Die kollektive Wahrnehmung von Benachteiligungen ist weit geringer als die persönliche Betroffenheit – mit gravierenden Folgen.
In weiten Bereichen der Arbeitswelt werden weibliche Beschäftigte gegenüber ihren männlichen Kollegen diskriminiert. Dies in einer Zeit, in der viele Frauen das Gefühl haben, im täglichen Leben den Männern gleichgestellt zu sein. So sehr, dass die Bezeichnung „Quotenfrau“ als Beleidigung aufgefasst und daher streng vermieden wird, und die Erschwernisse für Frauen im Berufsleben oft lediglich als „Herausforderungen“ gesehen werden, die überwunden werden müssten.
In der Arbeit sind Frauen immer noch zweite Wahl
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, wie viel Geringschätzung und Benachteiligung die Frauen im Arbeitsleben immer noch erleben. 36 Prozent der Frauen mit Kindern sind laut Österreichischem Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich durch Betreuungskosten stark oder sehr stark belastet, drei Viertel der Beschäftigten haben im Unternehmen keine Lösungen für Mitarbeiter/-innen mit Nachwuchs.In den Fällen, wo Unterstützung vorhanden ist, gehen die Initiativen meist von der Kollegschaft aus - gegenseitige Vertretung und Rücksicht bei der Urlaubsplanung machen die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erst möglich. Männer sind hingegen durch Kinder kaum belastet – denn die Aufgabe der Kinderbetreuung wird in fast allen Fällen immer noch den der Frau übertragen, wie auch die geringe Anzahl an Väterkarenzen oder der Inanspruchnahme des Papamonats zeigt.
Grafik: Regelungen im Unternehmen für Mitarbeiter/-innen mit Kinderbetreuungspflichten. Quelle: Arbeitsklima Index 2014.
Aber nicht nur im Arbeitsumfeld, auch direkt am Arbeitsplatz ist echte Gleichstellung noch lange nicht erfüllt.
38 Prozent der Frauen haben schon Benachteiligung beim Einkommen erlebt, 26 Prozent bei Beförderungen, 24 Prozent bei der Vergabe von Verantwortung und 23 Prozent bei Stellenvergaben. Die Medien dagegen zeigen nur Bilder von den wenigen erfolgreichen Frauen, die den Aufstieg geschafft haben.
Auch sexuelle Belästigung gehört für viele Frauen zum Arbeitsleben: 22 Prozent haben im Job schon sexistische Witze und Anspielungen gehört. Immerhin 8 Prozent wurden körperlich belästigt, und bei 3 Prozent wurden Nacktbilder am Arbeitsplatz aufgestellt.
Auch im Alter sind starke Unterschiede festzustellen. So gehen zwar Frauen zwei Jahre früher in Pension als Männer, beziehen dann aber auch ein um 52 Prozent niedrigeres Einkommen. In Folge sind Frauen von Altersarmut weit stärker betroffen als Männer.(Statistik Austria, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/gender-statistik/pensionen/)
Einsatz für Rechte der Frauen ist gefragt
Doch es gibt auch Institutionen, deren Einsatz für Gleichstellung wahrgenommen wird. Fast die Hälfte der befragten Arbeitnehmerinnen gab die Arbeiterkammer als jene Institution an, die sich für Gleichberichtigung der Frauen einsetzt. Auch Frauenministerium und Gewerkschaft werden als Fürsprecherinnen geschätzt. Erschreckende 13 Prozent der Interviewten geben jedoch an, niemand würde sich für die Rechte der Frauen am Arbeitsplatz stark machen.
(Österreichischer Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich, 2014)
Es zeigt sich also eine große Diskrepanz zwischen der öffentlichen Meinung, die Männer und Frauen gleichberechtigt sieht, und den Antworten, die man zu den einzelnen Themen erhält.
Gerade in den Bereichen Einkommen und Karriere sehen die Frauen einen deutlichen Unterschied. Ein Zusammenhang zu gesellschaftlicher Anerkennung wird jedoch scheinbar nicht hergestellt. Die Benachteiligung im Einzelfall wird weniger als Gegebenheit der Arbeitswelt, sondern eher als persönliche Herausforderung gesehen – sei es bei der Karriere, bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben oder bei der alltäglichen Wertschätzung. Diese Punkte beeinflussen aber nicht nur die Chance von Einzelnen, sondern behindern auch generell den Aufstieg von Frauen in besser bezahlte (Führungs-)Positionen.
Kinderbetreuung, Transparenz und gesellschaftliches Umdenken als Schlüssel
Auch wenn die Forderungen sehr klar aus der Analyse der Probleme hervorgehen und von weiten Teilen der politischen Landschaft unterstützt werden, sind die Fortschritte in den letzten Jahren doch eher überschaubar. Während die Kinderbetreuung in Ballungsräumen und von Arbeitern/-innen geprägten Kommunen gut ausgebaut ist, gibt es in vielen ländlichen Gebieten immer noch kaum Einrichtungen, die ausreichende Öffnungszeiten anbieten.
Werden die Einkommen von Männern und Frauen direkt gegenübergestellt, wie dies im persönlichen Vergleich oder bei den verpflichtenden Einkommensberichten (Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft, https://www.bmbf.gv.at/frauen/gleichbehandlung/gbb_privat.html) geschieht, dann schafft dies Bewusstsein und Forderungen nach besserer Bezahlung.
Auch dass Bezeichnungen wie „Rabenmutter“ oder „Quotenfrau“ immer noch verwendet werden, zeigt, dass die Gesellschaft die Emanzipation der Frau nicht nur nicht ausreichend unterstützt, sondern in Einzelfällen sogar noch sanktioniert.
Obwohl die Gleichstellung der Frauen in der öffentlichen Meinung als umgesetzt betrachtet wird, gibt es doch immer noch viele Bereiche, in denen Benachteiligung und Diskriminierung alltäglich sind. Deshalb müssen wir uns weiter für gleichstellungsfördernde Maßnahmen, Einkommenstransparenz und, ja, auch für geschlechtergerechte Sprache einsetzen, und aufzeigen, wie sehr die einzelnen Frauen noch das Nachsehen gegenüber den männlichen Beschäftigten haben.