Foto Manfred Breitenberger
Als Sohn eines jüdischen Lederwarenhändlers, der Auschwitz überlebte, wurde der französische Philosoph Alain Finkielkraut am 30. Juni 1949 in Paris geboren. Finkielkraut lehrt Philosophie an der École polytechnique, ist Mitglied der Académie française und gehört mit André Glucksmann, Bernard-Henri Lévy, und Pascal Bruckner zu den bekanntesten Intellektuellen der „Neuen Philosophen“ die den Humanismus über gemeinschaftliche und ideologische Ideale stellen.
Einerseits bezeichnete Finkielkraut 2013 den Front National als „die einzige Partei, die die Franzosen mit ihrer verunsicherten Identität ernst“ nehme und beklagte zu gleich das Marine Le Pen sich dadurch herausnehmen kann, sich als Verteidigerin der republikanischer Werte darzustellen und andererseits unterstützte Finkielkraut bei den Vorwahlen der Linken den ehemaligen Premierminister Manuel Valls. Als Finkielkraut im Februar 2019 am Rande einer Demonstration der Gelbwestenbewegung in Paris Opfer antisemitischer Pöbeleien und Übergriffe durch radikale Islamisten wurde, entbrannte in Frankreich erneut die Diskussion um den muslimischen Antisemitismus, der schon oftmals in Mord und Folter an französischen Juden seinen Höhepunkt fand, weswegen in Frankreich jedes Jahr tausende Juden nach Israel oder in die USA auswandern.
So hat beispielsweise in Toulouse im März 2012 der islamistische Terrorist Mohammed Merah in einer jüdischen Schule drei jüdische Kinder und einen jüdischen Lehrer jeweils mit einem aufgesetzten Kopfschuss ermordet.Einem angeschossenen jüdischen Mädchen lief er hinterher, packte es an den Haaren um es mit angelegter Pistole hinzurichten. In Frankreich werden Juden ermordet, weil sie Juden sind und die Abstände der islamischen und antisemitischen Morde werden immer kürzer, so wurde beispielsweise im Jahr 2006 Ilan Hamili aus Paris von einer Gruppe muslimischer Einwanderer über einen Zeitraum von drei Wochen zu Tode gefoltert. 2015 wurden vier Juden von einem Islamisten in einem koscheren Supermarkt erschossen, bevor die Polizei den Laden stürmte und die restlichen Geiseln befreite. Die jüdische Ärztin Sarah Halimi war im April 2018 von ihrem muslimischen Nachbarn misshandelt und aus dem Fenster geworfen worden, weil sie Jüdin war. Im selben Jahr wurde die 85-jährige Holocaust-Überlebende Mireille Knoll ermordet.
In seinem Essay „Die vergebliche Erinnerung - Vom Verbrechen gegen die Menschheit“ von 1989 setzt sich Finkielkraut mit der Verteidigung im Prozess von 1987 gegen den „Schlächter von Lyon“, den SS-Obersturmführer Klaus Barbie auseinander. Die drei Verteidiger Barbies, der Kongolese M'Bemba, der Algerier Bouaita und der Franzose Vergès traten im Prozess selbst als Ankläger auf. Sie relativierten während des Prozesses den Mord an den Juden um auf das "viel größere Verbrechen" des Rassismus abzulenken, „dass die Vernichtung der Juden ein Verbrechen von allenfalls lokalem Interesse, ein Blutstropfen Europas im Ozean des menschlichen Leidens sei und folglich allein das Gewissen der Weißen zu beunruhigen habe“, während in Wahrheit der unerklärte und von keinem Gericht geahndete Krieg der imperialistischen Staaten gegen die Dritte Welt den Gang der Geschichte bestimme: „Als Weiße vergießt ihr Tränen über das weiße Schicksal. Als Europäer bläht ihr einen Familienzwist zum Weltkonflikt und unverjährbaren Verbrechen auf. So von euch eingenommen wie ihr seid, so unempfindlich seid ihr für das Leid der wirklich Unterdrückten, ihr leckt eure eigenen Wunden und erhebt die Juden, das heißt euresgleichen, zu einer verfemten Nation, zu erwählten Märtyrern, um mit Hilfe jener Prüfungen, die ihr einmalig durchgemacht habt, leichter die Misshandlungen zu vergessen, die ihr ohne Unterlass die Völker des Südens erleiden ließet und lasst. Doch ... so laute und so lange ... Schluchzer über die Verbrechen der Nazis ihr auch hören lasst, so sind wir doch da, ... und unsere polychrome Anwesenheit beweist, dass trotz all eurer Anstrengungen die Manipulation misslungen ist. Durch uns lacht die ganze Menschheit über euch und erklärt, dass euer Desaster nicht ihre Sache ist.“
So unfassbar es auch klingen mag, im antirassistischen Weltbild der Verteidiger Barbies ist die Feststellung von der Singularität der Shoah rassistisch. Der Barbie-Prozess wurde durch die Verteidiger Barbies laut Finkielkraut, durch „die beispiellose Kumpanei von Repräsentanten der Dritten Welt mit einem Nazi-Folterspezialisten zum Spottbild der Nürnberger Prozesse.“
Bereits in seinem wegweisenden Essay von 1987, der „Niederlage des Denkens“, welcher aktueller denn je ist, beginnt seine Kritik an „der Barbarei der modernen Welt“.Johann Gottfried Herder, der mit seiner Behauptung des „Volksgeistes“ als erster die übernationalen Werte der Aufklärung wieder auf nationale, regionale Gegebenheiten zurückführt, ist in dem Essay der Prototyp antiaufklärerischen Denkens. Der Text ist ein Rundumschlag gegen Neostrukturalisten, Identitäre, die damals noch „neue Rechte“ hießen, sowie Multikulti-Anhängern, die er "Dritte-Welt-Anhänger" nannte. Finkielkraut wirft Ethnologen wie Lévy-Strauss, Soziologen wie Michel Foucault, antikolonialistischen Befreiungskämpfern wie Frantz Fanon, welche die „Zurückgebliebenheit“ der „primitiven Kulturen“ aufwerten, die den „Eurozentrismus“ des „weißen Mannes“ geißeln, antiaufklärerische Positionen vor. Alain Finkielkraut weist auf den Grundwiderspruch der Aufklärung hin: „Das Gebot der Toleranz gegenüber jedweden Ausdrucksformen anderer Kulturen stammt aus der Aufklärung und steht zugleich dem aufklärerischen Prinzip der Universalität des autonom denkenden Menschen entgegen.“ Finkielkraut kritisiert den Verfall des Denkens durch das "Wuchern" des Kulturbegriffs. Damit würde das notwendige Spannungsfeld zwischen dem Respekt vor fremden Kulturen und der menschlichen Vernunft aufgehoben. Der weltweite Anspruch auf Einhaltung der Menschenrechte, den die Aufklärung formuliert und der in die Charta der Vereinten Nationen aufgenommen wurde, zerfällt. Scharf wendet sich Finkielkraut gegen jeden Kulturrelativismus, denn die Kritik an der islamischen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zerstöre nicht deren Gemeinschaft, aber die Toleranz gegenüber der Menschenverachtung der fremden Kulturen setzt ein überkommenes Denken in Begriffen der kulturellen Identität voraus. Finkielkraut kritisiert das antirassistische Weltbild, das sich selbst rassistischer Argumente bedient und das die Dimension von Auschwitz nicht verstanden hat.
Am Ende des Kapitels „Portrait des Entkolonialisierten“ schreibt Finkielkraut: Denn in dem Moment, wo man dem anderen Menschen seine Kultur zurückgibt, nimmt man ihm seine Freiheit: sein Eigenname verschwindet im Namen seiner Gemeinschaft, er ist nur noch ein Muster, der austauschbare Repräsentant einer bestimmten Klasse von Menschen. Unter dem Vorwand, ihn bedingungslos anzunehmen, verbaut man ihm jede Bewegungsfreiheit, jeden Ausweg, verbietet man ihm die Eigenständigkeit, lockt man ihn hinterhältig in die Falle seiner Andersartigkeit; man glaubt, vom abstrakten Menschen zum wirklichen Menschen überzugehen und hebt die Distanz zwischen der Person und ihrer Herkunftsgemeinschaft auf, die die Anthropologie der Aufklärung bestehen ließ und sogar zu festigen versuchte; aus Altruismus macht man den Anderen zu einem einheitlichen Block und opfert darin für dieses Gebilde die anderen in ihrer individuellen Realität. Eine solche Fremdenfreundlichkeit bringt die früheren Besitzungen Europas um die europäische Erfahrung mit der Demokratie.“
Die universellen Menschenrechte die durch die Aufklärung erkämpft wurden sollten nicht zugunsten einer "multikulturellen Gesellschaft" aufgegeben werden. Beispielsweise die religiöse Rechtfertigung dass Frauen minderen Ranges seien ist inakzeptabel.Auch von Zugewanderten, wie von den Europäern selbst muss die Anpassung an die Aufklärung verlangt und die Menschenrechte müssten gegen mittelalterliche Religion und Aberglauben erkämpft und verteidigt werden.Die Gegenrenaissance hat viele Gesichter und sie ist verführerisch, weil sie uns "das Leben im Denken" ersparen will.
Am Ende seines Essays schreibt Finkielkraut: "Die Barbarei hat sich zuletzt also doch der Kultur bemächtigt. Im Schatten dieses großen Wortes nehmen Intoleranz wie Infantilismus zu. Wenn die kulturelle Identität das Individuum nicht in seine Zugehörigkeit sperrt und ihm bei Strafe des Hochverrats den Zugang zu Zweifel, Ironie und Vernunft — zu allem, was es dem Schoß der Gemeinschaft entreißen könnte — verbietet, so tut dies die Freizeitindustrie, jene Schöpfung des technischen Zeitalters, die die Werke des Geistes zu Plunder (oder wie man in Amerika sagt, zu entertainment) macht. Und das „Leben mit dem Denken“ überlässt seinen Platz allmählich der schrecklichen und lächerlichen Gegenüberstellung von Fanatiker und Zombie."
Der Multikulturalismus der die Gleichheit aller Kulturen propagiert, respektiert so gut wie alle kulturellen Bräuche ganz egal, wie reaktionär und menschenverachtend sie auch sein mögen. Laut ihrem Weltbild geht es Frauen in islamischen Gesellschaften nicht schlechter als in westlichen. Ehrenmorde werden mit Familiendramen gleichgesetzt und für den islamischen Terror wird der Westen oder die soziale Not der Terroristen verantwortlich gemacht. Für "antirassistische postkoloniale Linke" ist die Kritik am Islam, Kritik am islamischen Kopftuch rassistisch. So werden Frauenrechtlerinnen und Islamkritikerinen wie Alice Schwarzer, Necla Kelek, Zana Ramadani die das islamische Kopftuch als „Flagge des politischen Islams“ bezeichnen von Antirassisten des Rassismus bezichtigt.
Mitte Juni 2008 wollte der britische Historiker David Littman im Auftrag einer NGO bei einer Sitzung des Rats eine Protesterklärung zur Steinigung von Frauen und zur Verheiratung von Mädchen in Ländern, in denen die Scharia Praxis ist, verlesen. Dazu kam es nicht. Für die Vertreter der islamischen Staaten ist Kritik an der Scharia Rassismus der schlimmsten Stufe. Seither dürfen im UN-Menschenrechtsrat Religionen nicht verurteilt werden, da Kritik an Steinigungen von Frauen oder am Auspeitschen von Frauen wegen Verstößen gegen die Kleiderordnung nach Ansicht der islamischen Vertreter rassistisch ist.
Nachdem in Salzburg am 12. Januar 2020 eine Frau von drei Männern mit Migrationshintergrund überfallen, getreten, mit dem Messer bedroht und ausgeraubt wurde, gingen islamophile Antirassistinnen, für die jede Kritik am Islam ein unverzeihliches Sakrileg ist, in sozialen Netzwerken soweit das Opfer zum Täter zu machen und bezeichneten die überfallene Frau ohne jeden Beleg als „Nutte“, „Betrunkene“ oder "Flittchen“, weil diese es wagte ohne Begleitung um Mitternacht über den Mirabell-Garten nach Hause zu gehen.
Mit rechtlichen Mitteln versuchen mittlerweile in Frankreich islamische Organisationen jüdische islamkritische Intellektuelle wie Alain Finkielkraut, Pascal Bruckner oder auch Georges Bensoussan mundtot zu machen. Ihr "Vergehen" sind vermeintliche rassistische Äußerungen. Islamischen Antirassisten, wie der ägyptische Prediger Yusuf al-Qaradawi wittern in rechtlichen Skandalen eine Chance: "Wir werden euch mit euren demokratischen Gesetzen kolonialisieren", lässt dieser verlauten und bringt damit die Strategie eines Dschihad auf den Punkt. Dieser "juristische Dschihad" nimmt gezielt das Rechtssystem ins Visier. Das Zauberwort ist Rassismus: Die zahlreichen, in Frankreich eingereichten Klagen beziehen sich nicht auf Beleidigung oder Blasphemie, sondern auf angeblich rassistische Äußerungen. Eine unheilvolle Phalanx aus Gläubigen und antirassistischen Aktivisten tut sich zusammen. "Eine wirksame Gegenstrategie kann nur darin bestehen, den Rechtsstaat mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Wer vor Keulen wie "Rassismus" kuscht, hat schon verloren, schreibt Ute Cohen in der Jüdischen Allgemeinen.
Das antirassistische Weltbild ist geprägt von Antisemitismus, der Verharmlosung, der Relativierung oder gar der Leugnung der zumeist mittelalterlichen und grauenvollen Menschenrechtsverletzungen des politischen Islam und nicht zuletzt von wohlfeiler Heuchelei. Unterdrückte, überfallene, misshandelte oder ermordete Frauen, verfolgte Homosexuelle und diskriminierte, verfolgte oder ermordete Juden sind kaum erwähnenswerte Kollateralschäden für die postkolonialen Theoretiker. Islamische Terroranschläge wie die in Paris, in Madrid, in London oder Berlin werden entweder verharmlost oder der Islam wird davon freigesprochen. Wenn Frauen als Freiwild oder Menschen zweiter Klasse behandelt werden sprechen die ideologisch verblendeten Bauernfänger entweder von nicht erwähnenswerten Einzelfällen oder die Frauen sind selbst schuld daran, dass sie Opfer wurden. Diese Haltung der kulturalistischen Ideologen ist längst im Mainstream angekommen.
Rassismus ist eine Gesinnung nach der Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale, wie meistens die Hautfarbe, als „Rasse“ beurteilt und meist diskriminiert werden. Solcherlei Rassismus ist fraglos scharf zu verurteilen und zu bekämpfen. Die Kritik an den Zumutungen des Islam eines Salman Rushdie oder Hamed Abdel-Samad ist wie die Kritik am Christentum eines Karl-Heinz Deschner dagegen keineswegs rassistisch, diese notwendige und mutige Kritik gehört zur Aufklärung wie das Weihwasser ins Weihwasserbecken.
In einer längeren Fassung ebenfalls bei Mission Impossible erschienen