In der Diskussion von Fragen, die moralische Pflichten und Rechte von Menschen betreffen, fällt manchmal der Begriff der Gleichheit. Darunter wird selten verstanden, dass alle Menschen faktisch gleich sind, also ein jeder dieselben Eigenschaften hat. Viel häufiger wird die Begrifflichkeit in einem ethischen Sinne aufgefasst und als Entgegnung auf ein Argumentationsmuster verwendet, das moralisch irrelevante Unterschiede zwischen Menschen zur Rechtfertigung von Diskriminierung benutzt. Heutzutage sind sich die meisten Leute darin einig, dass sich sexistische oder rassistische Auffassungen auf diese Weise nicht begründen lassen. Wer allerdings mithilfe des Begriffs moralischer Gleichheit argumentiert, der sollte sich mit der Frage beschäftigen, worin diese genau besteht. Meine Überlegungen dazu möchte ich im Folgenden kurz zusammenfassen.
In der Geschichte der Ethik gibt es zwei große Strömungen, die deontologische und teleologische. Letztere befasst sich mit der Beurteilung von Konsequenzen einer Handlung gemäß dem Maßstab eines höchsten Ziels, zumeist Glückvermehrung oder Leidminimierung. Deontologische Konzepte hingegen betrachten nicht die Konsequenzen einer Verhaltensweise, sondern ob sie mit gewissen Prinzipien vereinbar ist. So würden manche strenge Deontologen wie Immanuel Kant eine Lüge oder einen Diebstahl ungeachtet der Umstände oder Konsequenzen ablehnen, weil sie ihren Prinzipien widersprechen. Wie man bereits vermuten könnte, waren beide Strömungen großen Schwierigkeiten ausgesetzt, weshalb sich Mischformen einer wachsenden Beliebtheit erfreuten. Ich möchte nun eine solche Auffassung erläutern, nämlich das interessensorientierte Moralkonzept.
Den Anstoß fand dieser Artikel in einer Diskussion, die ich vor einiger Zeit führte, in der die Tötung von Tieren für die Fleischproduktion dadurch gerechtfertigt wurde, dass dieser Zweck Ursache ihrer Geburt war. Denn unter der Voraussetzung, dass sie gut gehalten wurden und daher bis auf den Tag der Schlachtung ein einigermaßen glückliches Leben hatten, entspricht dies dem Gedanken der Vermehrung des Glücks; sowohl beim Tier, das dieses Leben führte, als auch beim Konsumenten, der sich am Geschmack erfreut. Hingegen wäre es, wenn es keinen Fleischbedarf geben würde, nicht zur Geburt und daher auch nicht zur Vermehrung des Glücks gekommen; weder beim Tier noch beim Konsumenten.
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Aus rein teleologischer Sicht ist das, wenn man die Voraussetzung akzeptiert, ein gültiges Argument. Es sieht sich aber mit üblichen Problemen dieses ethischen Zweiges konfrontiert, die schnell erklärt sind. Was nämlich völlig außen vor gelassen wird, ist das Prinzip der moralischen Gleichheit. Dieses besteht darin, jenen Bedürfnissen, denen im selben Ausmaß innewohnt, Glück und Leid zu befördern, dieselbe Achtung zukommen zu lassen; unabhängig davon, wessen Bedürfnisse es sind. Es spielt keine Rolle, ob es meine sind oder deine, ob es die eines Weißen oder eines Schwarzen, die eines Mannes oder einer Frau sind, ob es die eines Menschen oder eines nichtmenschlichen Tieres oder eines Außerirdischen sind.
Augenscheinlich spielt es auch keine Rolle, ob jemand für das Leben des Trägers eines Bedürfnisses einen bestimmten Sinn definiert hat. Es gibt keine vernünftige Rechtfertigung dafür, seine Ansprüche aus irgendeinem ethisch irrelevanten Grund zu missachten. Dazu gehört insbesondere die Fremdzuweisung eines Lebenszweckes bei der Geburt. Interessen werden nach dem Potential der ihnen innewohnenden Empfindung beurteilt, und nicht nach irgendeinem Merkmal desjenigen, der das dem Interesse zugrundliegende Bedürfnis hat. Und eben das meinen wir in den häufigsten Fällen, wenn wir von moralischer Gleichheit sprechen.Die Argumentation dieses Prinzips ist geradezu offenkundig: Es steckt das angestrebte Ideal der Gerechtigkeit dahinter. Es läuft diesem Streben zuwider, das Interesse eines Individuums am Fortbestand des Lebens oder irgendein anderes seiner Interessen geringer zu achten, weil es aufgrund fremdbestimmter Zwecke geboren wurde. Dass es dafür keine vernünftige Rechtfertigung geben kann, leuchtet uns sofort ein, wenn wir uns in die Lage des Betroffenen versetzen.
Es ist völlig unvorstellbar, Menschen großzuziehen und in die Gesellschaft zu integrieren, aber sofort zu töten, wenn wir ihre Organe benötigen. Es ist heutzutage wenigstens in weiten Teilen der Welt undenkbar, einen Menschen zum Wohle von fünf anderen zu versklaven. Selbst in Anbetracht einer möglichen quantitativen Glückvermehrung ist uns die dahinterstehende Ungerechtigkeit augenscheinlich. Denn die hier beschriebenen Prinzipien der moralischen Gleichheit und der Gerechtigkeit sind als abstrakte ethische Wegweiser im Bewusstsein der Gesellschaft fest verankert.
Man mag sich die Frage stellen, weshalb in tierethischen Fragen noch immer mit solchen Argumenten diskutiert wird, ohne dass demjenigen, der diese zumeist gar mit großer Überzeugung vorbringt, die Inkonsistenz seines eigenen Wertekonzeptes offenbar wird. Es ist selbstverständlich ein klarer Verstoß gegen das allseits befürwortete Prinzip der moralischen Gleichheit, die Interessen von Lebewesen nur deshalb geringer zu achten, weil sie einer bestimmten Spezies angehören; weil sie etwa, um noch ein anderes Beispiel zu geben, Schweine sind und keine Hunde.
Die Ursache dieses Unverständnisses der völlig offenkundigen Absurdität liegt meines Erachtens in der mangelnden moralischen Erziehung und in der quasi nicht vorhandenen Bewusstseinsbildung für die Bedürfnisse und die Empfindungsfähigkeit von nichtmenschlichen Tieren. Die daraus erwachsende und eben erläuterte Ungerechtigkeit, die man auch Speziesismus nennt, äußert sich tatsächlich als der vielleicht hartnäckigste aller Chauvinismen, die in unserer Gesellschaft zu finden sind. Er findet sich bei allen Leuten, bei den klugen und dummen, bei den gebildeten und ungebildeten, bei den politischen und unpolitischen, bei den nachdenklichen und bei den unüberlegten. Wie man dem Rassismus und dem Sexismus ursprünglich begegnet ist, so kann man auch den Speziesismus nur mit Aufklärung bekämpfen.Dieser Artikel hatte einzig zum Ziel, das oben beschriebene und in der Debatte ausgesprochen häufig vorgebrachte Argumentsprinzip zu entkräften. Wer meine ausführlichere Argumentation für eine vegetarische Lebensweise lesen möchte, sei auf den Artikel 'Warum wir kein Fleisch essen sollten' verwiesen.Liebe Grüße,Mahiat