Unsere Hundetrainer haben, nach einem Vorbild aus den USA, eine Idee aufgegriffen: Kinder mit einer Leseschwäche lesen Hunden im Wiener Tierschutzhaus vor. Am Beginn waren wir skeptisch, doch das ist ein echter Renner geworden. Die Kinder kommen gerne, suchen sich ein Buch aus, aus dem sie vorlesen wollen, setzen sich auf einen Polster vor den Zwinger und lesen. Die Hunde wählen wir speziell dafür aus, oftmals handelt es sich um jene Schützlinge, die leider bereits längere Zeit bei uns zu Gast sind.

Wiener Tierschutzverein

Es tut dem Hund gut, eine monotone Stimme zu hören, auch wenn er die Worte nicht versteht. Die Hunde kommen dadurch merklich zur Ruhe und entspannen sich. Zudem ist der Hund ein sehr geduldiger Zuhörer, ihm ist egal, ob er ein Schulbuch hört oder eine Abenteuergeschichte. Das Wichtige ist die Konzentration aufeinander, Kind und Hund schenken einander Aufmerksamkeit.

Nach einer Pilotphase ist das Projekt nun seit mehreren Monaten ein Fixpunkt bei uns. Derzeit lesen etwa zwanzig Kinder regelmäßig, einmal pro Woche Hunden bei uns vor. Darunter sind Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 16 Jahren.

Weshalb das die Kinder so gerne tun, hat ein Bub auf den Punkt gebracht: Der Hund lacht mich nicht aus, wenn ich mich verlese. Gerade Kinder die eine Leseschwäche haben, haben in unserer Leistungsgesellschaft Angst davor, dass sie von anderen bemerkt wird. Im Klassenzimmer, zu Hause bei den Eltern kommt sofort Kritik, wenn man sich bei einem schwierigen Wort dauernd verhaspelt. Die Angst, keine Anerkennung zu bekommen, ein Versager zu sein, die steckt in vielen unserer Kinder. Deshalb würde es vermutlich allen Kindern gut tun, wenn sie an ihren Schwächen so arbeiten könnten, dass sie nicht ständig auf Kritik stoßen. Oder, dass es auch okay ist, wenn es nicht besser wird.

Wiener Tierschutzverein

Das kann man natürlich auch daheim machen, wenn man bereits einen Hund hat. Es tut sowohl dem Kind als auch dem Tier gut, wenn sie sich miteinander beschäftigen.