Klein hat keine Zukunft
„Guten Morgen, ich komme zur Abgabe, besser gesagt, gebe ich meine Funktion ab. Haben Sie meine Vormerkung?“
Die Frau im weißen Mantel blickt selbst im Sitzen noch von oben herab und nimmt mir meine Papiere ab. „Das Rechte?“, fragt sie. „Da haben Sie noch Glück“, sagt sie, „2017, oder 2018, oder 2019, vielleicht auch erst 2020 wird hier ausgemistet, weggeworfen und der Rest wird übersiedelt.“
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Danke!
Ich werde da bereits ausgewechselt sein, denke ich mir und freue mich, noch einmal das Service in Anspruch nehmen zu können. Was wird mit den Arkaden, dem Garten, dem herrlichen Jugendstilhaus geschehen? Weder ein Hallux, noch eine gerissene Sehne, weder die Hüfte, die Schulter, der Ellenbogen, noch ein schmerzhafter Rücken treiben mich her. Ich selbst werde hierbleiben, werde aufhören mich zu bewegen. Es ist genug: Wenn Reparaturversuche zur Routine werden, wird der Austausch zur Pflicht.
Warum aber ausgemistet, übersiedelt, zugesperrt? Für dieses Haus muss es andere Gründe geben. Es scheint zu funktionieren, sehr gut sogar, vielleicht zu gut. Überschaubare Einheiten, ein familiäres Klima für die Beschäftigten und die Reparaturwilligen, Lob von allen Seiten.
Irgendjemand hat irgendwo, irgendwann immer andere Interessen. „Kleine Einheiten sind nicht gut“, sagen Irgend und Irgend und Irgend. Kleine Einheiten haben ein Ablaufdatum. Größe ist Effizienz, Größe ist Sparsamkeit, Größe ist punktgenaue Unterstützung, Größe ist Schutz der Privatsphäre – Nummern können nicht überwacht werden. „Wir legen euch zusammen, ihr Kleinen. Im Allgemeinen und im Osten könnt Ihr Euch bereits anschauen, wie Größe funktioniert. Jetzt kommt der Norden dran. Verzögerungen entmutigen uns nicht. Wir schaffen das!“, rufen sie im Chor.
Wie schön, ich werde noch im kleinen Haus ausgetauscht und übergebe meine Funktion an das Neue. Die Bewegungen gehen noch langsam, aber ich werde gut betreut. Auch Reparaturen ohne Ersatzteile beobachte ich und so manches andere auch.
Kalt - Warm
Offensichtlich stecken die, die das Ganze und Große wollen, auch jetzt schon ihre Finger in den kleinen Einheiten:
Ich bin nicht nur oberflächlich repariert, nein, fast alles ist ausgetauscht, nagelneu und funktioniert schon Tage danach immer besser. Nichtsahnend liege ich im Reparaturerholungsbett im schönen Haus mit dem familiären Klima. Noch eingebunden, einen Eisbeutel drauf, sehe aber trotzdem zum Waschbecken. Auf einem Blatt darüber wird angeordnet: Drei Mal täglich muss in jedem Zimmer, bei jedem Waschbecken das Wasser jeweils zehn Minuten aufgedreht werden. Nicht nur kalt. Nein, warm und kalt, damit das Trinkwasser schön frisch bleibt. Da sollte es egal sein, ob sich davor schon Reparaturwillige am selben Hahn gewaschen, Wasser getrunken, zähnegeputzt, oder aus irgendeiner Blödheit heraus es einfach rinnen lassen haben. Vorschrift ist Vorschrift! Geschätzte achtzig Kalt- und Warmwasserleitungen werden drei Mal täglich, jeweils zehn Minuten lang geöffnet und ergießen sich in Wiens Kanäle. Beschäftigte müssen es mit ihrer Unterschrift bestätigen.
Ich drehe mich hin und her, kann es nicht glauben, bringe auch einen schriftlichen Protest ein. Siehe da, die Direktion des Hauses zeigt Interesse, bedankt sich sogar für die Initiative, will sich um Änderungen bemühen. Ob die mit dem Konzept 2030 es verstehen, akzeptieren werden?
Mia san mia
Es geht mir immer besser. Zeitweise vergisst mein Wirt die Krücken. Ich spitze aber die Ohren:
„De Deppaten mit eanare Bayrischen, wia de foan! Mit an Paunza gheratens von das Straßn gschobn, alle“, sagt eine Besucherin beim zweiten Knie.
„Beim letztn Mal hab i an Inda im Zimma ghabt. Der Voikoffa hat zerst am Schtui sei Gschäft gmacht, dann hat er den Dreck einfach ins WC gschobn. Des hat gstunga, bis du deppat. Den hab i de Wadln vieri gricht, dem Voikoffa und dea Trottl hat do wirkli glaubt, dass in der Putnwurscht ka Schwein drinnen ist, so deppat san de“, erzählt das erste Knie.
Das Zweier-Knie: „Kürzlich woar i bei an Türkn-Fleischhauer. A Rindfleisch hat a ghabt, a Lamm und sogar an Hasn, wiar i eam aber um a Schwein gfragt hab, sagt der freche Kerl: ‚Wir führen kein Schweinefleisch‘. So a Frechheit, mitten in Wien und koa Schweinefleisch. Hoamgschickt gheradns, alle.“
„Eh kloa, dass da Häupl kane Flüchtlinge siacht, wo dea wohnt“, sagt jetzt wieder eine Besucherin, „aber herunten in Ottakring, alles volla aggressiver Jungendlicher, die gengan nebnanaund am Gehschteig. I hab ma heit an Pfeffaspray kauft.“
Schmerzen, das lange Liegen, das Schnarchen der anderen Knies, die Luft. Viel habe ich nicht geschlafen und frage das Einserknie: Wie sieht’s bei dir heut aus?“ „Alles in Deutscher Hand“, sagt er.
„Schwester, gemma duschn?, sagt das Einserknie bei jeder Gelegenheit und wenn sie wieder draußen ist: „Hat die an geiln Oasch.“
Das Viererknie: „Gottseidank haums uns kane Dschuschn oder Muslmanen einaglegt, da miaßt i ma übalegn, ob i net auf‘d Klass aufzoi“
„Ja, genau, des hoits ja net aus“, sagt des Einser-Knie. „I wö scho laung de Richtign, bei da nextn Woi machts an Dunnara, daun kenan se si pfiatn, die deppatn Rotn und de Schwoazn. Nur ane taugt ma vo dena, de Mikl-Leitna, aber de wiad sicha boid zu uns kuma.“