Fotomontage Manfred Breitenberger
Vor gut fünfzig Jahren, am 7. Dezember 1970 fiel Bundeskanzler Willy Brandt am Warschauer Ghetto-Mahnmal auf die Knie. Der Kniefall vor dem jüdischen Widerstand war wichtig für die neue und gute Ostpolitik, aber die systematische Judenverfolgung hat bei Brandt kaum Beachtung gefunden. Noch am 1. Januar 1939 schrieb Brandt im norwegischen „Telegraf og Telefon“: „Der Kampf gegen die jüdischen Kapitalisten ist das Einzige, was vom antikapitalistischen Programm des Nazismus übrig geblieben ist.“ Wie wenig Wert der Kniefall von Warschau hatte zeigte sich nach dem arabischen Überfall, während des Jom-Kippur-Krieges, im Oktober 1973, als Israel einem zweiten Holocaust so nahe war wie nie, verweigerte die Regierung unter Willy Brandt Waffennachschublieferungen durch die USA über deutschen Boden.
Anfang 2010 hielt Shimon Peres, der damalige Präsident Israels, im Bundestag eine beeindruckende Rede zum Gedenktag zur Befreiung des KZ-Auschwitz. Peres erzählte unter anderem wie es war, als er seinen Großvater, der von den Nazis ermordet wurde, das letzte Mal sah. Am Ende erhoben sich die Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen, nur drei von der Linkspartei, Sarah Wagenknecht, Christine Buchholz und Sevim Dagdelen blieben sitzen. Die drei Frauen der Linkspartei waren davon überzeugt Shimon Peres hätte seine Rede zur ideologischen Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran genutzt und er hätte den Iran mit Nazideutschland geleichgesetzt. Wagenknecht meinte darüber hinaus sie könne „einem Staatsmann, der selbst für Krieg mitverantwortlich ist, einen solchen Respekt nicht zollen.“
Der SPD Wahlkämpfer Günter Grass halluzinierte 2012 in einem Gedicht "mit letzter Tinte", dass die „Atommacht Israel den ohnehin brüchigen Weltfrieden gefährdet.” Jakob Augstein, der Herausgeber des antizionistischen „Freitag“ sprang seinem Kameraden bei und verschärfte die Hetze in diversen „Im Zweifel links“ – Spiegel-Kolumnen und verdiente sich so den 9. Platz auf der jährlichen Antisemitismus-Liste des Simon Wiesental Centers. In derselben Liga spielte zeitgleich die „bekennende Israel-Hasserin“ und „Adorno-Preisträgerin“ Judith Butler, sie rief mehrfach zum Boykott gegen Israel auf und bezeichnete die islamfaschistischen Hamas und Hisbollah als legitime soziale Bewegungen.
„Friede heißt für uns Zerstörung Israels. Wir stellen uns auf einen totalen Krieg ein, einen Krieg, der Generationen hindurch dauern wird. Seit im Januar 1965 die Al-Fatah geboren wurde, sind wir der gefährlichste Feind Israels geworden. .. Wir werden nicht ruhen bis zu dem Tag, an dem wir in unsere Heimat zurückkehren und an dem Israel vernichtet ist“ agitierte einstmals der Judenmörder und PLO-Führer Yasir Arafat. Auf ihrem Bundeskongress haben sich im November 2020 die Jusos mit Arafats antisemitischer Fatah-Jugend solidarisiert und zur „Schwesterorganisation“ erklärt. Bereits im November 2012 stellte die damalige Generalsekretärin der SPD Andrea Nahles „gemeinsame Werte“ und eine „strategische Partnerschaft“ zwischen den Terroristen der Fatah und der SPD fest. Nach einem Besuch in Israel ließ der der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seiner „Israelkritik“ freien Lauf und schrieb auf seiner Facebookseite am 14. März 2012: „Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Der ehemalige Parteivorsitzende der Labour Party Jeremy Corbyn, bezeichnete die Judenmörder von Hamas und Hisbollah als seine Freunde und unterstützte den pauschalen Boykott Israels.
Eine Kleine Anfrage im Bundestag am 20.4.2013 der Fraktion „Die Grünen“ lautete: „Könnten sie etwa Richtlinien erlassen, wonach Produkte aus israelischen Siedlungen beispielsweise als „Westjordanland (israelische Siedlungen)“ gekennzeichnet werden müssten?“ Die beinahe wortgleiche Anfrage stellte die Fraktion der NPD bereits im November 2012 im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
In linken, „antirassistischen“, linksliberalen und grün-alternativen Medien, Parteien und Zirkeln wird seit den 1960er Jahren der Staat Israel in unzähligen Artikeln und Reportagen gnadenlos dämonisiert und delegitimiert, so agitierte beispielshalber im Oktober 1973 der „Arbeiterkampf“: „Der Konflikt im Nahen Osten kann nicht anders gelöst werden als durch die Zerschlagung, des Zionistischen Staates“ und "Israel – die blutrünstige und machtgierige Bastion gegen die Völker“ titelte der „Rote Morgen“ (KPD/ML) am 23.11.1974 und die „Autonome Nahostgruppe Hamburg“ meinte 1989: „der Zionismus – „der Feind aller Menschen.“
Woher kommt dieser linke, beinahe religiöse Hass auf Juden und auf den Staat Israel? Warum gehört der Antizionismus zur Linken wie die Enthauptung von „Ungläubigen“ zum Islam? Warum ausgerechnet Israel? Was sind die Wurzeln, die Beweggründe, die Ursachen des linken Antisemitismus?
Die Aufklärung und seine judenfeindliche Tendenz
In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, als die Juden das Ghetto verließen wurde der Widerspruch zwischen Zukunftserwartung und sozialer Wirklichkeit zur Quelle jüdischen Unbehagens und antijüdischer Anfeindung. Krieg, Revolution und gesellschaftliche Umwälzungen wurden einer jüdischen Unterwanderung zugeschrieben. Antisemitische Agitatoren aus Deutschland und Russland verstärkten den traditionellen Antisemitismus, der im Holocaust gipfelte. Nachzulesen ist dies alles in Léon Poliakovs achtbändiger „Geschichte des Antisemitismus.“ Im fünften Band des Standardwerkes behandelt Léon Poliakov die Aufklärung und seine judenfeindliche Tendenz. Voltaire hielt die Juden für eine „minderwertige Menschenart und die allergrößten Lumpen, die die Oberfläche der Erde besudelt haben.“ Carles Fourier der französische Frühsozialist, war ein Antisemit, der die Juden als Parasiten bezeichnete, deren Emanzipation „der beschämendste aller gesellschaftlichen Fehler“ gewesen sei. Der „Zinskritiker“ Pierre Joseph Proudhon, ebenfalls ein Frühsozialist verlangte, alle Juden aus Frankreich zu vertreiben. Der russische Anarchist Michail Bakunin nannte die Juden eine „ausbeuterische Sekte, ein blutsaugendes Volk, alles verschlingende Parasiten die einander fest verbunden sind.“ Adorno und Horkheimer sprechen in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ von „instrumenteller Vernunft“ und schreiben: „Es gibt keinen genuinen Antisemitismus, gewiss keine geborenen Antisemiten. Die Erwachsenen, denen der Ruf nach Judenblut zur zweiten Natur geworden ist, wissen so wenig warum, wie die Jugend, die es vergießen soll. Die hohen Auftraggeber freilich, die es wissen, hassen die Juden nicht und lieben nicht die Gefolgschaft. Diese aber, die weder ökonomisch noch sexuell auf ihre Kosten kommt, hasst ohne Ende; sie will keine Entspannung dulden, weil sie keine Erfüllung kennt.“
Der Antisemitismus hat sich über die Jahrhunderte stets gewandelt und sich den entsprechenden Zeiten angepasst. Es war Karl Marx (1818-1883) der mit seiner Kritik an der politischen Ökonomie die verkürzte Kapitalismuskritik, die antisemitische „Zinskritik“ der Frühsozialisten demaskierte. Beispielsweise im 3. Band des „Kapitals“ macht Marx Proudhon wegen seiner Zinskritik lächerlich. Marx untersucht den Kapitalismus ganzheitlich, er entpersonalisiert ihn und trennt nicht zwischen „gutem“ Produktionskapital und „schlechtem“ Finanzkapital. In seiner kaum gelesenen Frühschrift „Zur Judenfrage“ übernimmt Marx freilich noch kritiklos die zeitgenössischen judenfeindlichen Stereotype, für seine politischen und philosophischen Zwecke ohne sie als Zitate kenntlich zu machen. Die Wurzeln des linken Antisemitismus, des antisemitischen Antizionismus, des heutigen „ehrbaren Antisemitismus“ sind deshalb zweifellos nicht bei Karl Marx, sondern in erster Linie bei Lenin, Kautsky und später bei Stalin zu suchen.
Grundstrukturen der Leninschen antizionistischen Ideologie
Für die Legitimation seiner antizionistischen Propaganda nach dem Zweiten Weltkrieg verwies der kommunistische Ostblock oftmals darauf, dass Wladimir Iljitsch Lenin in seiner Auseinandersetzung mit dem Sozialdemokratischen Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund schon 1903 die Idee eines jüdischen Volkes als „reaktionär“ und den Zionismus als die volksfeindliche und nationalistische „Losung der Bourgeois und Rabbiner, die Losung unserer Feinde“ entlarvt habe.
Im zaristischen Russland lebten um das Jahr 1900 rund 5,2 Millionen Juden, gut 4 Prozent der Bevölkerung und fast der Hälfte der Weltjudenheit. Das damalige Russland hatte als einzige europäische Großmacht die Juden nicht emanzipiert, sondern im Gegenteil die diskriminierende Gesetzgebung stets verschärft. Juden war der Zugang zu Gymnasien und Universitäten beschränkt, ihre Ansiedlung auf dem Land war wegen der „Ausbeutung der Bauern“ verboten, vom Staatsdienst und der städtischen Selbstverwaltung wurden sie ebenfalls ausgeschlossen. Lange Arbeitszeiten, entsetzliche Wohnverhältnisse und Armut bildeten die Lebensbedingungen der jüdischen Massen in ihrem „sozioökonomischen Ghetto.“ Die rechtliche Diskriminierung, wachsender Antisemitismus und Trennung der Lebenssphären von Juden und Nichtjuden beförderten die Ausbildung der jiddischen Kultur und eine verstärkte „nationale“ Orientierung innerhalb der jüdischen Bevölkerung. [1]
Zwischen 1917 und 1921 kam es in Russland zu 1236 Pogromen in 530 Städten und Schtetls, bei denen 60.000 Juden ermordet wurden und eine halbe Million Juden ihr Heim und ihre Habe verlor. Viele hunderttausend Juden wurden unter den Zaren nach Sibirien vertrieben, zwischen 1880 und 1914 verließen rund zwei Millionen Juden Russland. Die Welle mörderischer Gewalt wurde durch Soldateska-Feldzüge in den traditionellen, von den Zaren festgelegten Siedlungsgebieten ausgelöst. Die Propagandisten der „Weißen“ und der ukrainischen Atamane machten die Juden für den Bolschewismus und dessen Verbrechen verantwortlich. Nach der Februarrevolution waren für kurze Zeit alle staatlichen Diskriminierungen der Juden aufgehoben und viele jüdische Revolutionäre, die meisten waren Menschewiki, Sozialrevolutionäre, Bundisten und linke Zionisten, beteiligten sich am politischen Leben. Die Bolschewiki zerstörten mit dem Ruf nach Emanzipation traditionelle religiöse und politische Strukturen. Im Bürgerkrieg waren die Juden überwiegend in der Armee der Bolschewiki, denn der Sieg der Weißgardisten hätte ihre Auslöschung bedeutet.
Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) bekämpfte wie keine andere nichtjüdische Partei den Antisemitismus. Die Begründer der SDAPR, allen voran Plechanow und Lenin, übernahmen die Ablehnung des Antisemitismus und dessen Analyse von Karl Kautsky. Gegen „das Märchen der Zionisten von der Ewigkeit des Antisemitismus“ postulierte Lenin, wie beinahe alle Sozialdemokraten, dass sich dieser sofort nach der sozialistischen Revolution in Luft auflösen werde. Die russische jüdische Bevölkerung reagierte auf Verelendung, Diskriminierung, Antisemitismus und Pogrome mit der Flucht in den Westen, nach Palästina oder sie organisierte sich in der jüdischen Arbeiterbewegung. 1897 schlossen sich in Wilna verschiedene Gruppen der jüdischen Arbeiterbewegung zum sozialdemokratischen „Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund in Litauen, Polen und Russland“, dem „Bund“, zusammen. Der Bund forderte eine „Föderation der Nationalitäten mit vollständiger nationaler Autonomie jeder einzelnen“. Lenin agitierte in mehreren Aufsätzen gegen den Bund, so schrieb er in der Parteizeitung Iskra: „Die wissenschaftlich völlig unhaltbare Idee eines besonderen jüdischen Volkes ist ihrer Bedeutung nach reaktionär. Den unwiderleglichen Beweis liefern die allgemein bekannten Tatsachen der jüngsten Geschichte und der politischen Wirklichkeit. (…) Die jüdische Frage steht so und nicht anders: Assimilation oder Absonderung? — und die Idee der jüdischen »Nationalität« trägt offen reaktionären Charakter nicht nur bei ihren konsequenten Anhängern (den Zionisten), sondern auch bei denen, die versuchen, sie mit den Ideen der Sozialdemokratie in Einklang zu bringen (den Bundisten).“ Die Idee der jüdischen Nationalität widerspricht laut Lenin den Interessen des jüdischen Proletariats, da sie in ihm unmittelbar eine der Assimilation feindliche Stimmung, eine „Ghetto“-Stimmung erzeugt. Lenin berief sich bezüglich des Antisemitismus und des Zionismus stets auf den deutsch-tschechischen Philosophen und sozialdemokratische Politiker Karl Kautsky.
Karl Kautskys Kritik des Zionismus
Karl Kautsky (1854–1938) war nach dem Tod von Friedrich Engels (1820–1895) der führende Theoretiker der Sozialdemokratie. Kautskys Schrift „Rasse und Judentum“ von 1914 fasste alle seinerzeit von sozialistischer Seite gegen den Zionismus vorgebrachten „Argumente“ zusammen. Laut Kautsky sei das zionistische Vorhaben aus pragmatischen Erwägungen „eine „undurchführbare Utopie“ und deshalb abzulehnen. Laut Kautsky sind Juden Stadtmenschen und sie können nicht wieder zu Bauern gemacht werden, weshalb sie wieder aus Palästina emigrieren würden und Kautsky meinte deshalb: „Je mehr für den Zionismus die ökonomische Grundlegung versagt, desto mehr muss der so bequeme Begriff der Rasse aushelfen. […] Palästina als Weltgetto zur Absonderung der jüdischen Rasse von den anderen Rassen, das ist das Ziel des Zionismus geworden.“ Deshalb sei der Zionismus als eine reaktionäre Ideologie abzulehnen: Nicht nur würden die „zionistischen Patrioten“ gegen die historische Tendenz die Erhaltung des Judentums verfechten und den Assimilationsprozess bekämpfen; sie würden vor allein ein jüdisches „Volk“ und eine jüdische „Nation“ propagieren: “In diesem Streben begegnet sich der Zionismus mit dem Antisemitismus wie nicht minder darin, die gesamte Judenschaft aus den heutigen Staaten zu entfernen.“ [3]
1921 fügte Kautsky in die zweite Auflage von „Rasse und Judentum“ noch das Kapitel „Der Zionismus nach dem Weltkrieg“ ein, da sich in Palästina die politischen Verhältnisse entscheidend verändert hatten. Zwar habe die britische Regierung den Juden 1917 in der Balfour-Deklaration eine „nationale Heimstatt“ in Palästina zugesichert, doch trotzdem hätten sich die politischen Chancen des zionistischen Projekts verschlechtert. Kautsky nennt an erster Stelle ein Argument, das in der bisherigen Diskussion kaum eine Rolle gespielt hatte: „Bei den zionistischen Berechnungen wird die arabische Bevölkerung meist völlig ignoriert oder als ein Umstand behandelt, um den man sich nicht viel zu kümmern braucht. Nur gelegentlich erinnert man sich der Tatsache, dass Palästina bereits ein besiedeltes Land ist. Dann nimmt man einfach an, dass seine bisherigen Bewohner verdrängt werden, um den zuziehenden Juden Platz zu machen.“
Der Zionismus verleugne das Recht der arabischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung und proklamiere ihm gegenüber den „Anspruch einer Nation auf Wiederherstellung der Grenzen ihres Staatswesens, wie sie vor Jahrhunderten unter ganz anderen Verhältnissen bestanden hatten“; dieses von den Zionisten reklamierte „historische Recht“ sei aber „unter den vielen veralteten Rechtsansprüchen […] der vermodertste […] Nach dem Recht der Arbeit wie nach dem demokratischer Selbstbestimmung gehört heute Palästina nicht den Juden in Wien oder London oder New York, die es für das Judentum reklamieren, sondern den Arabern im Lande selbst, der großen Mehrheit der Bevölkerung.“ Diese aber drängten bereits jetzt nach Selbstbestimmung gegenüber den Kolonialmächten und lehnten die jüdische Siedlungstätigkeit ab. Daher müsse die jüdische Kolonisation untergehen, sobald die englisch-französische Vorherrschaft über Vorderasien zusammenbreche. Somit bewirke die Politik des Zionismus „nichts anderes […] als dass sie mit ungeheuren Kosten und den größten Opfern der Beteiligten [die Juden] aus Gebieten, in denen die Judenpogrome ihrem Ende entgegengehen, in Gebiete transportiert, in denen solche Pogrome mit größter Macht einsetzen werden, wenn das zionistische Programm auch nur einigermaßen zur Ausführung kommt.“
Kautskys Zionismus-Kritik richtet sich, laut Thomas Haury „gegen den real existierenden Zionismus als nationalistische Ideologie und Bewegung mit dem Ziel einer Staatsgründung in Palästina. Ohne den Antisemitismus als Entstehungsursache des Zionismus zu vergessen, lehnt Kautsky letzteren aus seinen politisch-theoretischen Positionen zu „Nationalismus“ und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker heraus ab. Kautsky hält das Ziel des Zionismus für ökonomisch unmöglich und politisch fatal und glaubt, dass die internationale Klassensolidarität und der Sozialismus alle Probleme lösen würden.“
Die revisionistische sozialistische Seite um den sozialdemokratischen Theoretiker und SPD-Politiker Eduard Bernstein (1850-1932) war mit ihrer Befürwortung des Zionismus entgegen Kautsky der Ansicht dass weder der Sozialismus demnächst kommen noch der Antisemitismus alsbald verschwinden werde. Bernstein der bisher wie Kautsky den Zionismus ablehnte, änderte seine Meinung, nachdem er in der Weimarer Republik erkannte, dass trotz aller Assimilationsbestrebungen der Antisemitismus aggressiver geworden war, desto stärker wurde seine Unterstützung der Siedlungstätigkeit in Palästina. 1928 wurde in Brüssel das sozialistische „Internationale Komitee für ein Arbeiter-Palästina“ gegründet, dem auch Bernstein angehörte.
Antisemitische „Säuberungen“ unter Stalin
Finden sich bei Lenin zahlreiche Affinitäten zu antisemitischen und nationalistischen Denkmustern, so darf seine Politik dennoch nicht mit dem spätstalinistischen Antizionismus gleichgesetzt werden. Zu zahlreich sind die qualitativen Unterschiede, wohl aber schufen die Affinitäten der Leninschen Ideologie, zum antisemitischen Denken eine Ausgangsbasis, die antisemitische Denkmuster ermöglichte.
Die Judenverfolgungen in der Sowjetunion vor 1939 basierten noch nicht auf einer explizit antisemitischen Hetze, sie waren Teil des stalinistischen Terrors, hunderttausende Sowjetbürger gerieten in die Fänge des NKWD weil sie im Ausland waren, im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft haben oder sie vor der Revolution in anderen Parteien organisiert waren. Nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und dem deutschen Angriff auf Polen wurde das Land aufgeteilt. Die Sowjetunion marschierte ein um den bedrohten Ukrainern und Weißrussen zu Hilfe zu kommen, so die offizielle Begründung. Von den 3,3 Millionen Juden lebten 2,1 Millionen in der deutschen und 1,2 Millionen in den von der Sowjetunion annektierten Gebieten. Anfangs förderte die Sowjetunion die jüdischen Selbstwehren und jüdische Kommunisten konnten wichtige Posten in der neuen Verwaltung übernehmen. Gleichzeitig deportierte Stalin mit Berijas NKWD rund 500.000 Juden aus der sowjetisch besetzten Zone nach Sibirien. Unter den verhafteten Juden Polens war der spätere Ministerpräsident Israels, Menachem Begin.
Der deutsche Überfall zwang der Sowjetunion einen Kampf um Leben und Tod auf. Um alle Kräfte gegen den Feind zu mobilisieren, eröffnete Stalin den sowjetischen Juden Freiräume um ihre nationale Kultur zu entfalten. Im Jahr 1941 wurde daher das Jüdische Antifaschistische Komitee mit dem Schauspieler und Theaterdirektor Solomon Michoels als Vorsitzenden gegründet. In den USA wurde darauf unter Albert Einstein der „Jewish Council for Russian War Relief“ eingerichtet und in Palästina die hebräische Antwort zum Aufruf aus Moskau, die „Fünfte Liga.“ Beispielsweise im Februar 1943 hielt Michoels eine schockierende Rede über die Lage der Juden in Gebieten, die von der Roten Armee befreit worden waren. Das JAFK wurde 1943 zu einer großen Einrichtung und arbeitete in Moskau. Der achtzigköpfige Stab des JAFK umfasste rund vierzig jüdische Schriftsteller. Beispielsweise im Februar 1943 hielt Shlomo Michoels eine schockierende Rede über die Lage der Juden in Gebieten, die von der Roten Armee befreit worden waren. [1]
Nach dem Sieg über Nazideutschland schlug Stalin wieder einen anderen Kurs ein. Den Auftakt für die antijüdischen „Säuberungen“ nach dem 2. Weltkrieg bildete die Ermordung von Shlomo Michoels durch Stalins Geheimpolizei im Januar 1948. Im November 1949 wurde das JAFK verboten und am 12.8.1952 wurde auf Befehl Stalins die Elite der jiddischen sowjetischen Schriftsteller, darunter die weltberühmten Dichter Perez Markisch, ltzik Fejfer und David Bergelson hingerichtet, was laut Arno Lustiger ein einzigartig schrecklicher Vorgang in der Weltliteratur war. Einen weiteren vorläufigen Höhepunkt der antisemitischen Hasskampagne markierte das sogenannte „Ärztekomplott“ von Anfang 1953. Am 13. Januar 1953 wurden die angesehensten sowjetischen Ärzte, fast alle waren Juden, angeklagt Mordpläne gegen Stalin geschmiedet zu haben und sich mit „zionistischen Spionen“ verbündet zu haben. Sowjetische Juden wurden entlassen, verhaftet oder hingerichtet. Ein landesweites Pogrom gegen die Juden und die geplanten Massendeportation der russischen Juden nach Sibirien verhinderte einzig und allein der Tod Stalins.
Während Hitler den Antisemitismus offen proklamierte, wagte es Stalin nicht, sich völlig von der internationalistischen Tradition des Kommunismus zu lösen. Es gab noch in den schlimmsten Zeiten der sowjetischen Judenhetze rhetorische Distanzierungen vom Antisemitismus. Nur indem Stalin Juden zu „Zionisten“ umtaufte, konnte er sie ideologiekonform verfolgen. Während Stalin den jüdischen Nationalismus und den Kosmopolitismus ausrotten, die jüdische Kultur und das Nationalbewusstsein der Juden vernichten wollte, war die Vernichtung der Juden als Volk das Ziel Hitlers. Der Judenmord der deutschen Nationalsozialisten war singulär, weil er den radikalsten Versuch eines Genozids darstellte, der jemals unternommen worden ist. Der Holocaust war der Versuch, mit quasi-wissenschaftlichen, rassebiologischen Argumenten und den Mitteln einer modernen Bürokratie, inklusive den technischen Möglichkeiten einer Massentötung von Menschen einen perfekten, lückenlos vollzogenen Genozid zu vollbringen. Dieses Unternehmen steht in der Geschichte der Menschheit einzigartig dar. Hitler betrieb einen Genozid und Stalin blieb auf der Stufe des „Kulturozids mit mörderischen Mitteln“ stehen. Nur aus diesem Grund kämpfte das JAFK an Stalins Seite gegen Nazideutschland und nicht zuletzt befreite die Rote Armee Auschwitz.
1948 unterstützte die Sowjetunion die Gründung des Staates Israel. Ein Grund für diesen erneuten Kurswechsel war auch die damit verbundene Schwächung von Großbritannien in der Region. Angesichts des militärischen Angriffs 1948 der umliegenden arabischen Staaten, war für Israel die einzige Quelle für Waffenlieferungen die im Einflussbereich der Sowjetunion stehende Tschechoslowakei. Die CSSR lieferte unter dem KP Generalsekretär Slánský auf Stalins Wunsch Waffen und Munition für Israel. Wegen dieser Waffengeschäfte und eines angeblichen Putschversuches wurde der jüdische Teil der tschechoslowakischen KP-Führung vier Jahre später der prozionistischen Agententätigkeit angeklagt. Wie in der Sowjetunion unter Stalin wurde ab 1950 in der CSSR der Antisemitismus als Kampf gegen „Kosmopoliten“ und als Kampf gegen den „Zionismus“ verkleidet.
Am 23. November 1951 wurden Rudolf Slánský und seine überwiegend jüdischen Mitangeklagten des Hochverrats, ganz im Sinne des alten Verschwörungsmythos angeklagt. Die moskauhörige tschechische Presse berichtete unentwegt, dass Slánský eigentlich Rudolf Salzmann hieß, und dass er wie zehn der übrigen Angeklagten jüdischer Abstammung war. In den Akten standen neben den Namen der Angeklagten die Worte „jüdischer Abstammung.“ Wenn Namen nicht jüdisch klangen wurden in den Akten und im Urteil die ursprünglichen Namen angeführt, also „Slánský, alias Salzmann“, „Ludvik Frejka, alias Ludwig Freund“, „Andre Simone, alias Otto Katz“ usw. Major Smolá, ein berüchtigter Antisemit und Bewunderer Hitlers war der Chefankläger im Schauprozess gegen Slánský. Der ehemalige stellvertretende tschechoslowakische Außenminister, damals selbst jüdischer Mitangeklagter, Arthur London, schreibt in seinem Buch: „Ich gestehe“ über die Methoden des Staatsanwalts Smolá: „Er packte mich an der Gurgel und brüllte: Sie und Ihre dreckige Rasse, wir werden sie schon noch ausrotten. Nicht alles, was Hitler getan hat, war richtig, aber er hat die Juden vernichtet, und das war gut! Es sind noch viel zu viele von euch der Gaskammer entkommen.“ Rudolf Slánský wurde am 3. Dezember 1952 zusammen mit zehn weiteren fast ausschließlich jüdischen Mitangeklagten zum Tod verurteilt und durch Erhängen hingerichtet. Auch später, in der Breshnew-Zeit kam es zu einer ungeheuren Verschärfung des Antisemitismus unter dem Deckmantel des Antizionismus. Von 1967 bis 1980 erschienen allein in der sowjetischen Presse rund 1.700 antizionistische Karikaturen, deren Stil den „Stürmer“ Karikaturen glichen. [1][3]
Mit und nach dem Zerfall der Sowjetunion wanderten rund eine Million Juden nach Israel aus, was das kleine Land vor enorme Herausforderungen stellte. Am 23. Dezember 1991 verübte der antiimperialistische Kämpfer Horst Meyer von der 3. Generation der RAF mit seinen palästinensischen Kameraden einen Sprengstoffanschlag in Budapest auf einen mit 29 sowjetischen Juden, in erster Linie Familien mit kleinen Kindern, sowie zwei Begleitern besetzten Reisebus aus. Die Juden befanden sich auf einem Ausreisetransit aus der Sowjetunion nach Israel. Auf Grund eines Konstruktionsfehlers der Bombe gab es „nur“ schwerverletzte Begleiter und vier leichtverletzte Juden. Die linke „Freiheitskämpferin“ Andrea Klump war tatbeteiligt, weil sie die Wohnungen in Budapest für die Kameraden angemietet, den dortigen Haushalt geführt und vom Vorhaben gewusst hat, wie sie im Prozess gegen sie im Jahr 2004 gestand.
Nationalbolschewistischer Antisemitismus in der KPD
Die KPD der Weimarer Republik und des Exils 1933 bis 1945 war die direkte Vorläuferin der SED. Der Antisemitismus wurde in der Weimarer Republik infolge der ökonomischen und politischen Turbulenzen in deren Anfangs- und Endphase zu einer weitverbreiteten Grundhaltung. Ab Mitte der zwanziger Jahre begann die KPD als Reaktion auf den wachsenden Antisemitismus, den anfänglich relativ hohen Anteil von rund zehn Prozent von Personen jüdischer Herkunft unter ihren Funktionären insbesondere in der Parteispitze und den Fraktionen nach und nach abzubauen. Im Mai 1924 waren sechs der 62 Reichstagsabgeordneten jüdischer Herkunft, in der hundertköpfigen KPD-Fraktion des letzten Reichstages war kein Jude mehr vertreten.
Der kommunistische Politiker und Journalist Karl Radek (1885-1939) forderte 1923, während der Ruhrbesetzung, nach dem Tod von Albert Leo Schlageter (1894-1923) eine Diskussion innerhalb der KPD über Bündnisse mit rechten Gegnern des Versailler Friedensvertrages. Die Parole Radeks, „die Sache des Volkes zur Sache der Nation gemacht, macht die Sache der Nation zur Sache des Volkes“, sollte für viele Jahre die kommunistischen Versuche bestimmen, den Nationalsozialisten ihre Anhängerschaft abzugewinnen. Schlageter war ein deutscher Freikorpskämpfer, der während der Ruhrbesetzung 1923 gegen die französischen Besatzungstruppen im aktiven Widerstand war. Ein französisches Militärgericht verurteile ihn wegen Spionage und Sabotage zum Tode. Ein Gnadengesuch lehnte Schlageter ab, wodurch er nach seiner Hinrichtung zur Kultfigur für Nationalisten wurde. [4]
„Sowohl während des Schlageterkurses, als auch im Zuge der Propaganda für die Programmerklärung finden sich in der Publizistik der KPD und in Reden ihrer Funktionäre diverse Äußerungen, die ihr schon von Zeitgenossen den Vorwurf des Antisemitismus einbrachten.“ [3] Für die KPD war Antisemitismus ausschließlich eine Klassenfrage. Führende KPD Politiker bescheinigten der extremen Rechten, dass ihr Kampf gegen das jüdische Kapital sie nicht voneinander trenne. Die KPD gehe nur weiter, weil sie auch gegen das christliche Kapital zu Felde ziehe. Ganz in diesem Sinne äußerte sich das ZK-Mitglied Ruth Fischer am 25. Juli 1923 auf einer Versammlung von kommunistischen Studenten, zu denen auch völkische Kommilitonen eingeladen waren: „Sie rufen auf gegen das Judenkapital, meine Herren? Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. Sie sind gegen das Judenkapital und wollen die Börsenjobber niederkämpfen. Recht so. Tretet die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie. Aber, meine Herren, wie stehen Sie zu den Großkapitalisten, den Stinnes, Klöckner?“ 1924 äußerte sich Clara Zetkin zu den innerparteilichen Fraktionskämpfen und beschuldigte dabei einige Parteilinke als faschistische Antisemiten. Ein Sprecher aus der „Brandler Gruppe“ bemerkte: Wir haben bereits vereinzelte antisemitische Unterströmungen in der Partei. Die Genossen die gut beobachten, werden das nicht bestreiten.“ [3]
Die zionistische Lösung auf den zunehmenden Antisemitismus wurde innerhalb der moskautreuen KPD kategorisch verworfen. Im Buch des KPD-Ideologen Otto Heller “Der Untergang des Judentums: Die Judenfrage, ihre Kritik, ihre Lösung durch den Sozialismus“ von 1931 ist zu lesen: „Entstanden als „jüdisch-nationalistische Reaktion auf den Antisemitismus“, sei der Glaube, dass ein Judenstaat die „Judenfrage“ lösen könne, nichts als eine kleinbürgerliche Utopie. Der Aufbau eines kapitalistischen Judenstaates sei nichts als der reaktionäre „Versuch der jüdischen Bourgeoisie, ein eigenes imperialistisches Röllchen am Schwanz des britischen und des amerikanischen Imperialismus zu spielen“: „Unter dem Vorwand, ein rückständiges Land […) modernen Wirtschaftsformen zuführen zu wollen, verelendet und knechtet er in Wirklichkeit, als ein Instrument des britischen Imperialismus, jüdische und arabische Proletarier.“ Der Zionismus sei somit „nichts anderes als ein Element der Konterrevolution“, der Kommunismus daher sein „unerbittlicher Gegner.“
Vorbildhaft sei dagegen laut Heller die sowjetische Lösung der „Judenfrage“: „Die Sowjetunion habe den jüdischen Werktätigen mit Birobidjan eine ganze menschenleere Region zur Besiedlung zur Verfügung gestellt, in dem diese sich ein Paradies erschließen und hierdurch zugleich ihre "Nationalität entwickeln" könnten." Hellers Buch schließt mit den Sätzen: „Die Juden sind in den sibirischen Urwald gegangen. Fragt man sie nach Palästina, so bekommt man ein helles Lachen zur Antwort. Der Palästinatraum wird längst schon der Historie angehören, wenn in Birobidjan Automobile, Eisenbahnen, Dampfer fahren, die Schlote gewaltiger Fabriken rauchen und die Kinder einer freien, jüdischen Arbeiter- und Bauerngeneration in blühenden Gärten herumspringen werden.“ Diese kommunistische Preisung produktiver Handarbeit als „volksbildenden“ Faktor bestand allerdings in einer Ablehnung „unproduktiver“ Vermittlertätigkeiten. Diese antisemitische Tendenz tritt deutlich zutage, wenn Heller den Zionismus kritisiert, es sei keine „Lösung der Judenfrage“, „die Trödler und Hausierer aus Podolien in Palästina als Trödler und Hausierer anzusiedeln“, und statt dessen begeistert für die „soziale Sanierung der jüdischen Bevölkerung“ durch die Erschließung Birobidjans plädiert: „Der Jude wird Arbeiter.“
In den letzten Jahren der Weimarer Republik bemüht sich die KPD sogar „Verbindungen“ zwischen „jüdischen Kapitalisten“ und der NSDAP herauszustellen. Da die NSDAP vermeintlich auch von „jüdischen Kapitalisten“ unterstützt werde, so die KPD, reiche der Antisemitismus der NSDAP nur so weit, als er deren Interessen nicht tangiere. Immer wieder zog das Zentralorgan der KPD das Fazit: „Die Judenhetze dient den Nazis nur zur Irreführung ihrer Anhängermassen. Sie selbst werden dem reichen Juden nicht ein Haar krümmen, wie auch Mussolini den reichen Juden kein Haar gekrümmt hat.“ Und das ZK postulierte weiter: Der Faschismus sei weder in der Lage noch gewillt, auch nur ein „einziges Element der kapitalistischen, als „raffend“ oder „jüdisch“ bezeichneten Wirtschaft anzutasten. Jüdisches und nichtjüdisches Kapital sind untrennbar miteinander versippt und verquickt, auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Jüdisches Geld nährt auch den Faschismus, so die KPD.
Antizionismus nach 1945 in der Deutschen Demokratischen Republik
Die DDR verstand sich als antifaschistischer Staat, Kommunisten waren schließlich die ersten Opfer der nationalsozialistischen Barbarei. Der Holocaust, die Vernichtung der europäischen Juden, wurde in der DDR kaum thematisiert. Bereits die Moskauer Exilfraktion der KPD hatte eine unzureichende Sicht auf Juden und Antisemitismus im Nationalsozialismus. Eine positive Ausnahme diesbezüglich bildete nur die mexikanische Exilfraktion der KPD um Paul Merker. Die SED präsentierte sich als „Vortrupp des deutschen Volkes“ im nationalen Befreiungskampf gegen „imperialistische Okkupation“ und gegen die „Dollarzinsknechtschaft.“ Der „amerikanischen Unkultur“ setzte die SED die „deutsche Kultur“ entgegen und die „volksverbundene Kunst“ stand im Klassenkampf der SED über dem „wurzellosen Kosmopolitismus.“ Antisemitismus, Antiimperialismus und kommunistischem Nationalismus waren der Hauptbestandteil der Anti-Kosmopolitismus-Kampagnen dieser Zeit. Für den kommunistischen Nationalismus der SED waren die Juden der perfekte Feind, denn alle Juden galten des Zionismus verdächtig. Die DDR-Führung halluzinierte eine jüdische Mitschuld am Faschismus, während Schuld Täterschaft der deutschen Bevölkerung in der DDR der 1950er Jahre so gut wie nicht thematisiert wurde. Der spätstalinistische DDR-Antizionismus war daher eine eindeutige Form des „Antisemitismus nach Auschwitz. “ [3]
Wie die Sowjetunion begrüßte auch die SED 1947 den UN Teilungsplan Palästinas und äußerte bis 1950 deutliche Sympathie für den jüdischen Staat. Israel wurde als fortschrittliches Staatswesen betrachtet, das sich gegen die Aggression der von England unterstützten arabischen Feudalherren zur Wehr setzen müsse. Anfang 1948 hatten Zuckermann, Merker und Meyer angesichts der proisraelischen Haltung des Ostblocks versucht Wiedergutmachungszahlungen an Israel ins Gespräch zu bringen. Am 12. März 1952 übergab die israelische Regierung den vier Siegmächten eine Note, in der sie als finanzielle Entschädigung für die von den Nationalsozialisten verübten Verbrechen von der BRD eine und von der DDR eine halbe Milliarde US-Dollar forderte. Die Sowjetunion verwies darauf, dass erst nach einem Friedensvertrag darüber verhandelt werden könne und im Zuge des Slánský Prozesses von 1952 lehnte die DDR dann jede Wiedergutmachung mit der Begründung ab, diese würde allein „israelischen Großkapitalisten“ und zionistischen Monopolkapitalisten“ zu Gute kommen. Spätestens ab 1951 war extremster Antizionismus die oberste Staatsdoktrin aller Ostblockstaaten. [3]
Anfang der 1950er Jahre brach die antijüdische Hysterie auch in der DDR aus. Im „Neuen Deutschland“ wird am 30. November 1952 vom großen Prozess gegen den Juden Rudolf Slánský und 13 jüdischen Mitangeklagten berichtet. Geständnisse und Urteile wurden seitenlag dokumentiert. Am zweiten Verhandlungstag gestand, laut „ND“, der Angeklagte Bedrich Geminder, dass er dem deutschen Trotzkisten Paul Bender Spionagematerial geliefert habe. Paul Merker habe im Dienste des Imperialismus und Zionismus Propaganda betrieben. Im Leitartikel stand: „Die Vernichtung der Slánský -Bande – ein Sieg der Friedenskräfte.“ Die „Entlarvung“ der „Ärzteverschwörung“ im Kreml wurde bekanntgegeben und Artikel mit Überschriften: „Den Zionismus entschieden bekämpfen!“ erklärten den Staat Israel zur „zionistischen Agentur des amerikanischen Imperialismus.“ Der „Nichtjude“ Paul Merker, wurde als Zionist aus seinen Ämtern entlassen und er sollte der „deutsche Slánský“ werden. 1952 befahl die Sowjetunion der DDR alle Juden zu registrieren. Durch die Säuberungswelle verlor die DDR mehr als die Hälfte ihrer staatstreuen jüdischen Bürger. Zugleich wurde tausenden von ehemaligen Nazis und Wehrmachtsoffizieren per Gesetz im Oktober 1952 ihre volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung in der DDR garantiert, wodurch sie im Staatsdienst eingesetzt werden konnten. Neben Paul Merker wurden viele weitere „jüdische“ Genossen verhaftet, wie beispielsweise Leo Bauer, Chefredakteur des Deutschlandsenders, Bruno Goldhammer, Intendant des Berliner Rundfunks, Staatssekretär Paul Baender, der erste Vorsitzende der „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ Jürgen Kuczynsky der Generalsekretär des DDR Kulturbundes Alexander Abusch, Gerhard Eisler und viele andere Kommunisten jüdischer Abstammung wurden aus ihren Funktionen entlassen. Am 4. Januar 1953 schrieb das ND: „Unter jüdisch-nationalistischer Flagge segelnd, getarnt als zionistische Organisation und als Diplomaten der amerikanischen Vasallenregierung Israels, verrichten diese amerikanischen Agenten ihr Handwerk.“ [3]
1967 forderte die SED von allen sozialistischen Ländern ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen. Die ideologischen Affinitäten zwischen den antisemitischen, arabischen Staaten und der DDR speisten sich aus dem gemeinsamen Antiimperialismus. Die DDR verurteilte den Zionismus als „faschistische Ideologie“ und belegte ihren Antisemitismus in Reden und diversen Publikationen mit Gleichsetzungen von Israel mit Nazideutschland. Zwischen 1967 und 1989 lieferte die DDR „Solidaritätsgüter“ zum Teil kostenfrei an die arabischen Staaten und an die militanten Palästinenserorganisationen, die sich mit Israel im Krieg befanden: 750.000 Kalaschnikow-Sturmgewehre, 120 MiG-Jagdflugzeuge, 180.000 Tretminen, 235.000 Granaten, 25.000 Panzerbüchsen (RPG) und 25 Millionen Patronen unterschiedlicher Kaliber. Darüber hinaus reparierten und warteten ostdeutsche Mechaniker in diesen Jahren 350 MiG-Jagdflugzeuge der irakischen und syrischen Luftwaffe. Von 1972 bis 1989 absolvierten über 3000 ausländische Militärkader eine Ausbildung an ostdeutschen Militärschulen, darunter mehrere hundert aus Syrien, Irak, Libyen und der PLO. Schließlich schickte Ost-Berlin weitere Ausrüstungsgegenstände für militärische Zwecke: Ferngläser, Zelte, Fallschirme, Rundfunkgeräte, Feldlazarette, Zünder und Sprengstoffe. Unzählige verletzte arabische Terroristen und Soldaten wurden in den Krankenhäusern der DDR gesund gepflegt. [7]
Alle Maßnahmen von Staat und Partei mussten innerhalb des ideologischen Systems, der marxistisch-leninistischen Weltsicht begründet und legitimiert werden. Zum „Hauptfeind des deutschen Volkes“ wurde der US-Imperialismus erklärt. Laut SED agiert eine kleine Gruppe von „Weltimperialisten“ und „Dollarkönigen“ um die „Weltherrschaft des Dollarimperialismus“ aufzurichten und die als die wahren Herren von Amerika personifiziert die SED „habgierige Milliardäre“ wie Morgan, Rockefeller, Mellon und Lamont. Neben Personifizierung und Verschwörungstheorie findet sich in der SED Propaganda ständig die strukturell antisemitische Entgegensetzung von Banken, „Finanzhyänen“, „Raubtieren der Wallstreet“ gegen „Volk und Arbeit.“ [7]
Thomas Haury schreibt in seinem Buch „Antisemitismus von Links“: „Die durch die Assimilierung des Antisemitismus an den Marxismus-Leninismus entstandenen Modifikationen machen den spätstalinistischen Antizionismus zu einer prototypischen Form des Antisemitismus nach Auschwitz. Dies zum ersten allein schon deshalb, weil er sich nicht gegen „Judentum“ oder „Juden“, sondern gegen „Zionismus“ und „Zionisten“ zu wenden behauptete und nicht rassisch argumentierte. Diese „Tarnung“ als erstes wichtiges Merkmal war insbesondere für den Kommunismus unverzichtbar, da er sich ja als wesenhafter Gegner des Faschismus verstand und auch von daher jede Assoziation zum Antisemitismus vermeiden musste.“
Antizionismus nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland
Nach der durch Auschwitz gesetzten Zäsur konnte der Antisemitismus weder in alter Form, noch als offener Antisemitismus fortbestehen, so wurde Auschwitz zur neuen Quelle eines „sekundären Antisemitismus.“ Allen Versuchen der Verleugnung, Entschuldung und Relativierung des Nationalsozialismus war die Schranke Auschwitz gesetzt und der Antisemitismus nicht trotz, sondern ein „Antisemitismus wegen Auschwitz“ war geboren.
Die Neue Linke der 60er Jahre formierte sich mit guten Argumenten gegen den Krieg in Vietnam und die nachnazistischen autoritären bundesdeutschen Zustände und Kontinuitäten, verlor aber jede Glaubwürdigkeit nach dem 6-Tage-Krieg von 1967. Innerhalb kurzer Zeit kippte die Haltung der Neuen Linken von einer gemäßigten pro-arabischen Neutralität zur überschäumenden Verurteilung Israels als „imperialistisch-faschistisches Staatengebilde“, als „Brückenkopf der USA im Nahen Osten“, während die antisemitische Al Fatah zur Avantgarde der Sozialrevolutionäre in der 3.Welt hochstilisiert wurde. Um den ersehnten Schulterschluss mit den Eltern vollziehen zu können, wehrte die Neue Linke, wie die beinahe die gesamte 68er Studentenbewegung in ihrem Hass auf Israel jede Erinnerung ab, als würden sie „von einer unsichtbaren Hand aus dem Führerbunker gelenkt.“ Bereits im September 1967 verabschiedete die wichtigste Organisation links von der SPD, der SDS einen strikt antizionistischen Kurs. 1969 sprengte der SDS mit palästinensischen Studenten mehrere Vortragsveranstaltungen des israelischen Botschafters Asher Ben-Natan. Theodor W. Adorno schreibt am 19. Juni 1969 in einem Brief an seinen in San Diego lebenden Kollegen Herbert Marcuse: „Nachdem man in Frankfurt den israelischen Botschafter niedergebrüllt hat, hilft die Versicherung, das sei nicht aus Antisemitismus geschehen, und das Aufgebot irgendeines israelischen APO-Mannes nicht das mindeste […] Du müsstest nur einmal in die manisch erstarrten Augen derer sehen, die, womöglich unter Berufung auf uns selbst, ihre Wut gegen uns kehren.“ [6]
Während mehrere SDS-Gruppen 1969 von Frankfurt nach Amman flogen um sich von der Fatah militärisch ausbilden zu lassen, kritisiert Jean Améry in der „Zeit“ die innerhalb der Neuen Linken stets stärker werdende antiisraelische, antisemitische Haltung. In Westberlin wurden inzwischen von linken Gruppen jüdische Gedenkstätten geschändet, zu lesen sind die Worte „Schalom“, „El Fatah“ und „Napalm“. Die Buchstaben sind mit schwarzer und grüner Farbe angemalt worden, den Nationalfarben Palästinas. Nach dem Bomben-Anschlag der Tupamaros West-Berlin auf das Jüdische Gemeindehaus am 9. November 1969 erhält der Vorsitzende, Heinz Galinski eine auf Band aufgenommene Drohung, nach 15 Sekunden dauernden Ticken ertönt eine Frauenstimme: „Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus hat gezündet. Berlin dreht durch, die Linke stutzt … Springer, Senat und die Galinskis wollen uns ihren Judenknacks verkaufen. … Bei uns ist Palästina, wir sind Fedajin. Heute Nachmittag kämpfen wir für die revolutionäre palästinensische Befreiungsfront Al-Fatah! Schlagt zu!“ Albert Fichter von den „Tupamaros Westberlin“ legte am 31. Jahrestag des Novemberpogroms von 1938, im Auftrag des späteren Grünen-Politikers Dieter Kunzelmann die Bombe, um gegen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern zu protestieren und die „palästinensische Revolution“ unterstützen. [5]
Europa war im Februar 1970 der Ausgangspunkt der opferreichsten Terrorwelle die es nach dem Zweiten Weltkrieg in Mitteleuropa gegeben hat. Innerhalb von nur elf Tagen ereigneten sich in München mit zwei versuchten Flugzeugentführungen, zwei Bombenanschlägen auf Flugzeuge und einem Brandanschlag auf ein jüdisches Altenheim fünf verschiedene Terroraktionen, die allesamt antisemitisch motiviert waren. Beispielsweise am 10. Februar 1970 versuchten AOLP-Kommandos der PLO in München Riem eine EL-Al-Maschine zu entführen. Kurz vor 13 Uhr entsteht ein Handgemenge, Handgranaten fliegen, Schüsse fallen. Nachdem Palästinenser eine Handgranate in eine Menge von Passagieren werfen, wirft sich der Israeli Arie Katzenstein auf die Handgranate um seinen Vater und die um ihn stehenden Menschen vor dem sicheren Tod zu bewahren und kommt dabei ums Leben. Elf weitere Passagiere und die aus Deutschland stammende israelische Schauspielerin Hanna Maron werden schwer verletzt. Um Hanna Maron das Leben zu retten müssen Ärzte in München ihr Bein amputieren. Die Terroristen werden noch am Tatort festgenommen. In einem Schreiben an die bundesdeutsche Botschaft in Amman teilt die AOLP mit, dass es sich bei dem Angriff auf die israelische Maschine am Vorlag in München-Riem um eine „legitime Kriegshandlung“ gehandelt habe. Die bundesdeutschen Behörden werden aufgefordert, den Mitgliedern des dreiköpfigen Kommandos den Kriegsgefangenenstatus zu gewähren und sie medizinisch gut zu behandeln. Die deutschen Behörden stellten die palästinensischen Terroristen groteskerweise nicht vor ein Gericht, sondern schieben die Mörder wenige Wochen später in ein ölreiches arabisches Land ab, wo sie für ihre „Heldentat“ freundlich empfangen werden. [6]
Während der Olympischen Sommerspiele im September 1972 in München ermordeten palästinensische Terroristen des „Schwarzer September“ elf Sportler der israelischen Mannschaft während einer Geiselnahme. Die drei überlebenden palästinensischen Mörder und Geiselnehmer wurden von Deutschland vor kein Gericht gestellt. Sie wurden wenige Wochen nach der mörderischen Geiselnahme von der Deutschen Regierung, ohne Israel darüber zu informieren, gegen die Besatzung einer unter dubiosen Umständen entführten Lufthansa-Maschine „Kiel“ ausgetauscht. Die Leichen der fünf im Feuergefecht von Fürstenfeldbruck getöteten Geiselnehmer wurden nach Libyen überführt, wo sie eine Heldenbestattung mit großen militärischen Ehren erhielten. Die linksextreme RAF feierte die bestialische Ermordung der israelischen Sportler als „antiimperialistische, antifaschistische und internationalistische“ Tat. In Ulrike Meinhofs Text „Rote Armee Fraktion – Die Aktion des Schwarzen September in München – Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes“ steht neben anderen Ungeheuerlichkeiten: „Die Aktion des Schwarzen September hat das Wesen imperialistischer Herrschaft und des antiimperialistischen Kampfes auf eine Weise durchschaubar und erkennbar gemacht wie noch keine revolutionäre Aktion in Westdeutschland oder Westberlin. Sie war gleichzeitig antiimperialistisch, antifaschistisch und internationalistisch. (..) …gegen dem seinen Wesen und seiner Tendenz nach durch und durch faschistischen Imperialismus- in welcher Charaktermaske auch immer er sich selbst am besten repräsentiert findet: Nixon, Brandt, Moshe Dayan oder Genscher, Golda Meir oder Mc Gouvern. (..) Alle Aufschübe des Ultimatums, das sie mit Lügen und falschem versprechen erreicht haben, diente ihnen nur zu einem ausschließlichen Zweck: Für die Vorbereitung des Massakers Zeit zu gewinnen. Sie hatten nur ein Ziel, nur ja dem Moshe-Dayan-Faschismus – diesem Himmler Israels- in nichts nachzustehen. (..) Israel vergießt Krokodilstränen. Es hat seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden – Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik. (..) Der Tod der arabischen Genossen wiegt schwerer als der Tai-Berg. (..) Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes!“
Am 27. Juni 1976 entführten die linksradikalen deutschen „Revolutionäre“ Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann mit zwei palästinensischen Kameraden ein Flugzeug der Air France über Athen mit 250 Passagieren an Bord. Am Dienstag, den 29. Juni 1976, um kurz vor 19 Uhr beginnt Wilfried Böse in Entebbe die erste deutsche Selektion an Juden nach 1945. Während die jüdische Namen mit deutschem Akzent verlesen wurden steht die 28-jährige Pädagogikstudentin Brigitte Kuhlmann, eiskalt mit einer Handgranate bewaffnet am Eingang des Nebenraumes in den die aufgerufenen 103 jüdischen Geiseln, 83 Israelis sowie 20 französische Juden gehen müssen. Die verbliebenen 143 nichtjüdischen Geiseln und die französische Crew wurden freigelassen. Kapitän, Michel Bacos, und seine Crew lehnten ihre Freilassung ab, da sie sich allen Passagieren verantwortlich fühlten. Mit vier Herkules Transportflugzeugen, einem mitgenommenen schwarzen Mercedes und zwei Boeing 707 befreite eine israelische Eliteeinheit mit Jonathan Netanjahu nach einem Achtstundenflug unter dem Radar die Geiseln. „Ich sehe in Entebbe das Wesen des Zionismus“, sagt Muki Betzer, einer der Kommandeure der „Operation Thunderbolt“. „Hätten wir vor dem Zweiten Weltkrieg einen Staat und eine Armee gehabt, hätte es den Holocaust in Deutschland so nicht gegeben.“
Große Teile der deutschen Linken waren fassungslos, freilich nicht wegen der Selektion von Juden, sondern weil Israel die Souveränität Ugandas verletzte, so blieb Israel weiter der Jude unter den Staaten, während dem Massenmörder Idi Amin „uneingeschränkte Solidarität“ zugesichert wurde. Nach „Entebbe“ versuchten die „Revolutionären Zellen“ Heinz Galinski, den damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlin zu entführen, was nur durch Hans-Joachim Kleins Intervention verhindert wurde! Die „Operation Thunderbolt“ mit der ihr vorausgegangenen Flugzeugentführung und anschließenden Selektion wurde mehrmals verfilmt, zum Beispiel mit Horst Buchholz oder Klaus Kinski in der Rolle des Wilfried Böse. In mehreren westdeutschen Kinos, die den Film „Unternehmen Entebbe“ spielten, legten linksradikale Anhänger der „RZ“ Feuer. Diese Brandstiftungen sollten eine Warnung an Kinobesitzer und Zuschauer gegen die angebliche „rassistische Hetze“ sein. [8]
Blockaden von Linksradikalen gegen missliebige pro-israelische Filme gab freilich es vielfach. Am 25. Oktober 2009 verhinderten zum Beispiel antiimperialistische linksradikale Gruppen mit Gewalt in Hamburg / St. Pauli im Kino B-Movie den Film „Warum Israel“ des Sartre-Schülers Claude Lanzmann. Die Aktion der Linken erinnerte Claude Lanzmann an die Blockade „verjudeter“ Filme durch die Nationalsozialisten. Die Gruppierung Internationales Zentrum B5 skandierte „Ihr Judenschweine“ während der „antirassistischen“ Aktion.
Der spätere außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Norman Paech sprach in den 1990er Jahren davon, dass er endlich „von der Aura der Kollektivschuld“ erlöst wurde, als er Mitte der 1960er Jahre nach Israel fuhr und dort das „Leid“ der Palästinenser sah. Denn nun konnte er aus dem „Schatten Hitlers“ heraustreten und von den eigenen Schuldgefühlen wurde er deswegen befreit, weil er erkannt zu haben glaubte, dass die Israelis genauso schlimm seien wie damals Nazideutschland.
Im Jahre 2010 beteiligte sich Norman Paech mit den „Damen“ der Linkspartei Annette Groth und Inge Höger an der israelfeindlichen „Hilfsaktion“ an Bord der “Mavi Marmara", die von der radikal-islamistischen Organisation IHH organisiert und finanziert wurde. Beim Ablegen in Istanbul skandierten die Passagiere des „Friedensschiffes“ Parolen der Hamas, Loblieder auf das islamische Märtyrertum und „Tod allen Juden.“ Die Djihadisten, mit welchen die deutschen „Friedensfreunde“ in See stachen, verabschiedeten sich bereits in der Türkei von ihren Familien und wollten als Selbstmordattentäter in ihr „Paradies“ einkehren. Israels antisemitische Feinde wissen, dass es in einem asymmetrischen Krieg darum geht, über Medien und Weltmeinung, Israel zu isolieren. Von den gewalttätigen Ereignissen, als die israelische Armee die „Mavi Marmara“ stoppte, bekamen Annette Groth und Inge Höger nichts mit, da die beiden mit den übrigen „Damen“ im „Frauendeck“ eingeschlossen waren. Groth und Höger, die sich für die Emanzipation der Frau in Europa einsetzen akzeptierten brav und devot die Geschlechter-Separation der Islamisten. Das gemeinsame Ziel, der Kampf gegen Israel steht für „Israelkritiker“ über allem. Wenige Monate später trat die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Inge Höger bei einer Konferenz von Hamas-Sympathisanten in Wuppertal mit einem Tuch um den Hals auf, das den Nahen Osten ohne den Staat Israel zeigte.
In so gut wie allen linken und linksliberalen Zeitungen gehören der Hass, die „Kritik“ und die Agitation gegen Israel zur grundlegenden Blattlinie. Das Sturmgeschütz der „Israelkritik“ seit 2009 ist zweifellos der antizionistische „Freitag“, der in hunderten Artikeln den Staat Israel dämonisiert und delegitimiert. Hasserfüllte Halluzinationen vom „Vernichtungsfeldzug gegen die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen“, von den „zionistischen Schlächtern“, vom „KZ Gaza“, vom „zionistischen Apartheidsstaat und den Greueln, den er an der palästinensischen Bevölkerung begeht“ waren insbesondere von 2010 bis 2014 in den entsprechenden Artikeln an der Tagesordnung.
Nicht weniger Probleme mit Juden und dem Staat Israel hatten Rudolf Augstein und sein linksliberaler „Spiegel“. Rolf Behrens hat in seinem Buch „Raketen gegen Steinewerfer“ – die Berichterstattung des Spiegels bezüglich Israels in dem Zeitraum der Intifada von 1987 – 1992 und der „Al-Aqusa-Intifada“ von 2000-2002 untersucht. In diesen 345 Artikeln des „Spiegels“ wird der Staat Israel stereotyp als brutaler, expansiver und rassistischer Staat voller Missstände dargestellt, dessen Gesellschaft innerlich zerrissen sei und sich im Niedergang befinde. Der Spiegel überschreite vielfach die Grenze die legitime Israel-Kritik und Antisemitismus trennt. Die Israel-Berichterstattung des „Spiegel“ ist im untersuchten Zeitraum unabhängig von den Fakten von auffälligen immer wiederkehrenden Stereotypen bestimmt. Als der ehemalige Spiegel-Redakteur Hellmuth Karasek mit der Studie konfrontiert wurde, antwortete dieser auf die Frage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung warum er Mitte der 8oer Jahre bestritten habe, der Spiegel sei antisemitisch: „Ich habe mich eben getäuscht. Wir waren blind damals“.
Der linke Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft
Der moderne Antisemitismus ist eine die Welt „erklärende“ Ideologie, in der die Juden mit der schwer zu durchschauenden kapitalistischen Ökonomie identifiziert werden. In diesem Weltbild üben Juden abstrakte Macht aus und kontrollieren die Börsen und sind Träger der kulturellen Moderne, mit ihrer „Zersetzung“ und „Massenkultur“ beeinflussten sie Politiker und steuern vermeintlich die Presse. Der „ehrbare“ Antisemit überträgt die halluzinierten Ressentiments gegen Juden auf den Judenstaat, auf den Staat Israel. Der gegen Israel gerichtete „Antisemitismus mit gutem Gewissen“, der sich selbst für besonders kritisch und anti-antisemitisch hält, ist in Europa, speziell in Deutschland und Österreich der am weitesten verbreitete Antisemitismus. Im Antizionismus, mit seinem manichäischen antiimperialistischen Weltbild manifestiert sich das nie eingestandene Bedürfnis nach „Normalität“, nach Entlastung von der Vergangenheit des „eigenen“ Kollektivs. Gefährlich ist dieser „ehrbare Antisemitismus“ wegen seinem Bündnis mit dem islamischen Antisemitismus. Der „ehrbare“ Antisemit läuft auf Black Lives Matter-Demonstrationen mit, verurteilt jede Kritik an den islamischen Zumutungen als Rassismus, unterstützt und bewundert die Feinde Israels und jede Verteidigung Israels macht ihn wütend und fassungslos.
Um die einschlägigen antizionistischen Vorurteile und Ressentiments zu lesen, muss man heutzutage nicht unbedingt eine linksextreme antizionistische Wochenzeitung wie den „Freitag“ abonnieren, es reichen die öffentlich-rechtlichen Medien. Seit Jahrzehnten muss man nur die Tageschau, das Heute-Journal oder gar „Kultursendungen“ in 3Sat oder Arte über Israel und den Nahen Osten verfolgen um dies bestätigt zu sehen. Antisemitische Karikaturen in Stürmer-Manier kann man regelmäßig in der Süddeutschen Zeitung oder der Stuttgarter Zeitung sehen. Entweder wird Israels Premierminister Netanjahu als Vergifter des Weltfriedens gezeigt oder wie am Kölner Domplatz eine Karikatur, die einen Juden beim Verspeisen eines palästinensischen Kindes oder ähnliches zeigt. So ist der „ehrbare“ Antisemitismus längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der von Rudi Dutschke geforderte „Marsch durch die Institutionen“ war erfolgreich. Die „israelkritischen“ 68er wurden Multiplikatoren als Lehrer, Publizisten und Beamte in zum Teil maßgeblichen Stellungen.
Entgegen dieser Entwicklung hat der Bundestag am 17. Mai 2019, einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ angenommen. Das Parlament will keine „Räumlichkeiten und Einrichtungen, die unter der Bundestagsverwaltung stehen, keinen Organisationen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen, mehr zur Verfügung stellen“ Darüber hinaus lehnt der Bundestag es ab, Organisationen oder Projekte finanziell zu fördern, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, zum Boykott des jüdischen Staates aufrufen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützen.
Dieser Beschluss macht die antisemitische „antirassistische“ postkoloniale „Avantgarde“ tief betroffen. So gründete sich kürzlich eine „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“, die eine Gefährdung der Meinungsfreiheit durch den Bundestagsbeschluss zum Israel-Boykott BDS sieht. Die Intendanten hochsubventionierter Kulturinstitutionen beschweren sich in ihrer Initiative, dass sie in ihrer Meinungsfreiheit, in ihrem Recht auf „Israelkritik“ durch den Bundestagsbeschluss eingeschränkt seien. Die Vertreter des linken Postkolonialismus und des antisemitischen „Anti-Rassismus“ rufen auf zum „letzten Gefecht.“ Die Debatte im Jahr 2020 um den BDS-Befürworter, Holocaustrelativierer und „Israelkritiker“ Achille Mbembe zeigt wie die verschiedenen Spielarten der postkolonialen Studien bis hin zur Migrationsforschung in den Mainstream vorgedrungen sind. Bereits seit 1989 hat der französische Philosoph der Académie française Alain Finkielkraut die menschenfeindlichen Akteure und das entsprechende Bündnis der Holocaustrelativierer herausragend in seinen Büchern beschrieben.
Das Simon Wiesenthal Center ist eine internationale Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in Los Angeles und setzt sich maßgeblich mit der Thematik des Holocausts auseinander. Im Dezember 2020 setzte die Organisation die deutsche Kulturelite, die sich schützend vor die antisemitische Israel-Boykottbewegung BDS stellt auf Platz 7 ihres jährlich erscheinenden Antisemitismus-Awards. Neben der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ deutscher Kultureinrichtungen stehen Andreas Görgen, der Leiter der Kultur- und Kommunikationsabteilung im Auswärtigen Amt, wegen seiner Verteidigung des Holocaustrelativierers Achille Mbembe, die Jusos der deutschen Sozialdemokratie, wegen ihrer Kumpanei mit den Terroristen der Fatah, sowie die drei Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz (Linkspartei), Omid Nouripour (Die Grünen) und Aydan Özoguz (SPD), die im Beirat des BDS-nahen Vereins Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. sitzen.
Holocaustrelativierung und BDS gelten heute als links, offen und multikulturell
Die Holocaustrelativierung von Ernst Nolte galt im Jahr 1986 noch mehrheitlich als reaktionär, der Slogan „Deutsche wehrt euch, kauft nicht bei Juden“ war lange Zeit in Deutschland ein absolutes Tabu. So unfassbar es auch sein mag, postkoloniale Holocaustrelativierung und BDS gelten heute in weiten Kreisen als links, offen und multikulturell.
Israel ist das Land, in dem der Jude sich nicht das Eigenbild vom Feind aufprägen lässt. Israel ist das Obdach für alle erniedrigten und beleidigten Juden dieser Welt. Israels Staatsgründung und seine Verteidigung der Bevölkerung war die Folge des kriegerischen Fanatismus seiner Gegner, die seit 1948 nichts anderes versuchen die Juden „ins Meer zu werfen.“ Israel ist notwendig wie kein anderer Staat dieser Welt, sagte bereits vor vielen Jahren der große Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt. Nicht der Charakter des Juden macht den Antisemitismus, sondern im Gegenteil der Antisemit schafft den Juden. Der Antisemitismus, der Antizionismus ist eine rückschrittliche auf Irrationalität aufgebaute Weltanschauung. Was der „Israelkritiker“, neben seinem Kampf gegen die freiheitliche Moderne und seiner Apologie für den Islam wünscht und vorbereitet ist die Vernichtung Israels und somit der Tod des Juden.
Quellen: [1] Arno Lustiger – Rotbuch. Stalin und die Juden. Die tragische Geschichte des Jüdischen Antifaschistischen Komitees und der sowjetischen Juden | [2] Léon Poliakov – Geschichte des Antisemitismus, 8 Bände | [3] Thomas Haury, Antisemitismus von links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR, 2002 | [4] Otto-Ernst Schüddekopf – Nationalbolschewismus in Deutschland 1918-1933 | [5] Wolfgang Kraushaar – Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus | [6] Wolfgang Kraushaar – „Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?“ | [7] Jeffrey Herf – Unerklärte Kriege gegen Israel: Die DDR und die westdeutsche radikale Linke, 1967-1989 | [8] William Stevenson – 90 Minuten in Entebbe | [9] Léon Poliakov – Vom Antizionismus zum Antisemitismus | [10] Michael Landmann – Das Israelpseudos der Pseudolinken | [11] Hans-Joachim Klein – Rückkehr in die Menschlichkeit | [12] Louis Rapoport – Hammer. Sichel. Davidstern. Judenverfolgung in der Sowjetunion | [13] Karl Marx – Zur Judenfrage | [14] Henryk M. Broder – Der ewige Antisemit: Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls | [15] J.P Sartre – Betrachtungen zur Judenfrage | [16] Jean Améry – Der ehrbare Antisemitismus
Gleichzeitig veröffentlicht bei Mission Impossible