Wirtschaftlich und PR-mäßig war es ein Desaster, welches der während des Weinskandals amtierende Landwirtschaftsminister Haiden seinen Nachfolgern hinterlassen hatte. Im Jahr 1985 wurde bekannt, dass einige österreichische Winzer gesetzwidrig ihre Weine mit Diethylenglycol versetzt hatten, was zwar keine nachweisbaren Gesundheitsschädigungen zur Folge hatte aber das Image des Weinlandes Österreich schwer schädigte und die Exporte abstürzen ließ. Erschwerend kam hinzu, dass deutsche Weinabfüller auch rechtswidrig ihren Wein mit österreichischem Glycol-Wein verfälscht hatten. Statt mit Offenheit, rascher Wiedergutmachung und Charme-Offensive den weltweit den Kopf über Österreich schüttelnden Weinliebhabern, Wirtschaftspartnern und Medien entgegenzutreten inszenierte sich die österreichische Weinwirtschaft nach anfänglichen Vertuschungsversuchen in internen Schuldzuweisungen, hilflosen Ausreden und selbstzerstörerischer Uneinigkeit.
Immerhin entstand ein neues Weingesetz mit strengen Kontrollen und der recht unglücklich agierende Weinwirtschaftsfonds wurde aufgelöst. Haiden-Nachfolger Schmidt schrieb im 1.Quartal 1986 mittels Inseraten in allen großen Zeitungen den Job des Geschäftsführers einer neu zu gründenden Weinmarketing-Gesellschaft aus, er wollte keinen Branchen-Insider sondern einen unabhängigen Marketing-Fachmann.
Keine Saison für den G'spritzten
Der, den er schließlich auswählte und im 4.Quartal 1986 einsetzte, begann eine neue Strategie zu entwerfen, die er „Klasse statt Masse“ betitelte. Er kam mit der Markenartikel-Erfahrung von internationalen Konzernen und wollte alles, nur nicht wie vorher üblich gemäß politischen Zurufen Budget mit der Gießkanne verteilen. Er wollte wenige aber starke Schwerpunkte setzen. Er widersetzte sich damit den Erwartungen etablierter Weinpolitik-Granden, doch wieder den G‘spritzten zu bewerben. Er argumentierte, dass es doch falsch wäre, billigem Wein, an dem man fast nichts verdienen kann noch Werbegeld nachzuwerfen. Eine Fortsetzung der früheren sexistischen Weinwirtschaftsfonds-Werbung mit Mädchen mit nass gespritzten weißen T-Shirts kam für ihn nicht in Frage. Er setzte auf Spitzenqualität und Bouteillen abfüllende Winzer, welche allen anderen Weinbauern den Weg zu mehr Umsatz und Export mit besseren Preisen weisen sollten.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Große Medien-Kampagne „Ich lade Sie ein, Ihr österreichischer Wein“, intensive Weinkultur-Lern-Kampagne „Initiative Wein 90“ für Winzer, Händler, Gastronomen (damit konnte sich z.B. die heute selbstverständliche, Kennerschaft signalisierende Weinansprache erst voll entfalten), rasch realisierte Auftritte mit Spitzenweingütern auf allen weltweit relevanten Weinmessen, Vertrauen aufbauende PR im Nr.1-Exportmarkt Deutschland. Der erste Weinmarketing-Chef beendete die zu sehr auf Alkoholparty ausgerichtete Bundesweinbau-Messe und startete dafür den „Salon Österreichischer Wein“. Und er trug zur „Befriedung“ der Streitparteien in der Weinwirtschaft mit einer Serie von sehr auf Mediation ausgerichteten Wein-VIP-Gesprächen im Restaurant Steirereck bei.
Die wahre Ursache für den Aufschwung
Es war wohl eine Mischung aus Blauäugigkeit und professioneller Konsequenz, die ihn davor bewahrte, trotz heftiger Interventionen nicht ins alte Fahrwasser der politisch gefälligen Budget-Verteilung zu geraten. Er war sich seiner mangelhaften Weinfachkenntnisse bewusst und behielt vielleicht gerade dadurch den Blick für das Notwendige. Für die Unterstützung durch den späteren Bundesweinbau-Präsidenten Josef Pleil, den damaligen Weinhandels-Bundesgremialvorsteher Hermann Katzler und den 1987 Schmidt nachfolgenden Minister Riegler, aber auch für die kreativ-kompetenten Leistungen der Agenturen GGK und Publico war er dankbar.
Das alles schuf verbesserte Rahmenbedingungen und einen Imageaufschwung. Die wahrhafte und eigentliche Ursache für die Renaissance des österreichischen Weins war aber die nach dem „reinigenden Gewitter“ des Weinskandals geradezu entfesselte Qualität der Flaschen abfüllenden Winzer, allen voran die Top-Regionen Wachau, Mittelburgenland und Südost-Steiermark.
Und ja, dieser erste Weinmarketing-Geschäftsführer war ich. 1988 klopfte mir ein bei einem Weinfest neben mir sitzender, aufstrebender Landespolitiker, der heute eine ganz großen Nummer seiner Partei ist herzhaft auf die Schultern und meinte fröhlich „Aber weißt eh, Lusak, wenn des nix wird, dann Rübe ab, ha, ha, ha!“. Es ist was geworden. Viel habe ich gelernt dabei. Dennoch war ich nach drei Jahren froh, mich aus einem politischen Umfeld zu verabschieden, welches - zumindest damals - Geschäftsführer einer öffentlichen Service-Unternehmung gerne als Befehlsempfänger betrachtet.
Wolfgang Lusak
Unternehmensberater und Lobby-Coach Mag. Wolfgang Lusak
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