Das sogenannte "Bedingungslose Grundeinkommen" (BGE) ist eines der ganz wenigen Themen, wo sich ein Teil der Liberalen und die allermeisten Linken einig sind: Sie halten es für sinnvoll und gut. Das BGE wird von seinen Anhängern als die Lösung aller monetär bedingten sozialen Probleme verstanden, es soll die Leute unterschiedslos vom Arbeitszwang befreien und es soll die Gesellschaft am Ende um vieles glücklicher machen.
Worum es geht und wie das gehen soll: Das BGE wird über die steuerlich finanzierte Umverteilung vom Staat ausbezahlt und es steht im gegenständlichen Denkmodell ausnahmslos jedem Bürger zu. Das BGE ist ein Sockelbetrag, den man vom Staat immer und überall bekommt, egal ob man arbeitet oder nicht, ob man reich ist oder arm, alt oder jung.
In der oft recht pathetisch formulierten BGE-Denke würde diese Neuerung den Menschen im kapitalistischen System von seinem Joch befreien, ihm seine unveräußerliche Würde garantieren und ihn gegen existenzielle Not und jede Willkür des Staates und der Arbeitgeber a priori absichern - und das eben ohne irgend eine Bedingung an die solcherart Alimentierten zu stellen.
So weit, so finanz- und sozialromantisch. Natürlich gibt es eine Fülle von Argumenten gegen diese auf den ersten Blick womöglich interessante und humanistisch scheinende Idee. Um gleich zum Kern zu kommen: Der Autor dieser Zeilen hält das Konzept des BGE für kontraproduktiv und in letzter Konsequenz für korrumpierend und daher schlicht für unsinnig.
Warum: Geld ist ein Tauschmittel. Es muss einen Gegenwert besitzen, der über Marktmechanismen vereinbart wird. Üblicherweise ist das, was man für Geld bekommt, ein Produkt, dessen Wert über den Preis festgesetzt wird. Und im Regelfall wird das Geld dafür immer verdient, entweder durch Arbeit, Handel, Produktion oder Dienstleistung. Man muss jedenfalls etwas für sein Geld tun, zumndest solange man das kann.
Staatliche Zuwendungen ohne Gegenleistung gibt es nur für Menschen, die entweder in schwerer Not sind und nicht arbeiten können oder für solche, die passagär keine Arbeit haben oder die ihren Anteil an der Gesellschaft schon geleistet haben (wie Pensionisten) oder die aufgrund einer Krankheit nicht (mehr) arbeitsfähig sind.
Der alttestamentarische Spruch "Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen" und das Paulus-Wort "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" zeugen davon, dass die Anstrengung seit alters her ein zentrales Merkmal des Geldverdienens und des Kampfes um das Dasein ist. Und die Bibel-Zitate beweisen, dass Geldbekommen und Verdienst nicht einfach so aus dem Nichts heraus installiert bzw. verteilt werden können, denn das würde eine uralte und sinnhafte, gewachsene Ordnung gefährden und den Ursprung eines jeden materiellen Wertes ad absurdum führen.
Der Einwand, reiche Erben oder Großkapitalisten würden ja auch nichts für ihr Geld tun, stimmt weder in Bezug auf das BGE noch grundsätzlich: Reiche Leute haben Firmen, Betriebe, Unternehmen etc, die am Laufen gehalten werden müssen, sonst gehen sie zugrunde. Und sie haben Verantwortung für Mitarbeiter und Geschäftspartner. Sogar die oft kritisierten Finanz-Spekulanten müssen eine Leistung bringen und ein Risiko nehmen. Das Geld auf dem Finanzmarkt fällt nicht vom Himmel und Broker darf übrigens jede(r) werden, da gibt es keine Exklusionen.
Das BGE wäre also die einzige Maßnahme, die systematisch in einem sozialen Gebilde einen finanziellen Fluß von den Gebern zu den Nehmern etablieren würde, bei der die Nehmer zu nichts verpflichtet sind. Bei jedem anderen Umverteilungs-Tool müssen die Empfänger zumindest irgendwann irgendetwas zurückgeben oder jedenfalls ihre Bedürftigkeit beweisen. Oder sie müssen vor bzw. nach ihrer Bedürftigkeit über die Solidarsysteme mithelfen, andere Bedürftige zu finanzieren.
Das BGE würde im Gegensatz dazu eine flächendeckende Almosen-Situation herstellen, die auf Kosten der Leistenden lukriert wird. Eine Gegenleistung ist bewusst nicht vorgesehen. Wer nicht arbeiten will, könnte also theoretisch jahrzehntelang den anderen auf der Tasche liegen und der Staat würde dieser Situation noch Vorschub leisten. Das Argument, dass das BGE ja ohnehin jedem ausnahmslos zustünde und es daher egal sei, ob jemand arbeitet oder nicht, ist haltlos, denn wer arbeitet, finanziert sich sein BGE definitiv selber und wer viel arbeitet, sponsert noch andere mit. Wer nicht arbeitet, finanziert niemanden.
Auch wenn man davon ausgeht, dass die meisten Menschen schon aus Gründen des Selbstwertes einer Beschäftging nachgingen, ist die Ausgangssituation und die Grundüberlegung eines BGE haarsträubend: Das Prinzip Leistung, das eng mit dem Prinzip Konkurrenz zusammenhängt und in der gesamten Natur eine Essenz des Lebens darstellt, wäre aufgehoben und beseitigt. Auch der freiwillige Altruismus wäre entkernt, wozu sollte man noch etwas geben oder jemandem pekuniär helfen? Kooperation als eine der wichtigsten sozialen Triebfedern würde durch Missgunst und Vereinzelung ersetzt: Man holt sich die Knete vom Staat und geht seiner Wege.
Überdies würde rein marktbezogen betrachtet das BGE sofort einen massiven Teuerungsschub auslösen, weil ja jede(r) mehr im Börsel hätte und der Markt entsprechend reagieren würde. Eventuelle Benefits, die in manchen Argumentationen zum BGE behauptet werden, fielen damit sofort flach und das BGE müsste ständig angehoben werden - es würde sich also umgehend ad absurdum führen oder zumindest in eine Teuerungsspirale münden.
Abgesehen vom korrumpierenden und zynischen Faktor, den das BGE auf den Einzelnen ausübt, gibt es also auch eine ökonomische Facette, die recht unangenehm werden und damit enden könnte, dass das BGE seine Kinder erst recht nicht versorgen kann.
In der Schweiz wird aufgrund einer Bürger-Initiative heuer im Juni grundsätzlich darüber abgestimmt, ob sich der Gesetzgeber näher mit der Idee BGE beschäftigen soll. Das wird sicher spannend, aber man kann davon ausgehen, dass die Schweizer das Experiment ablehnen werden. Interessante Debatten wird es im Vorfeld aber trotzdem geben und diese sind auch notwendig, um diese nur scheinbar attraktive Idee final durchzudiskutieren und dann ad acta zu legen.
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