In den letzten Tagen war auf fisch+fleisch häufig von Angst die Rede und wie man diese artikulieren, an wen adressieren und über was ausdrücken kann. Angst, jenes Gefühl, das gemeinhin als schlechter Ratgeber gilt. Man müsse über diese Angst reden, niemand solle sich genötigt fühlen, die Angst unterdrücken zu müssen. Das ist allerdings nur Gerede, wie man es eigentlich aus einer Quasselrunde mit Politikern kennt.
In der Realität ist es mittlerweile schon so weit, dass zwar die Gedanken noch frei, die Artikulation derselben längst schon mit sozialer Ächtung oder dem Verlust des Jobs geahndet werden. Gerald Hörhan schreibt in seinem Blogeintrag: „Ich plädiere an die Regierung: Redet offen über Ängste, nehmt die Sorgen der Bürger und Bürgerinnen ernst! Dass sie nicht wollen, dass alle ins Land gelassen werden, haben sie Euch gerade unmissverständlich gezeigt.“
Abgesehen davon, dass es höchst zweifelhaft ist, dass Volksvertreter tatsächlich die Ängste der Untertanen erkennen (wollen), aufgreifen und analysieren, sollen nachfolgend drei Beispiele – zwei aus Deutschland, eines aus Österreich – angeführt werden, und verdeutlichen, dass das Äußern von Ängsten mitunter auch gravierende Problem mit sich bringen kann.
Ein Mitarbeiter des beliebten Online-Händlers Zalando ist gefeuert worden, weil er sich in einer 26.000 Nutzer starken Facebook-Gruppe „schwulenfeindlich“ geäußert hat. Zur Justiz gebracht hat den Vorfall die Internet-Initiative „Enough is enough“, die den Erfurter Mitarbeiter beim Arbeitgeber anschwärzte und eine Strafverfolgung ankündigte.
Ähnlich beim zweiten Fall. Wieder waren es gutmenschliche Blockwarte, die einen Busfahrer um seine Arbeit brachten. In Baden-Württemberg trug er bei der Fahrt zum Flughafen, bei dem abgelehnte Asylwerber abgeschoben werden sollten, ein Hemd der Marke Thor Steinar. Diese steht im Ruf, bei Rechtsradikalen beliebt zu sein. Obwohl der Betriebsleiter bestätigte, dass der Betroffene noch nie durch politische Äußerungen aufgefallen sei, wurde er fristlos gekündigt. Abschiebungsgegner hätten den Betriebsleiter auf den Mitarbeiter und seine Kleidung hingewiesen.
Ein Kfz-Techniker-Lehrling kommentierte auf Facebook das Bild eines syrischen Flüchtlingskindes im oberösterreichischen Feldkirchen. Sein Arbeitgeber reagierte umgehend: „Der Lehrvertrag wurde mit sofortiger Wirkung vorzeitig beendet.“ Der junge Mann entschuldigte sich, seinen Job ist er jedoch los.
Sie bemerken schon, dass die drei Beispiele Extremfälle und im Falle des Kfz-Techniker-Lehrlings unterste Schublade sind. Trotzdem resultierten solche vermeintlich hasserfüllten Äußerungen in erster Linie aus der Angst. Eine Angst, die in Deutschland und Österreich mittlerweile Millionen spüren dürften, sie auszudrücken allerdings nicht wagen. Die Grenzen zwischen „islamophob“, „homophob“, konservativ, rechts oder Nazi sind fließend, mitunter rein beliebig und je nach Willem zur sozialen Existenzgefährdung nervenraubend (als Blauer gelten) bis vernichtend (Kündigung).