Der Titel des heutigen Artikels ist der Titel eines meiner Bücher. Um über sein Thema und seinen Inhalt sprechen zu können, sind einige Vorbemerkungen notwendig. Diese hängen mit der Frage zusammen, mit welchen Ansprüchen man philosophische Diskussionen führen sollte. Dabei geht es, und das mag vielleicht überraschen, nicht in erster Linie um Wahrheit. Die starken Argumente der Skeptiker haben ohnehin dazu geführt, dass das Wort 'Wahrheit' selbst von Logikern und Mathematikern nicht mehr gelassen ausgesprochen wird. Ich will mich heute dem Problem widmen, unter welchen Bedingungen es vernünftig ist, an Vermutungen und Thesen festzuhalten, die Teil der empirischen Wissenschaft oder der Metaphysik sind.Aussagen über Objekte oder Eigenschaften von Objekten dieser Welt gelten dann als These einer empirischen Wissenschaft, wenn sie durch die Methoden derselben falsifizierbar sind. Das bedeutet, dass es anderen Menschen möglich sein soll, ihre Gültigkeit mit den Mitteln ihrer Wahrnehmungen zu prüfen. Wer Vermutungen oder eine Theorie aus einer solchen Wissenschaft zur Diskussion stellt, der muss erklären, unter welchen Bedingungen er sie widerrufen würde. Er wird sagen, dass dies der Fall wäre, wenn jemand reproduzierbare Beobachtungen und Erfahrungen präsentieren kann, die im Widerspruch zu seinen Behauptungen oder deren Konsequenzen stehen. Um seine Theorie zu festigen, wird er selbst bemüht sein, möglichst viele Experimente durchzuführen. Eine wissenschaftliche Aussage ist umso bewährter, je öfter sie dem Versuch standhält, sie zu widerlegen. Da eine bewährte Theorie objektiv überprüfbare Übereinstimmung mit der wahrgenommenen Wirklichkeit aufzeigt, ist es vernünftig, daran festzuhalten; obgleich natürlich im Bewusstsein, dass sie stets widerlegt werden könnte. Dies ist die klassische Wissenschaftstheorie nach Karl Popper.Anders verhält es sich mit Aussagen über metaphysische Phänomene, die sich unserer empirischen Anschauung entziehen. Entsprechende Beispiele wären unter anderem viele Sätze, die Gegenstand philosophischer Diskussionen sind, etwa „Es gibt nichts, das existiert.“ (A),  „Es existiert ein Wesen mit der Eigenschaft, allmächtig, allwissend und gütig zu sein.“ (B) oder “Wenn etwas nicht wahrgenommen wird, ist es nicht da.” (C). Ihre Gültigkeit kann nicht mit den Mitteln unserer Wahrnehmung überprüft werden. Wir müssen daher andere Kriterien finden um zu diskutieren, ob die Thesen der wahrgenommenen Wirklichkeit entsprechen, ob es also vernünftig ist, an ihnen festzuhalten.Von einer vernünftigen Behauptung sei zuerst die logische Konsistenz gefordert. Es muss logisch widerspruchsfrei denkbar sein, dass sie zutrifft. So sind etwa die Beispiele A und C logisch konsistent, B aber aufgrund zahlreicher Paradoxa nicht. Weiters sei von einer vernünftigen Aussage eine empirische Konsistenz verlangt und zwar dahingehend, dass sie eine Konvergenz zu den bewährten Thesen der empirischen Wissenschaften aufweist. Das ist zugegebenermaßen ein recht vage formuliertes Kriterium, und im Rahmen dieses Beitrags habe leider nicht die Möglichkeit, es näher auszuführen. Einen Eindruck bietet aber wiederum die Betrachtung von A, B und C. Unter diesem Aspekt sind nämlich alle drei Beispiele unvernünftige Sätze. Es läuft etwa den empirischen Wissenschaften in höchstem Maße zuwider davon auszugehen, dass sie nach A gar keine Untersuchungsobjekte haben. Beispiel B steht zwar nicht im Widerspruch zu bewährten Thesen, unterstützt diese aber auch nicht. Es hat schlichtweg keinen Bezug zu ihnen. Gegen C hingegen spricht, dass die Empirie in keinster Weise nahelegt, dass es ein wahrnehmendes Bewusstsein zur Aufrechterhaltung von Naturgesetzen und physikalischen Prozessen benötige.An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass eine Aussage tatsächlich auch zutreffend sein könnte, obwohl sie logisch inkonsistent oder nicht im Einklang mit den empirischen Wissenschaften ist. Schließlich kann ja niemand sicher wissen, ob alle Geschehnisse unseres Universums den logischen Regeln genügen und ob unsere wissenschaftlichen Mittel, Methoden und Fähigkeiten überhaupt geeignet sind, die Phänomene darin zu untersuchen. Jedoch ist es zweifellos unvernünftig, von der Gültigkeit einer Sichtweise auszugehen, die allen Maßstäben der Erkenntnis zuwiderläuft, die wir als Menschen besitzen. Und eben das ist auch die Rechtfertigung für meine Kriterien. Solche Sätze, wie ich sie etwa an den Beispielen A, B und C demonstrierte, erfüllen diese Grundforderungen nicht und sind daher nutzlos für den, der als Mensch all seine Möglichkeiten weitestgehend nutzen will, um die Welt zu verstehen, in der er lebt. Vielmehr noch: Wer lange über sie nachdenkt, der sieht ein, dass sie, wenn auch die Worte etwas bedeuten, schlussendlich gar nichts sagen, weil es für uns gleich ist, ob sie zutreffen oder nicht.Ob eine metaphysische Aussage logisch konsistent ist und eine Konvergenz zu den bewährten Thesen der empirischen Wissenschaften aufweist, darüber kann eine sachliche und argumentative Diskussion geführt werden. Dadurch wird deutlich, dass es auch in der Philosophie objektive Gütekriterien für die Diskussion von Aussagen, Vermutungen und Theorien geben kann. Gemäß den hier besprochenen Prinzipien habe ich die metaphysische Frage diskutiert, ob wir in einem kausal deterministischen Universum leben, ob also alle Geschehnisse eindeutig bestimmte Auswirkungen von Ursachen sind. Daraus ist das eingangs erwähnte Buch entstanden, das ich interessierten Lesern ans Herz legen möchte: https://nachtliteratur.wordpress.com/bucher/wir-sind-berechenbar/ Darin erkläre meine Sicht auf dieses traditionsreiche philosophische Problem und argumentiere für ihre Plausibilität. Im selben Rahmen werden die Fragen nach der Freiheit des Willens und nach der Objektivität von Wahrnehmungen und Bewertungen besprochen. Diese Diskussionen gehen in ethische Betrachtungen über und finden ihren inhaltlichen Höhepunkt schließlich in der Auseinandersetzung mit juristischen und sozialpolitischen Problemen. Behandelt wird etwa der moralische Begriff der Schuld in Zusammenhang mit einer vernünftigen Grundlegung des Strafrechts. Ich werde einen künftigen Blogbeitrag dafür verwenden, diese Punkte etwas ausführlicher darzustellen.Liebe Grüße,Mahiat

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