Der Begriff "Trotzkismus" ist heute fast unbekannt, obwohl er inhaltlich allgegenwärtig ist: sämtliche linken internationalistischen Bestrebungen, die gegen die Grenzen der Nationen gerichtet und für die Auflösung aller Nationalstaaten sind, stellen nichts anderes als die Essenz des Trotzkischen Denkens dar.
Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass Trotzkis Ideologie ihre finale Erfüllung vermutlich in einer unheiligen Allianz mit dem von ihm in der "permanenten Revolution" bekämpften Kapitalismus finden wird. Die Globalisierung ist in gewisser Weise das "rechte", kapitalistische und dramatisch erfolgreichere Gegenstück zum bisher immer gescheiterten linken Internationalismus. Doch das Blatt wendet sich. Die Globalisierung arbeitet grundsätzlich internationalistisch. Trotzkis frühere Gegner sind dadurch überraschenderweise seine posthumen Unterstützer geworden: Die Klassenfeinde namens Kapitalisten besorgen sein Geschäft.
Getriggert wird die Globalisierung vor allem vom Finanzkapitalismus, der ohne Rücksicht auf nationale Grenzen in Bruchteilen von Sekunden Millionen von Dollars verschiebt und so wahrhaft international wirkt. Zum Schmunzeln regt an, dass die Linke an allen nur erdenklichen Plätzen dieser Welt gegen die finanzkapitalistischen Auswüchse der Globalisierung kämpft und die stets angriffige Linksaußen-Formation gleichzeitig immer auch die Auflösung der Grenzen fordert. Darin steckt nicht nur eine fast schon absurd anmutende Paradoxie, sondern auch eine gehörige Portion Ironie: Die Occupy-Bewegung und andere Hardcore-antikapitalistischen Strömungen lassen ihre Vertreter in Nike-Schuhen, H&M-Shirts und diversen anderen Kapitalismus-Produkten weltweit gegen die dunkle Seite des Kapitals antreten. Die Linke macht sich mit den Logos des Kapitalismus zu seinem Erfüllungsgehilfen.
Nun ist es durch die Massenmigration noch einmal zur Verschärfung jener lytischen Effekte gekommen, die zur Auflösung der Nationen beitragen, weil sie die Grenzen schwächen: Millionen von potenziellen Konsumenten strömen fast ungehindert nach Europa, um dort zunächst durch soziale Transfers von der autochthonen Bevölkerung jenes Geld zu erhalten, das ihre Kaufkraft stärken soll.
Dieses neue und von der Linken enthusiastisch begrüßte Proletariat wird von jenen, die arbeiten und durch ihre Leistung Geld verdienen, fleißig gesponsert - meist unfreiwillig. Natürlich könnte man daher auch diagnostizieren: Die neuen Ausgebeuteten sind jetzt diejenigen, die bis dato unsere Systeme für die einheimische Bevölkerung erhalten haben. Das bedauerns- und unterstützungswerte Proletariat, das pro titulo jede linke Bewegung braucht, sind natürlich in deren Lesart die Ankömmlinge. Eine scheinbar gelungene Wendung der Begriffe.
Die Industrie und der Kapitalismus hoffen natürlich, dass aus den vielen jungen Immigranten durch kostenintensive Ausbildungs-Maßnahmen (welche die ansässige Allgemeinheit trägt) einst brave Systemerhalter, produktive Arbeitskräfte und vor allem kauflustige Konsumenten werden. Freilich wird dabei der vermutlich nicht zu überbrückende kulturelle Gap und all die bekannten Schwierigkeiten, welche die Ankömmlinge schon jetzt bereiten, tunlichst ausgeblendet, denn die Controller und die CEOs müssen ja mit einer hellen Zukunft rechnen. Und sie haben dabei immer ein vordergründig starkes Argument: Die Demografie.
Was aber nicht ganz zur Wirtschaftseuphorie passt, sind die gleichzeitig abgegebenen Prognosen, dass Arbeit zunehmend automatisiert und es daher immer schwieriger wird, Arbeitsplätze in der Industrie zu schaffen, ja dass man vielmehr damit rechnen muss, viele Arbeitsplätze sogar zu verlieren.
Die Linken helfen den Kapitalisten bei ihren Visionen, indem sie die bereits überall erkennbaren kulturellen Konflikte ebenfalls kleinreden, diese den Einheimischen anlasten und fleißig an der Demontierung der Grenzen mitarbeiten. Viele nach eigener Aussage bürgerliche Politiker unterstützen sie noch dabei, weil sie meinen, diese Art der Internationalisierung sei humanitär notwendig und auf der Nächstenliebe beruhend. Beide Teile erodieren solcherart die Nationen und beide glauben, sie haben recht. Die Situation ist haarsträubend.
Dass es auch anders geht, zeigen uns die Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn). Doch seitens der unheiligen Allianz von Trotzkisten und Kapitalisten wird an der Reputationsbeschädigung dieser Länder fleißig gearbeitet: Wer nicht mittut beim derzeitigen europäischen Wahn, der kann kein Guter sein. Gut ist nur, wer die Grenzen aufmacht und kritiklos alle ins Land lässt, zur Ehrung der höheren Ziele und zur Verwirklichung der Humanität.
Der Schritt zurück, den man immer braucht, um ein "Gesamtkunstwerk" zu betrachten, macht uns sicher: Wir stehen vor einer gigantischen Verschmelzung des internationalistischen Trotzkismus mit dem globalisierten Kapitalismus. Beide benützen dieselben Werkzeuge, haben aber naturgemäß unterschiedliche Endziele. Die Kapitalisten wollen durch das Niederreissen der Grenzen den völlig freien Güter- und Warenaustausch erreichen und eine globalisierte Welt von Konzernen und steuerbaren Konsumenten erzeugen.
Die Linken wollen ebenfalls die Grenzen auflösen, um den trotzkistischen gleichheitstrunkenen Weltstaat errichten zu können. Beide helfen sich derzeit immer intensiver dabei und beiden ist ein berühmtes Lenin-Wort in die DNA eingeschrieben: Der Zweck heiligt die Mittel.
Übrig bleibt der Bürgerliche. Er steht nun allein da mit seinen Ansprüchen auf den eigenen Kulturraum und seiner Verbundenheit zu seinen Traditionen. Er muss alleine bleiben mit seinem Credo an die klassische und echte Marktwirtschaft, die auf der realen Produktion und reellen Geschäftsbeziehungen aufgebaut ist. Der Bürger ist isoliert mit seinem Vertrauen auf das persönliche Leistungsprinzip und seinem Glauben an die Verlässlichkeit von den dafür notwendigen staatlichen und nationalen Strukturen.
Anders gesagt: Die rettende Gegenbewegung zum beschriebenen internationalen und giftigen Amalgam aus Trotzkismus und Kapitalismus muss von der bürgerlichen Seite kommen.
Ein Europa der Nationen und der freien und starken Gesellschaften muss das Ziel sein. Und nur eine freie und starke Realwirtschaft mit festem regionalen Bezug kann das Rückgrat dieser Nationen bilden. Das alte Wort "Think global, act local" kann dabei eine Richtschnur sein.
Was niemand braucht, ist ein Europa der gleichgeschalteten, migrationsgestärkten, linksdenkenden und brav konsumierenden Massen ohne Identität - das ist strikt abzulehnen. Denn dieses Europa würde schlimmer enden als alle düsteren Orwellschen Szenarien.
(Zuerst veröffentlicht auf meinem Blog