Am Samstag, 20. Juni präsentiere ich meinen Episodenroman „Atterwellen“ in Seewalchen am Attersee. Als Vorgeschmack soll auch die f+f Gemeinde einen kleinen Ausschnitt bekommen.
Zum 80. Geburtstag fuhren Ernas Kinder mit ihr in ihr Elternhaus, einem vierhundertfünfzig Jahre alten Bauernhof in Plaika, Niederösterreich. Erna erinnerte sich unter anderem:
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Diese Tür hier, Erna zeigte auf eine mit zwei metallenen Querbalken gesicherte Zimmertür, hat unser Papá gleich nach dem Krieg mit Kästen verstellen lassen. Dahinter schliefen wir Mädchen, und auch die Kinder von der Pepi, auf Stroh.
‚Da kommen die Russen nie drauf, dass dahinter noch ein Zimmer liegt‘, sagte unser Vater.
‚Ihr müsst euch nur ganz ruhig verhalten, und redet mit den Kindern: Wenn eines weint, kann das unser Todesurteil bedeuten.‘
Das taten wir. Wenn wir draußen Schritte hörten, haben wir uns nicht mehr bewegt. Gezittert haben wir alle, aber wir waren ganz leise. Auch die Kinder haben das verstanden und sich an Pepi geschmiegt. Die ist dabei manchmal so bleich geworden, dass ich befürchtet habe, sie fällt in Ohnmacht.
Vater konnte Russisch, und nachdem die Kommandantur im Ort eingerichtet worden war und er mit dem Kommandanten gesprochen hatte, haben wir uns sicherer gefühlt. Die Kästen wurden nur mehr nachts vor unser Zimmer geschoben und wir durften tagsüber wieder am Bauernhof mithelfen.
Am Abend des 9. Mai 45 waren wir alle schon in unserem Zimmer, nur meine Schwester Susi half der Mama noch beim Melken. Plötzlich stand sie mit meinem Liebsten, eurem Vater, in der Tür! Ich war außer mir vor Freude. Er hatte mir nämlich zum Geburtstag nicht geschrieben und so wusste ich nicht, was mit ihm war. ‚Poidl!‘, habe ich gerufen: ‚Da haben meine Gebete also doch geholfen.‘
Er hatte viel zu erzählen. Wenn wir alleine sein wollten, haben wir uns ganz oben im Heustadl versteckt. Meine Eltern mochten ihn und er wollte heiraten. Mir war das noch zu früh. Einige Zeit, nachdem er zu seinen Eltern an den Attersee zurückgefahren war, besuchte ich ihn, und da hat er mich geschwängert. Ich war ja völlig unerfahren. Er nicht. Ich habe ihn über alles geliebt und so vertraute ich ihm. Das war mein größter Fehler.
Die Ehe war die reinste Hölle, aber das wisst ihr ja. Einmal, ich glaube, es war 1960, stand ich schon an der Ager. Aber was soll aus euch vieren werden, dachte ich und bin wieder ins Haus gegangen. Andreas, dich gab es damals noch nicht. Wenn es nach dem Arzt gegangen wäre, hätte es dich auch nicht mehr geben dürfen. Dann ist es doch passiert. Heute bin ich dem Herrgott dankbar, dass es so gekommen ist. Das Leiden nahm kein Ende, aber durch das Gasthaus habe ich nicht mehr um jede Kleinigkeit betteln müssen. Es hat ihn geärgert, wenn ich etwas gekauft habe. Andreas, erst als ich gemerkt habe, wie du als Kind unter deinem Vater leidest, habe ich den Mut gefunden, endlich die Scheidung einzureichen. Kurz vor Weihnachten 1973 wurden wir dann geschieden, das war mein schönstes Weihnachtsgeschenk.