Wenn man den gegenwärtigen bundesweiten Umfragen traut, erhält die Strache-FPÖ unter allen Parteien mit Abstand am meisten Zustimmung. Beinahe jeder dritte Befragte würde sie zurzeit wählen. Ich weiß nicht, ob dahinter stets eine politische Überzeugung steht oder ob diese Tendenz nicht als Ausdruck von Ängsten und unbefriedigten Bedürfnissen in der Bevölkerung zu deuten ist. Ich denke und hoffe, dass Letzteres zutrifft. Ich beobachte die wachsende Anhängerschaft der FPÖ jedenfalls und nehme sie ernst. Dennoch spreche ich mich klar gegen eine politische Zusammenarbeit mit der FPÖ aus und werde erklären, warum.
Ich beobachte die Freiheitlichen seit mehreren Jahren. Ich habe in diesem Zeitraum alle größeren und wohl auch einen nicht unbeträchtlichen Teil der kleineren Skandale in dieser Partei verfolgt und könnte, wenn ich mein Gedächtnis anstrengen und etwas recherchieren würde, mehrere Artikel darüber schreiben. Ich denke allerdings nicht, dass das notwendig ist. Andere haben das bereits vor mir getan, und ich selbst schreibe auch nicht meinen ersten Beitrag zu diesem Thema. Ich möchte aber zur Verdeutlichung meines Eindrucks eine kurze, unvollständige Zusammenfassung anbieten:
1.) Strache hat in den letzten Jahren mehrmals nachweislich gelogen und betrogen. Ein Teil dieser Lügen bezog sich auf seine Neonazivergangenheit. Ein anderer Teil betraf Darstellungen von bestimmten Geschehnissen oder konkrete statistische Daten, etwa das Einkommen von Asylwerbern. Strache hat diese Lügen in seiner Anhängerschaft verbreitet und damit genau jene Emotionen der Angst und des Hasses genährt, die ihm zu dem Zuspruch verhalfen, den er jetzt erfährt. Ich kenne keinen derzeit amtierenden Politiker, dessen Dreistigkeit auch nur ansatzweise an die seine heranreichen würde; auch wenn andere FPÖ-Politiker sich regelmäßig darum bemühen.
2.) Keine andere österreichische Partei hat eine derart unprofessionelle Diskussionskultur. Rhetorische Fehltritte kommen zwar überall vor, aber nirgendwo sind sie so extrem häufig und so stark ausgeprägt. Die Palette reicht von kleineren Gemeinheiten über infantile Beleidigungen bis hin zu ausgewachsener Menschenverachtung und zu Boshaftigkeit. Die FPÖ spricht eine bestimmte Sprache, die sich auch auf ihre Wähler und manchmal leider auch auf ihre Gegner überträgt. Sie hat einen großen Teil zu dem problematischen Umstand beigetragen, dass der politische Diskurs in Österreich zurzeit so unsachlich ist.
3.) Nirgendwo sonst ist der persönliche Angriff auf politische Mitbewerber so allgegenwärtig, wie auf den Facebookseiten der FPÖ. Eine Geschmacklosigkeit reiht sich an die andere. Die Anhängerschaft liebt diese Posts, während die eher seltenen sachpolitischen Beiträge auf deutlich geringeres Interesse stoßen. Strache lebt davon, die Verantwortlichen aus der Regierung und aus den anderen Oppositionsparteien auf billigste Weise vorzuführen. Obwohl er genug Möglichkeiten für sachliche Kritik an ihrer Arbeit hätte, konzentriert er sich hauptsächlich auf eine Vorgehensweise, die stark an Kindergarten und Volksschule erinnert.
4.) Die FPÖ ist auf jeder politischen Ebene in rechtsradikale Kreise verstrickt. Ich bin mir bewusst, dass Strache versucht, diesem Umstand zu begegnen. Es gelingt ihm aber schlichtweg nicht. Ich glaube ihm auch, dass er ehrlich darum bemüht ist, etwas daran zu ändern; zumindest solange er die Auffassung hat, dass diese Verstrickungen ein Hindernis sein könnten, um die Mitte der Gesellschaft als Wählerschaft zu erreichen. Es gibt allerdings Grund zu der Annahme, dass er diese Auffassung schon verloren hat oder bald verlieren wird. Die Menschen dürften sich wenig dafür zu interessieren, ihr Zuspruch scheint davon jedenfalls nicht sonderlich beeinflusst zu werden.
5.) Hinzu kommt der Eindruck der Kompetenzlosigkeit. Diese manifestiert sich zwar in den häufigen und eher belustigenden Rechtschreibfehlern auf den Plakaten, kommt aber in vielfach besorgniserregenderem Ausmaß im Fehlen von konstruktiven Positionen zum Ausdruck. In schwierigen Fragen der Sozialpolitik oder der Wirtschaft scheint ein Mann vom Fach zu fehlen. Strache steht in jedem Falle im Vordergrund und spult in Interviews seine immergleichen inhaltsleeren Stehsätze ab.
Wir versetzen uns nun in die Lage eines Obmanns einer anderen Partei, der entscheiden muss, ob er eine Zusammenarbeit mit der FPÖ eingeht. Dabei sollten wir alle oben aufgelisteten Punkte berücksichtigen und uns die Fragen stellen: Kann eine solche Koalition im Sinne des Gemeinwohls sein? Kann man der FPÖ einen Reifeprozess zutrauen und erwarten, dass sie als Regierungspartei zu einer anderen Sprache und Rhetorik findet, zu einem anderen Niveau des Diskurses? Ist eine Zusammenarbeit vertretbar in Hinblick auf die Bedürfnisse von sozialen Minderheiten? Wird die FPÖ sich endgültig vom rechten Rand lossagen und Politik für die Mitte der Gesellschaft machen? Wird sie lösungsorientiert und konstruktiv arbeiten? Und kann ich als Obmann, der diese Entscheidung trifft, und der vielleicht mehrmals von der FPÖ beleidigt und vorgeführt wurde, eine solche Zusammenarbeit überhaupt persönlich vertreten?
Die meisten Antworten auf diese Fragen sind ein klares ‘Nein’. Auch wenn sich über manche vielleicht diskutieren lässt, ändert das nichts daran, wie diese Entscheidung ausfallen sollte. Das Argument, dass eine Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der FPÖ undemokratisch sei, kann ich nicht nachvollziehen. Wer überhaupt in die Position gelangt eine solche Entscheidung zu treffen, ist ja selbst demokratisch legitimiert. Seine Wahl sollte wohlüberlegt sein und, ganz nach dem demokratischen Prinzip, vor allem die erste und wichtigste Frage berücksichtigen: Kann eine solche Koalition im Sinne des Gemeinwohls sein? Meine Antwort, die ich hier ausreichend begründet habe, würde negativ ausfallen. Daher lehne ich eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ab, zumindest auf Bundesebene.
Man muss akzeptieren, dass der Wähler das feindselige Verhalten der FPÖ-Funktionäre goutiert. Er selbst wiederum darf sich allerdings nicht wundern, dass kaum jemand mit den unangenehmen Leuten arbeiten will, denen er seine Stimme gibt. Diese Ablehnung kann auch eine persönliche Komponente haben, die Politikern im selben Maße zusteht wie allen anderen Menschen auch. Solange die FPÖ nicht genug Wähler hat, gibt es die Möglichkeiten anderer Koalitionen. Und das ist gut und richtig so, auch aus demokratischer Sicht.Mancher meint, dass das Regieren und zwangsläufige Scheitern der FPÖ die einzige Möglichkeit wäre, um den Ängsten und Bedürfnissen, aber vor allem den falschen Hoffnungen ihrer Wählerschaft zu begegnen. Ich hoffe, dass es auch andere Alternativen gibt und die seriösen Parteien Wege finden, um auf jenen Teil der Gesellschaft einzugehen, den sie zurzeit nicht erreichen können. Ein Regieren und Scheitern der Freiheitlichen würde diesem Land und seinen Menschen nachhaltigen Schaden zufügen.
Liebe Grüße,Mahiat