Unsere Bundeskanzlerin hat, großzügigerweise, ihre Sommerferien unterbrochen, um sich im Rahmen der vorgezogenen Sommerpressekonferenz den Fragen diverser Journalisten zu stellen. Dass diese Sommerkonferenz vorgezogen wurde und die Kanzlerin ihren (vermutlich dringend benötigten) Erholungsurlaub aussetzte, ist natürlich den eher unschönen Ereignissen der letzten zwei Wochen geschuldet, also dem Axt-Anschlag von Würzburg, dem Amoklauf von München und dem Selbstmordattentat von Ansbach, welches im Übrigen wesentlich mehr Schaden angerichtet hätte, wenn dem Attentäter nicht der Zutritt zum Konzertgelände verwehrt worden wäre.
Die Täter von Würzburg und Ansbach waren zweifelsfrei Asylbewerber, deren Ziel darin bestand, IS-Ideologie in die Tat umzusetzen. Ob sie von IS-Funktionären, die im Kalifatsgebiet wirken, gezielt nach Europa geschickt und explizit beauftragt wurden oder ob sie eine freiwillige Identifikation mit dem Daesh auch ohne personelle Verbindung vornahmen, ist dabei völlig unerheblich. Wer noch immer meint, der IS könne nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn der Attentäter einen Mitgliedsausweis oder schriftlichen Befehl in der Tasche trägt, hat dessen Rekrutierungsprinzip einfach nicht verstanden.
Wichtig ist an dieser Stelle nur eines: Es ist exakt das eingetreten, was die Kritiker der merkelschen Flüchtlingspolitik befürchtet und angemahnt haben: Mit den Flüchtlingen sind auch Terroristen nach Deutschland gelangt, deren Ziel es ist, "Ungläubige" zu ermorden, weil sie "Ungläubige" sind. Im Grunde genommen gab bereits der Kölner Silvesterhorror unseren Befürchtungen recht- nur bestand hier freilich keine Verbindung zum IS, was den politisch korrekten und islamapologetisch ausgerichteten Diskursakteuren die Möglichkeit bot, die gesellschaftspolitische Dimension dergestalt zu leugnen, dass man diese widerwärtigen Exzesse zum Ausdruck einer allgemeinen, ebenso auf dem Oktoberfest anzutreffenden "Rape Culture" umdeutete, anstatt die spezifisch muslimische Täterschaft wahrzunehmen. Bei den IS-Anschlägen von Würzburg und Ansbach funktioniert das natürlich nicht mehr so gut. Wer sich auf den IS beruft, ist ohne jeden Zweifel politisch motiviert. Die Bürger Deutschlands sind somit endgültig zu potenziellen Opfern islamischer Hassverbrechen geworden und wünschen verständlicherweise eine Stellungnahme ihrer Regierungschefin, deren Flüchtlingspolitik den Einmarsch der Täter ohne jeden Zweifel ermöglicht oder zumindest massiv erleichtert hat.
Erwartungen grandios enttäuscht
Jetzt also hatte Merkel die einzigartige Gelegenheit, gegenüber ihrem Volk, dem Souverän, Rechenschaft abzulegen. Was hätte ich mir von meiner Kanzlerin konkret gewünscht? Zum einen die explizite Übernahme von Verantwortung. Ich hätte mir gewünscht, dass sie eingesteht, mit der Pauschaleinladung an alle Migrationswilligen des Nahen Ostens sowie Afrikas fahrlässig gegenüber der eigenen Bevölkerung gehandelt zu haben. Ich hätte mir darauf basierend weiterhin gewünscht, dass sie einen umfassenden Grenzschutz und die sofortige Beendigung der anhaltenden irregulären Asylzuwanderung ankündigt. Ich hätte mir ganz besonders gewünscht, dass sie sich bei den z.T. schwer verletzten Opfern von Würzburg und Ansbach persönlich entschuldigt und der restlichen Bevölkerung verspricht, ihrer Sicherheit und ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit fortan oberste Priorität einzuräumen, bedingungslos und ohne Rücksicht auf ein eventuelles Scheitern des großen humanistischen Superprojekts namens Flüchtlingskrise. Ich hätte mir vor allem gewünscht, von nichtssagender Phrasendrescherei verschont zu bleiben.
Und? Ist irgendetwas davon eingetreten? Leider nein. Meiner bescheidenen Ansicht nach ist es sogar wesentlich schlimmer ausgefallen, als ich es erwartet hätte. Ein Füllhorn an Ignoranz, Überheblichkeit und, zumindest subtiler, Verhöhnung der Betroffenen, der Bevölkerung in ihrer Gesamtheit, hat die Bundeskanzlerin stattdessen ausgegossen. Diejenigen Passagen, die mich am meisten verstören, möchte ich nicht unkommentiert lassen. Also seziere ich hiermit vor allem diejenigen Aussagen, die Merkel in ihrer einleitenden Rede getroffen hat, bevor die Journalisten begannen, konkrete Fragen an sie zu richten. Diese Einleitung hatte ausschließlich die deutschen Terrortage zum Thema, später stellten die Journalisten auch Fragen zu anderen Themen, wie es bei der Sommerkonferenz üblich ist.
„Völlig egal, wann sie kamen“
Lange braucht die Kanzlerin nicht, um das erste Fettnäpfchen zu finden. Bereits nach rund acht Minuten heißt es:
„Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat, und ich will hinzufügen: Dabei ist es im Übrigen völlig egal, ob mit den so vielen Flüchtlingen, diese Flüchtlinge schon vor oder nach dem 4. September des vergangenen Jahres zu uns gekommen sind.“
Das ist, man verzeihe meine Ausdrucksweise, ein massiver Schlag in die Fresse, und das gleich zu Beginn. Patziger kann man die Konsequenzen eigenen Fehlverhaltens nicht negieren. Es ist also egal, ja? Der 4. September 2015 war der Tag, an dem Merkel die Einreise mehrerer Hundertausend tatsächlicher oder vermeintlicher Flüchtlinge aus Ungarn auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland veranlasste, mit der Begründung, es läge in Ungarn eine „humanitäre Notlage“ vor, die wohl nie wirklich bestätigt werden konnte und vermutlich eher ein Nebenprodukt der allgemeinen Osteuropa-Dämonisierung ist. Sie überging dabei das Parlament, also die vom Volk gewählten Abgeordneten, was Michael Bertram, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, zurecht als „Akt der Selbstermächtigung“ bezeichnete. Auch seine Kollegen Udo di Fabio und Hans-Jürgen Papier sprechen von einem schwerwiegenden Rechtsbruch. Es sollte Merkel in keiner Weise egal sein, ob das menschliche Leid, welches die Vorfälle in Ansbach und Würzburg verursachen, mit der von ihr zu verantwortenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit zu tun haben. Im Gegenteil ist dieser Punkt von größter Wichtigkeit, zumal die September-Ermächtigung eben keine Ausnahme geblieben ist, sondern lediglich der Startschuss für den auch in den folgenden Monaten stattfindenden Zustrom war. Wenn dieser zwischenzeitlich abgemildert wurde, dann ja nur, weil die auf dem Weg liegenden Balkanländer sowie Österreich ihre Grenzen schlossen.
Wer Angst hat, dient dem IS
Gleich darauf spricht sie davon, die Gewalttaten stellten „uns auf die Probe“:
„Und die Terroristen wollen erreichen, dass wir den Blick für das, was UNS wichtig ist, verlieren. Sie wollen unseren Zusammenhalt und unser Miteinander zersetzen, sie wollen unsere Art zu leben, unsere Offenheit, und ja, auch unsere Bereitschaft, Menschen in Not aufzunehmen, verhindern. Sie säen Hass und Angst zwischen Kulturen und sie säen Hass und Angst zwischen Religionen.“
Diese Argumentation ist absolut perfide, aber sie ist es auf eine sehr subtile Weise (und gerade deswegen gleich noch mal so perfide). Denn zunächst hört sich das Ganze ja recht nett an: Wir sollen uns nicht aufhetzen lassen. Vergegenwärtigen wir uns jedoch noch einmal das (übrigens genuin islamische) Weltbild, dass der IS vermittelt. Sein Ziel ist die (Wieder)erschaffung des islamischen Kalifats inklusive weitreichender Eroberungspläne. Der Westen stellt für alle islamistisch-dschihadistischen Strömungen das ultimative Böse dar, die moderne, maximal dämonisierte Version des „Dar al-Kufr“ („Haus des Unglaubens“), seine Bewohner sind, wie übrigens alle Nicht-Muslime, Menschen zweiter Klasse und den Muslimen gegenüber minderwertig. Sie sind nicht nur „Kuffar“ (Nicht-Muslime im Allgemeinen), sondern sogar „Harbis“ (Nicht-Muslime, die (noch) nicht unterworfen/bekehrt wurden, keine Dschizya (Schutzsteuer) zahlen und gegen die aus eben diesen Gründen Dschihad zu führen ist). Harbis besitzen keinerlei Rechte- ihre Ehre, Besitz und Leben sind somit für einen Muslim „halal“. Es gibt keinerlei sittliche Begrenzung der Gräueltaten, die ihnen angetan werden dürfen. So erklärt sich denn auch die Bestialität, mit der offenbar die Opfer des Bataclan-Massakers gefoltert und ermordet wurden sowie die Bereitschaft, zufällig im Zug angetroffene Kuffar mit einer Axt zu zerhacken.
Ungeachtet der konkreten strategischen Möglichkeiten, die der IS hat und die wir ja ohnehin nicht wirklich einschätzen können, sind wir alle als potenzielle Terrorbetroffene zu betrachten. Ob uns das gefällt oder nicht: Wir sind hier die Opfergruppe. Das sage ich nicht, weil ich so erpicht darauf wäre, endlich mal in Opfer zu machen. Ich sage das, weil es den Tatsachen entspricht. Der IS, der Dschihadismus in seiner Gesamtheit, hat uns dazu gemacht. Wir sind seine Zielscheibe. Wenn Merkel also meint, „Hass und Angst“ zwischen "Kulturen und Religionen" verhindern zu müssen, dann sollte sie diesen Appell doch eher an diejenige Gruppe richten, die gemeinhin die Täter hervorzubringen pflegt: An die muslimische Community also, einschließlich unserer muslimischen „Neubürger“, sich nicht vom IS manipulieren und aufhetzen zu lassen. So schwer wird es doch nicht sein, für arabische Untertitel zu sorgen. Diese Aufforderung hingegen an die potenziellen Opfer zu richten, ist mindestens unsensibel, im Grunde genommen jedoch fast pervers. Es sind nicht wir, die vom IS zum Hass gegen Muslime aufgepeitscht werden, es verhält sich natürlich exakt anders herum. Reagieren wir dann unsererseits mit- begründetem- Misstrauen gegenüber dem Islam und seinen Vertretern, so ist das sicher unschön für diejenigen Muslime, die wirklich friedlich sind, aber garantiert nichts, was man uns vorwerfen könnte. Merkels Worte implizieren jedoch, „Hass und Angst“ wären Probleme, für deren Vermeidung mindestens beide Seiten gleichermaßen verantwortlich sind, wenn nicht sogar letztendlich ausschließlich wir. Nein, mit Verlaub, das ist nicht der Fall- wenn mir ideologiebedingt irrationaler Hass entgegenschlägt, weil ich kein Muslim bin, dann ist das Hassproblem nicht auf meiner Seite zu suchen. Das Angstproblem sicher schon, aber wer kann es einem verübeln? Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Dschihadismus bedroht uns akut, und wagen wir es, angesichts dieses Umstands Angst zu empfinden, dann tragen wir die Schuld daran, dass die Täter, die Terroristen, „ihr Ziel erreicht haben“? Geht’s noch? Dass wir es seit Köln in Bezug auf Leid und Angst der einheimischen, nicht-muslimischen Bevölkerung mit einem Lehrstück an Opferverhöhnung und Empathieverweigerung zu tun haben, ist ja bekannt. Mutti jedoch zeigt uns, dass man wirklich immer noch einen oben drauf setzen kann.
Dass die ISler die Absicht hegten, „unsere Bereitschaft, Menschen in Not aufzunehmen“ zu verhindern, halte ich übrigens für den blödsinnigsten Teil dieser Aussage. Zumindest, solange es um Flüchtlingsaufnahme nach Merkelart geht. Warum sollten sie sich die einmalige Gelegenheit zur Infiltration Europas nehmen lassen, die Merkel mit der Freigabe der deutschen Grenzen und des deutschen Staatsgebiets eröffnet hat? Sie werden diese Option solange nutzen, wie sie besteht, und sich vermutlich nen Ast lachen, dass sie ihnen nicht genommen wird. Ihr Primärziel ist es, ungläubige Europäer zu töten, egal auf welche Weise. Der gleichzeitigen massenhaften Einwanderung von Muslimen nach Europa werden sie dabei durchaus Vorteile abgewinnen können.
Was Merkel mit diesem Absatz tatsächlich bezweckt, ist relativ leicht zu durchschauen: Die Rettung ihres offenbar utopisch angelegten Flüchtlingsprojekts, das auf keinen Fall scheitern darf. Deswegen wird eine weitere kritiklose Unterstützung desselben kurzerhand zur Möglichkeit umgedeutet, den Terroristen ein besonders cleveres Schnippchen zu schlagen. Ha! Die Schlächter komm‘ und gehn, Muttis Asylparadies bleibt bestehn.
Flüchtlinge dürfen immer Opfer sein
Bereits zuvor hatte Merkel einen rhetorischen Versuch unternommen, die Flüchtlinge in die Opfergruppe zu verschieben- nach der anfänglichen Äußerung, die Taten von Würzburg und Ansbach würden Deutschland verhöhnen, legt sie nach:
„Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen in einer für sie auch fremden Welt [...]“
Nun ja, manche flüchten vor Krieg und Gewalt, manche migrieren eher aus wirtschaftlichen Gründen- in jedem Fall handelt es sich bei der Mehrheit der Ankommenden um Muslime. Das ist sonderbar, wo es doch vor allem nicht-muslimische Minderheiten wie Jesiden und Orientchristen sind, die, übrigens nicht nur im IS-Gebiet, akuter Verfolgung, teils mit genozidalen Absichten, ausgesetzt sind. Jedenfalls gilt auch hier: Wenn Muslime Nicht-Muslime morden, dann tragen andere, unbeteiligte Muslime natürlich keine Schuld daran. Kollektivschuld existiert nicht. Das bedeutet nun aber nicht, dass Muslime, seien sie Flüchtlinge, Migranten oder Einheimische, in einer solchen Situation irgendeinen Opferstatus für sich beanspruchen könnten. Wenn Muslime Nicht-Muslime aus ideologischen Gründen töten, dann sind es ausschließlich die nicht-muslimischen Opfer, die verhöhnt, gedemütigt und entrechtet werden. Jede gegenteilige Behauptung relativiert ihr Leid. Es behauptet ja auch niemand, die Nazis hätten den friedlichen Teil der Deutschen verhöhnt. Exakt diese Argumentationsfigur ermöglicht es dem muslimischen Kollektiv, auch im Fall eindeutiger muslimischer Täterschaft eine, freilich unbegründete, Opferhaltung einzunehmen. Vielen Diskursakteuren scheint nicht bewusst zu sein, wie gefährlich das ist: Nichts verhindert die dringend benötigte innermuslimische Aufarbeitung ihres Terror- und Faschismusproblems mehr als eben dieses Angebot, sich im Fall unbequemer Vorkommnisse in der Komfortzone der Viktimisierung einrichten zu können.
Fortsetzung folgt.
(Ich gebe mir Mühe, am Freitagabend Teil 2 fertigzustellen und hochzuladen).