Bayern München ist einer der erfolgreichsten Fußballvereine der Welt, der Rekordmeister, Rekordpokalsieger, viermalige Gewinner der höchsten europäischen Trophäe und zweimalige Weltpokalsieger ist in Deutschland das Maß aller Fußball-Dinge. Aktuell führen die Bayern die Meisterschaft mit dreizehn Punkten Vorsprung auf Leipzig an und sie stehen im DFB Habfinale gegen der börsennotierten "Arbeiterverein" aus Dortmund sowie in der Champions-League im Viertelfinale gegen den "Franco-Club" Real Madrid.
Trotzdem oder gerade deswegen ist Bayern München der meistgehasste Verein in Deutschland, was nicht unbedingt nur mit Neid zu tun haben muss. Beschimpfungen gegen den „Judenclub“ FC Bayern kamen nicht nur vom Lokalrivalen 1860, dessen Fans das Lied der Bayern vom „Stern des Südens“ in das Lied vom „Stern im Ausweis“ umwandelten. Als Uli Hoeneß nach einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung 2014 vor Gericht stand, forderten die aufgebrachten Massen in den Kolumnen der diversen Online-Publikationen eine langjährige Gefängnisstrafe. Eine saftige Geldstrafe in Millionenhöhe, die der Allgemeinheit zu Gute gekommen wäre, hätte die Wut vieler Bayern-Hasser nicht besänftigen können.
Viele deutsche Fußballfans sind der Ansicht, dass die Erfolge der Bayern erkauft und nicht erkämpft wären. Viele Bayerngegner sind der Auffassung, dass der „Bonzenclub“ den übrigen „antikapitalistischen“ Vereinen die Spieler weg kauft ohne die Kicker ernsthaft einzusetzen zu wollen. Die „Toten Hosen“ fragen sich in ihrem berühmten Partysong: „Was für Eltern muss man haben umso verdorben zu sein, einen Vertrag zu unterschreiben bei diesem Scheissverein? Wir würden nie zum FC Bayern München gehen! – Niemals zu den Bayern gehen!“ Es sind gerade die unfairen Polemiken, die an den Haaren herbeigezogenen Vorurteile, das doppelte Maß, es ist der bundesweite Hass gegen den FC Bayern, die den seit seiner Gründung weltoffenen und liberalen Ausnahmeverein mit seiner progressiven Geschichte und seiner modernen, dominanten Spielweise zum Sympathieträger machen:
Beim MTV München hatten die konservativen und reaktionären Turner das Sagen und so kam es unweigerlich zur Rebellion der andersdenkenden Fußballer um Franz John und Josef Pollack. Am 27. Februar 1900 verließen elf fest entschlossene Fußballer im Gasthaus „Bäckerhöfl“ eine Sitzung der Fußballabteilung des MTV München um am gleichen Abend im Restaurant „Gisela“ in Schwabing unter der Mithilfe der „Freiburger Paten“ um Gus Manning den FC Bayern München zu gründen. Mit 17 Jahren trat 1901 Kurt Landauer diesem FC Bayern bei, der bis zum Jahr 1933 die prägende Figur des Vereins werden sollte. Die jüdischen Kaufmannseheleute Otto und Hulda Landauer waren seine Eltern. Die wohlhabende, politisch liberale Familie Landauer war gebildet und man pflegte umfangreiche Kontakte zu Künstlern und Literaten. In Deutschland, wo nie eine richtige bürgerliche Revolution stattgefunden hatte, wo Juden als Verursacher der Aktienmarktkrise von 1873 denunziert wurden, war ein jüdischer Präsident eines Fußballvereins keine Selbstverständlichkeit. In Münchens Verwaltung sowie in der Öffentlichkeit grassierte schon sehr früh eine antisemitische Stimmung und bereits 1920 wurden Hunderte von Juden aus München vertrieben.
Beim FC Bayern waren Juden und Ausländer dagegen willkommen und so wurde Kurt Landauer 1913 Präsident des FC Bayern. Kurt Landauer entwickelte eine moderne Vereinsstruktur mit internationalen Fußballmaßstäben. Er sah die Notwendigkeit einer Jugendarbeit und engagierte mit Otto Albert Beer einen Koordinator für die Jugendarbeit beim FC Bayern. Otto Albert Beer wurde 1941 nach Litauen deportiert und dort mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen ermordet.
Nach dem Ersten Weltkrieg und nach der Zerschlagung der Münchner Räterepublik nahm der Antisemitismus vor allem in München an Fahrt auf, was jedoch die Politik der Münchner Bayern kaum beeinflusste. Während im 19. Jahrhundert antisemitische Agitatoren wie Eugen Dühring, Paul de Lagarde und Wilhelm Marr den Juden ihr „Undeutschsein“ vorwarfen, sie als von Natur aus fremde Elemente bezeichneten, leistete sich Bayern München noch zu Zeiten des Kaiserreichs und dann in den Weimarer Jahren nicht nur einen jüdischen Präsidenten, sondern auch gleich vier jüdische Trainer. Als andere Vereine Turnvater Jahn und dem Deutschtum huldigten, praktizierte Kurt Landauer seinen Internationalismus in dem er, im Gegensatz zu den anderen deutschen Vereinen, Spiele gegen internationale Mannschaften organisierte. Keine der vielen internationalen Begegnungen war so einschneidend und wegweisend wie der Besuch des MTK Budapest in München. Der MTK wurde von 1905 bis 1940 von Albert Brüll geführt, der später wegen seiner jüdischen Herkunft in Auschwitz ermordet wurde. Mit dem MTK begrüßten die Bayern die damals wohl beste kontinentaleuropäische Fußballmannschaft. Die Hälfte des MTK-Kaders bestand aus Juden und ihr „Donaufußball“ war ein moderner Gegenentwurf zum englischen „Kick-and-Rush.“ Mit 7:1 gewannen die Budapester gegen die Bayern und ganz München schwärmte von Gyula Kertész und dem fußballerischen Gegenentwurf aus Ungarn. Die Bayern waren vom Spiel des MTK überwältigt und verpflichteten in den folgenden Jahren eine Reihe von ungarisch-österreichischen Trainern, die ausnahmslos jüdischer Herkunft waren.
Vier Tage nach dem Spiel in München war auch in Ungarn das rätekommunistische Experiment gescheitert und wie in München wurde auch in Budapest das Ende der Räterepublik von einem antisemitischen Furor begleitet. An der ungarischen Räterepublik waren viele Juden beteiligt und als Verlierer des ersten Weltkrieges musste Ungarn Gebiete abtreten und wie in Deutschland machte man die Juden dafür verantwortlich. Etwa 3000 ungarische Juden wurden Opfer des „weißen Terrors“ und so verließen viele jüdische Fußballer des MTK das Land in Richtung Österreich und Deutschland.
1930 verpflichtete Kurt Landauer den österreichisch-ungarischen-jüdischen Coach Richard „Little Dombi“ Kohn. Mit dem damals teuersten und bekanntesten Trainer auf dem Kontinent gelang, nach einem vergeblichen Anlauf, 1932 die erste Deutsche Meisterschaft. Im letzten Meisterschaftsfinale vor der nationalsozialistischen Machtübernahme standen sich zwei Vereine gegenüber, in denen Juden eine wichtige Rolle spielten und die deshalb verächtlich als Judenclubs bezeichnet wurden, der FC Bayern München sowie die Eintracht aus Frankfurt, deren Hauptmäzen die von jüdischen Besitzern geführte Schuhfabrik J.& C.A. Schneider war. Im Endspiel am 12. Juni 1932 in Nürnberg vor 55.000 Zuschauern besiegten die Münchner „Rothosen“ Frankfurt mit 2:0. Die Abwehr um Kapitän Conny Heidkamp und Sigmund Haringer ließ kaum Tormöglichkeiten für die Frankfurter zu und die beiden Tore für die Bayern erzielten Oskar Rohr per Elfmeter und Franz Kumm. Der attraktive Fußball der Münchner war erfolgreich und so stand im Jahr 1932 der FC Bayern vor einer großen sportlichen Zukunft.
„Doch den Nazis, die einige Monate später an die Macht kamen, galt der FC Bayern als ‚Judenklub.‘ Gemeinsam mit willfährigen Helfern im DFB machten sie sich daran, eine liberale und weltoffene Fußballkultur zu zerschlagen“,so Dietrich Schulze-Marmeling.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme begann schnell der sportliche Abstieg des FC Bayern. Der DFB unter Präsident Felix Linnemann, dem großen Gegenspieler von Kurt Landauer, nutzte die „Zeitenwende“ und zementierte unter anderem den verlogenen Amateurstatus. Die jüdischen Funktionsträger und Mitglieder in den Vereinen wurden verfolgt und vertrieben. Viele jüdische Mitglieder des FC Bayern München wurden von den Nazis in Auschwitz ermordet. Meistertrainer Richard Dombi verließ wie Oskar Rohr umgehend Deutschland. Richard Dombi ging in die Niederlande, wo er mit Feyenoord Rotterdam 1936 und 1938 Meister wurde und den Krieg überlebte. Im April 1933 verlor Kurt Landauer wegen seiner jüdischen Herkunft seine Arbeitsstelle bei den Münchener Neuesten Nachrichten. Bereits im März 1933 musste er als Bayern-Präsident zurücktreten. Während der Reichspogromnacht 1938 wurden in München ungefähr 1.000 männliche Juden verhaftet, ins KZ Dachau verschleppt und dort verprügelt, gequält und gedemütigt. Unter den Verhafteten befand sich auch Kurt Landauer, den die Nazis aus der Wäschefirma Rosa Klauber abholten und in die Baracke Nummer acht sperrten. Kurt Landauer gelang nach seiner Freilassung die Flucht in die Schweiz, dorthin, wo auch sein bereits 1934 verstorbener Freund Walther Bensemann Zuflucht gefunden hatte. In Genf lebten bereits Angehörige der Familie Klauber, die Landauer bei der Einwanderung halfen.
Anders als im DFB oder anderen Vereinen gab es beim FC Bayern Menschen die versuchten den Klub auf größtmögliche Distanz zum Nazi-Regime zu halten. So wurde der überzeugte Nationalsozialist Josef Sauter erst 1943 Präsident bei den Bayern. Bevor Bayern München am 7. November 1943 in Zürich gastierte, wurden die wehrmachtsfähigen Spieler ins Sicherheitsamt befohlen und ihnen verboten mit deutschen Emigranten Kontakt aufzunehmen. Die Mannschaft ließ es sich trotzdem nicht nehmen, ihrem langjährigen Präsidenten auf dem Platz zuzuwinken, wofür einige Spieler später mit Repressalien oder einem Fronteinsatz bestraft wurden.
Kurt Landauer überlebte den Zweiten Weltkrieg im Schweizer Exil, vier seiner Geschwister fielen jedoch dem Terror der Nazis zum Opfer. Kurt Landauers Geschwister Dr. Paul, Franz und Leo wurden von den Nazis ermordet. Paul wurde im November 1941 in den Osten deportiert. Mit etwa 1.000 anderen Juden wurde er am 25. November 1941 in Litauen von Angehörigen der Einsatzgruppe A erschossen. Franz Landauer kam 1943 im KZ Westerbork ums Leben. Leo Landauer, der 1939 nach Berlin gezogen war kam in Majdanek um. Gabriele Landauer, verheiratete Rosenthal, wurde am 4. April 1942 nach Piaski deportiert und gilt seither als verschollen. Außer Kurt überlebte nur noch eine weitere Schwester namens Henny den Nazi-Terror. Henny Landauer hatte 1919 den Rechtsanwalt Dr. Julius Siegel geheiratet. 1934 emigrierte das Paar nach Palästina. Im März 1933 wurde der Vetter und Sozius von Dr. Julius Siegel, Michael Siegel von den Nazis mit abgeschnittenen Hosen durch die Stadt gejagt. NS-Sturmtruppen hatten die Schaufenster des Kaufhauses Uhlfelder zerstört. Anwalt Michael Siegel ging zur Hauptpolizeiwache, um eine Anzeige aufzugeben, worauf er von der SS so stark verprügelt wurde, dass ihm einige Zähne herausfielen und das Trommelfell platzte. Danach zerschnitten sie ihm seine Hose und anschließend wurde er von der SS barfüßig mit einem großen Schild um den Hals hängend auf dem stand „Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren“ durch die Münchner Innenstadt gehetzt. Henny Landauer-Siegel starb 1973 in Israel. Ihr Sohn Uri kehrte Mitte der 1950er Jahre nach München zurück, wo er in die Fußstapfen seines Vaters trat und als Rechtsanwalt arbeitete. 1947 kehrte Kurt Landauer nach München zurück und „baute“ den FC Bayern wieder auf, bis 1951 war er Präsident bei den Bayern. Am 21. Dezember 1961 starb Kurt Landauer. Er liegt auf dem Neuen Israelitischen Friedhof begraben.
Dietrich Schulze-Marmeling schreibt in „Der FC Bayern und seine Juden“: „Ohne die Jahre des Nationalsozialismus hätte der Aufstieg des heutigen Rekordmeisters zum Branchenführer des deutschen Profifußballs möglicherweise deutlich eher begonnen. Zumindest aber hätte der FC Bayern auf seinen zweiten nationalen Meistertitel nicht bis 1969 warten müssen, also 37 lange Jahre. Obwohl die Nazi-Periode zunächst einmal die weitgehende Zerstörung seiner liberalen Fußballkultur bedeutete, lässt sich beim FC Bayern doch deutlicher als bei vielen anderen Klubs ein roter Faden der Geschichte ausmachen. Je intensiver man sich mit der Zeit vor 1933 beschäftigt, desto augenscheinlicher werden die Übereinstimmungen des FC Bayern der Ära Kurt Landauer mit dem heutigen Klub. Der FC Bayern der Jahre 1900 bis 1933, zumal der Jahre 1919 bis 1933, war von seinem Denken her nicht so viel anders als der moderne FC Bayern. Die Identität des heutigen FC Bayern wurde zu Teilen bereits von Kurt Landauer geprägt. Unter dem ‚bayerischen Urgestein‘ Landauer wurde der FC Bayern ein ‚Volksverein‘, blieb aber vornehm und bewahrte sich einen Rest an ‚Anderssein‘. Der FC Bayern avancierte zu einer modernen und treibenden Kraft im deutschen Fußball. (…) Es sind die Jahre 1933 bis 1945, und in sportlicher Hinsicht noch die sich anschließende Zeit bis 1963, bis zur Einführung der Bundesliga, die aus dem Rahmen fallen.“
In der Bilanz für die Jahre 1933 bis 1945 belegt Bayern München nur den 81. Platz, während der Lokalrivale 1860 München durch Anpassung an die braunen Verhältnisse den 26. Platz erreichte. Vom nationalsozialistischen Machtwechsel profitierten vor allem die „Arbeitervereine“ wie beispielsweise Schalke 04. Nach dem Krieg bis zur Einführung der Bundesliga dominierten die Westvereine aus dem proletarischen schwerindustriellen Milieu. Auch die Nazis hatten eine Vorliebe für diese Klubs, die in der Regel „judenfrei“ waren.
Im Juni 1933 wurde beispielshalber Schalke 04 von Vereinsführer Fritz Unkel, und seinem Stellvertreter Heinrich Tschenscher, NSDAP-Mitglied seit dem 1. Mai 1933, geführt. Die Schalke Spieler Ernst Kuzorra und Fritz Szepan ließen sich für direkte Unterstützungsaktionen der NSDAP einspannen. Durch die Übernahme eines jüdischen Textilhauses am Schalker Markt wird im Verlauf der „Arisierung“ Szepan zudem zu einem direkten Profiteur des NS-Regimes. Die enteigneten jüdischen Eigentümer Sally Meyer und Julie Lichtmann werden nach Riga verschleppt und dort ermordet. So ist es kein Zufall, dass Schalke 04 in der Zeit von 1933 bis 1944 neun Mal in den zwölf Endspielen um die deutsche Meisterschaft stand und dabei sechs Mal Deutscher Meister wurde.
Erst in den 1960er Jahren, mit dem Auftreten einer neuen Generation wird Bayern München wieder an alte Zeiten anknüpfen können. Mit einer Mannschaft junger Talente steigt der FC Bayern 1965 in die Bundesliga auf. Franz Beckenbauer sowie Gerd Müller sind 19 Jahre alt und Sepp Maier, die „Katze von Anzing“, war damals 21-jährig. Beckenbauer und die Bayern waren die Exponenten eines neuen Trends. Befreit vom Amateurgedanken erlebt der deutsche Fußball in dieser Zeit einen liberalen Aufbruch. Die Nationalmannschaft wird von Helmut Schön übernommen, der sich als junger Mann einem Beitritt zur NSDAP und SS widersetzt hat und der eine lebenslange Freundschaft mit Ignaz Bubis pflegte.
Die Verantwortlichen des FC Bayern tabuisierten lange Zeit ihre ehrenvolle Geschichte. Erst im Juli 2009 legt der Klub am Fundament von Dachau-Block acht, Stube vier, wo Landauer 33 Tage verbringen musste, einen in den Klubfarben geschmückten Kranz nieder. Der Bayern-Fanklub „Schickeria München“ bemüht sich bereits seit 2002 die positive Rolle der Bayern während des Nationalsozialismus herauszuarbeiten. An Pfingsten 2006 veranstalten die „Ultras“ ihr erstes antirassistisches Fußballturnier um den Kurt-Landauer-Pokal. Beim Spiel der Bayern in Stuttgart am 27.1.2013 erinnerten die Fans des FC Bayern auf der ehemaligen Adolf-Hitler-Kampfbahn mit einer gelungenen Choreographie an den jüdischen Trainer Richard „Dombi“ Kohn und den Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Im Rahmen des Filmprojektes „Kick it like Kurt“ würdigte Uli Hoeneß den Präsidenten und Menschen Kurt Landauer. „Kick it like Kurt“, ein 53-minütiger Dokumentarfilm wurde am 6. Juni 2010 im Jüdischen Gemeindezentrum am Jakobsplatz München uraufgeführt. Der Neffe Kurt Landauers Uri Siegel, der jüdische Sportverein TSV Maccabi München, der Bayern Fanclub Schickeria Ultras und der Initiative „Löwen-Fans gegen Rechts“ kommen im Film zu Wort. Der Film ist ein Plädoyer für die demokratischen Werte, denen sich Kurt Landauer verpflichtet fühlte: Toleranz, Fairness und Kosmopolitismus.
Überarbeite Version der Erstveröffentlichung von Mission Impossible