungen besichtigen.
Dann schwafelt der Autor vom biblischen "Friedensfürst", dem "sar-shalom", „von dessen erlösendem Auftritt die Propheten sprechen“, der habe „einen persischen und einen hebräischen Wortanteil“. Der Autor informiert uns: „So verzweifelt ist die Lage, dass der Hinweis auf die lexikalische Zusammensetzung dieses alten Begriffes vielleicht nicht ganz überflüssig sein mag.“ – Seufz.
Dann schweift er zu den „verblüffenden kulturellen Ähnlichkeiten“ der israelischen und iranischen Gesellschaft, insbesondere den „Ähnlichkeiten des jeweiligen Liedguts, sowohl in der Ästhetik als auch hinsichtlich der kulturellen Wertschätzung und der sozialen Rolle, die beide Gesellschaften dieser Kunstform beimessen.“ Um schließlich auf ein bei YouTube „herumgeisterndes“ Video hinzuweisen, in dem ein israelischer Armeechor „aus welchem genauen Grund auch immer, ein persisches Chanson“ darbietet, „das "jeder" kennt“.
Stefan Buchens gehässige Pointe: „Das Ergebnis ist genauso rührend wie schief. Da sieht man: außer Jagdbomberangriffen über 2.500 Kilometer Entfernung inklusive Betankung in der Luft gibt es noch andere Dinge, die man üben könnte.“
Man möge es selbst lesen. Allerliebst.
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