Bilder entstehen im Kopf, gar nicht so selten werden sie von äußeren Bildern überlagert. Der Winnetou des Pierre Brice und seine „Schwester“ Nscho Tschi, beziehungsweise Marie Versini, waren solche Bilder. Ich trage sie immer noch in mir. In meinem demnächst erscheinenden Episodenroman „Atterwellen“ mussten sie für einen Teil des Epilogs herhalten:
„… Eingesperrt mit Zwetschken- und Apfelbäumen im wunderschönen Garten an der Ager, ‚ihr werdets mir keine Gassenkinder‘ war die starre Haltung des Vaters, träumte ich von Abenteuern und davon, endlich etwas Aufregendes machen zu können. Fischen, schwarz, versteht sich, war eines der wenigen Dinge, die mir außerhalb des Zaunes erlaubt waren. Es hat ja auch ab und zu etwas für den Mittagstisch eingebracht. Ich wollte aber mit den anderen am Blochplatz spielen und bei den wilden Kämpfen der Ager-Hunnen gegen die anderen Banden dabei sein: Es wurde mir verboten.
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Mir blieb das Träumen: Amerika war für mich die wilde Landschaft, waren die Grizzlys, die Büffelherden und die Pferde, das Lagerfeuer, die von Felsen umgebenen Seen und die Wüsten, waren Nscho-tschi, Winnetou, Old Shatterhand und Sam Hawkens. Amerika war der aufrechte Kampf für das Gute, stand für Zuverlässigkeit, Widerstandsfähigkeit, Kreativität und Stärke, die Hoffnung auf lebenslange Freundschaften.
Nscho-tschi war meine erste Liebe. Wie sie sich trotz all ihrer Zuneigung zu Old Shatterhand schließlich doch für ihre Welt bei den Apachen entschied, berührte mich tief. Ich stellte mir ein dunkelbraunes, wunderschönes Indianermädchen vor. Sie weckte meine ersten Liebesphantasien. Die Stelle über ihren Tod in den Goldbergen habe ich bestimmt zehn Mal gelesen und wollte es immer noch nicht glauben. Still und leise beweinte ich sie als eines meiner wenigen Geheimnisse in meiner hinter dem Gartenzaun zugebrachten Kindheit.
Da konnte mein Deutsch- und Geschichtelehrer noch so gegen den Kaugummi, die langen Haare und die langen Fingernägel der Amis wettern, mich reizte dieser Kontinent. Mich interessierten die Menschen, die Bäume verehrten, unbeschreibliche Folter ertragen konnten und sich mit ihren einfachen Waffen dem fairen Kampf gegen die wilden Tiere stellten. …“