Fotomontage Manfred Breitenberger
Arik Brauer wurde am 4. Januar 1929 in Wien geboren, er war Maler, Bühnenbildner, Sänger und Zeitzeuge des Nationalsozialismus. Arik Brauer gilt als der Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Sein geliebter Vater war ein jüdischer Schuhmacher, der in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager in Riga ermordet wurde. Aufgewachsen ist der Jude Brauer, der nie gläubig war, in dem Wiener Arbeiterbezirk Ottakring. 1938, mit dem Anschluss Österreichs endete seine unbeschwerte Kindheit, er trug damals noch den Vornamen Erich, als jüdisches Kind wurde er geschlagen als "Judengsindl" beschimpft und nur mit Glück überlebte er, untergetaucht in bitterer Armut, in Wien in einem Schrebergarten. Ab dem Jahr 1944 musste er als Kind, bis er untertauchte, Zwangsarbeit verrichten, in der Zeit wurde er einmal für wenige Minuten von einer Nationalsozialistin versteckt und gerettet, was er in vielen Interviews, die Brauer bis zuletzt gab, erzählte. Brauer verschwieg auch nicht, dass es Frauen gab, ausschließlich Frauen, die ihm, als er den Judenstern tragen musste, Brot unter den Augen der SS zusteckten, was eine „lebensgefährliche Sache“ war. Brauer ging ohne jede Verdrossenheit aus dem Schrecken hervor:. „Ich bin auf die Butterseite des Lebens gefallen, sonst wäre ich ja schon lange tot. Warum soll ich da bitter sein?“
In den österreichischen Medien wurde Brauer stets als Universalkünstler und wichtiger Zeitzeuge gewürdigt, weil er ehrlich, differenziert und ohne Verbitterung die schrecklichen Geschehnisse erzählen konnte. Nach der Befreiung durch die Rote Armee engagierte sich Arik Brauer in der kommunistischen Jugend Wiens, enttäuscht verließ er nach wenigen Jahren die KPÖ und ging nach Israel und trat dort mit seiner Schwester als Tänzer auf. In Israel lernte er seine Frau Naomi kennen. Zuvor reiste er mit dem Fahrrad durch Europa und Afrika und danach zog er mit seiner Frau nach Paris, wo das Paar als israelisches Gesangsduo den Lebensunterhalt verdiente.
Bereits in Paris hatte Brauer seine erste Ausstellung und 1964 kehrte das Paar nach Wien zurück, wo die „Phantastischen Realisten“ bereits große Bekanntheit hatten. Von H. C. Artmann ermutigt veröffentlichte Arik Brauer nun seine im Dialekt gesungenen Lieder. Der linke Liedermacher sang im Dialekt, weil das „die Sprache der Arbeiterklasse“ ist. Mit Liedern wie „Sein Köpferl im Sand“ erreichte er ein großes Publikum und zweimal Gold. Das „beinharte Protestlied“, das sich „nicht gegen eine bestimmte Gruppe“ sondern gegen Jedermann richtet, der sich betroffen fühlt ist heute aktueller denn je. Arik Brauer war schon Umweltschützer als es die grünen Bewegungen noch nicht gab. Später im Dezember 1984 war er bei den Protesten gegen das Kraftwerk Hainburg in der Auseinandersetzung um die Stopfenreuther Au an vorderster Front dabei.
Die Begegnungen mit eigentümlichen Menschen in seiner Kindheit waren Thema seiner Lieder wie auch seiner Bilder. Ein einbeiniger Spiritus trinkender Alkoholiker im Keller seines Wohnhauses oder ein Mann, der als Attraktion im Park Frösche mit einer Flasche Wasser geschluckt und lebendig wieder hervorgebracht hat. Arik Brauers Ölbilder leuchten von den Wänden der wichtigsten Museen dieser Welt. Auf seinem Bild, „Mein Vater im Winter“ von 1983/84 ist sein geliebter Vater in einem blau zerfließenden Mantel mit übergroßer gelber Sternblüte einsam und verloren in einer surrealen Eiswüste vor den rauchenden Schornsteinen von Krematorien zu sehen. Seine oftmals sozialkritischen Bilder erzählen vom Alten Testament, von versklavten Frauen oder eben seinem Vater mit dem Judenstern. Arik Brauer, der sich als „Feminist“ bezeichnete schuf mehr als 2000 Bilder und erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen dafür. „Wenn die Leute im Elend sind, entwickeln sie eine ungeheure Fantasie“, meinte Brauer über den Ursprung seiner Kreativität.
Brauer lebte abwechselnd in Wien und im israelischen Künstlerdorf Ein Hod. Bereits 2008 gehörte Arik Brauer zu den Erstunterzeichnern der Petition von „Stop the bomb“ gegen die Geschäfte mit dem iranischen Regime. Im selben Jahr hat er auf den Podiumsdiskussionen "Der Iran & die österreichische Erinnerungspolitik 70 Jahre nach dem Novemberpogrom" im Jüdischen Museum Wien ein leidenschaftliches Plädoyer dafür gehalten, die aktuellen Bedrohungen Israels ernst zu nehmen. Die Aktualität von „Sein Köpferl im Sand“ wird tagtäglich dadurch bewiesen, dass viel zu wenige gegen die Delegitimierungen und Dämonisierungen des Staates Israel protestieren und zu den tagtäglichen islamfaschistischen Bedrohungen und Mordtaten der fanatischen Gegner Israels schweigen.
Arik Brauer hatte nie Angst eindeutig Stellung zu beziehen. In einer Diskussionsrunde im Jahr 2018 mit Altbundespräsident Heinz Fischer und dem Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, sagte Brauer zur sogenannten „Liederbuch-Affäre“, einer Auseinandersetzung über antisemitische Lieder in den Liederbüchern studentischer Verbindungen, dass er sich nicht vor den Burschenschaftern mit den Säbeln fürchte, sondern das Problem in der Einwanderung antisemitischer Flüchtlinge aus dem arabischen Raum sehe. Zur skandalösen Textpassage, die in einem Gesangsbuch einer Burschenschaft gefunden wurde, sagt Brauer: „Dieses Lied wäre gefährlich, wenn es viele Menschen singen würden.“ Arik Brauer hat noch miterlebt, wie hunderttausend Leute am Wiener Heldenplatz „Juda verrecke“ schrien. In den Dreißigerjahren und auch schon davor, sei „jeder normale Mensch ein Antisemit gewesen. Wenn mich einer umbringen will, dann sicher nicht einer dieser Fechter.“ Für Brauer ist die Einwanderung Grundursache für das Aufkommen von rechtem Gedankengut in jeder Hinsicht. „Es gibt eine Viertelmillion Araber, die uns lieber unter der Erde oder am Grund des Mittelmeers sehen wollen. Von denen gibt es viele, die hier einwandern.“ Für Arik Brauer waren 95 Prozent der Araber solche Antisemiten, „er nehme das aber gar nicht persönlich“, denn „sie wurden so erzogen und vielleicht würde ich das an ihrer Stelle auch so sehen.“
In den 1960er Jahren erhielt Brauer für seine Protestlieder im Wiener Dialekt Todesdrohungen. Vergessen oder aufgeben war für Brauer nie eine Option. Arik Brauer war Realist, er nahm die positiven Veränderungen in Österreich und in Deutschland zur Kenntnis, steckte aber sein "Köpferl nie in den Sand" und sah was vor ihm und hinter ihm vor sich ging und er roch und hörte von wo her der gefährliche Antisemitismus und durch welche Gasse der Hass und die Bedrohung gegen Israel kam. Trotzdem war der Kosmopolit Arik Brauer ein Versöhner, ein Versöhner allerdings, der jederzeit Klartext sprach. Die wichtige Stimme des Zeitzeugen Arik Brauer wird in Zukunft fehlen.
Arik Brauer starb am 24. Januar 2021 im Kreis seiner Familie. Seine Frau Noemi und die Töchter, überlieferten seine letzten Worte: „Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“
Gleichzeitig veröffentlicht bei Mission Impossible