Den Kindern eine Stimme!

In anderen Ländern ist das Thema immer wieder Bestandteil der politischen Diskussion, bei uns hingegen ist es höchstens als gelegentliche Randbemerkung in der öffentlichen Debatte aufgetaucht. In den Programmen der österreichischen Parteien kommt es entweder gar nicht erst vor oder wird nur in einem Nebensatz erwähnt: Die Rede ist vom Wahlrecht für Kinder.

Demografie, Überalterung der Gesellschaft, Pensionsproblematik etc. sind mittlerweile Fakten, die jeder kennt. Auch die Tatsache, dass die Politik aufgrund der zahlenmäßig ständig zunehmenden Schar der Älteren prinzipiell im Interesse dieser Bevölkerungsgruppe agiert, ist längst kein Geheimnis mehr. Geheimnisvoll ist hingegen noch immer, warum die Jüngeren keine Ideen und keine Antworten finden, dem politischen Druck aus der Gruppe der Älteren zu begegnen. Faire Konzepte dazu sind in Österreich rar bis nicht vorhanden.

Dabei wäre zum Beispiel das Instrument des Kinderwahlrechts ein geeignetes Werkzeug, die Parteien zu einer für die jüngeren Generationen bekömmlicheren Politik zu bringen. Wie könnte das nun funktionieren mit dem Kinderwahlrecht? Die Umsetzung wäre relativ einfach: Jedes Kind im Lande erhält automatisch das Stimmrecht ab der Geburt. Die Ausübung dieses Rechts wird bis zum Erreichen des gesetzlichen Wahlalters durch die Erziehungsberechtigten wahrgenommen. Falls Vater und Mutter unterschiedliche politische Ansichten haben, kann man die Kinderstimmen auch teilen und natürlich müssen auch Stimmenthaltungen möglich sein.

Ein konkretes Nachdenken über das Kinderwahlrecht ist aber nicht nur wegen der demografischen Veränderungen notwendig, auch aus demokratiepolitischer Sicht spricht einiges für eine solche Neuerung: Nach der Verfassung haben alle Bürger die gleichen Rechte. Hinsichtlich des Wahlrechts allerdings sind Kinder und Jugendliche von dieser Gleichheit definitiv ausgenommen. In allen übrigen Bereichen sind die Erziehungsberechtigten voll für ihre Kinder verantwortlich und treten rechtlich für ihre Kinder ein – warum also nicht auch in puncto Wahlrecht? Der Status der Kinder wäre dadurch deutlich aufgewertet und dem alten demokratischen Prinzip „One man, one vote“ wäre Genüge getan.

Juristisch gilt derzeit, dass Unmündige (also Kinder und Entmündigte) keinen Anspruch auf Vertretung bei Wahlen haben, da das Wahlrecht unveräußerlich ist. Daneben haben übrigens auch rechtskräftig zu mehr als 5 Jahren Strafe verurteilte Verbrecher kein Wahlrecht. Kinder, Entmündigte und Schwerverbrecher – eine merkwürdige Kombination von staatlich deklarierten Nichtwählern und hinsichtlich der Kinder absolut zu hinterfragen, denn der Unterschied zwischen Kriminellen, unmündigen Kindern und gesetzlich Entmündigten ist ein gravierender: Kinder bekommen auf alle Fälle mit Erreichen des entsprechenden Alters das Wahlrecht und Kinder sind demzufolge später als Erwachsene einmal in der Lage, politische Entscheidungen selber zu treffen. Entmündigte müssen und können das nicht, sie bleiben allermeist lebenslang in der Obhut ihres Vormundes und können prospektiv nicht am politischen Leben teilnehmen.

Vor allem aber gilt: Oft genug müssen Kinder später als Erwachsene den Polit-Schrott der Vergangenheit entsorgen oder, noch schlimmer, mit diesem leben. Vielleicht würde die gesamte Politik besser funktionieren und im Sinne der vielzitierten Nachhaltigkeit zukunftsorientierter agieren, wenn es das Kinderwahlrecht gäbe? Ist es daher auch aus demokratiepolitischer Sicht nicht schon höchste Zeit, das Kinderwahlrecht zu etablieren? Mit der Einführung eines Kinderwahlrechtes und den zu erwartenden darauf folgenden Änderungen der Politik wären vermutlich die schon so oft diskutierten und längst fälligen Verbesserungen für Familien und alleinerziehende berufstätige Mütter und Väter raschest möglich: umfassende steuerliche Absetzbarkeit von privaten Zahlungen für die Kinderbetreuung wie z.B. Tagesmütter oder Au-pair-Mädchen, Erleichterung von gleichzeitiger Berufsausübung und Elternschaft durch vermehrte Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen, Verbesserungen im Karenzbereich, Erhöhung der Kinderbeihilfe, Besserstellung von Mehrkind-Familien und ganz grundsätzlich Aufwertung von Familie und Nachwuchs.

Zweifellos wäre das Kinderwahlrecht auch dazu geeignet, die flaue Geburtenrate zu erhöhen, weil die Politik gezwungen wäre, die Rahmenbedingungen für Familien und Kinder zu optimieren. Die Parteien würden sich nämlich um die Stimmen der Jüngsten förmlich raufen und müssten in Folge herzeigbare Verbesserungen für die Kinder und deren Erziehungsberechtigte schaffen. Wie gewaltig der politische Druck sein könnte, der durch die Einführung des Kinderwahlrechts entstünde, lässt sich am Besten durch Zahlen illustrieren: In Österreich gibt es etwa 1,7 Millionen Bürger, die unter 18 Jahre alt sind. (StatistikAustria). Würde man diesen derzeit stimmlosen Staatsbürgern über ihre Erziehungsberechtigten politischen Einfluss verschaffen, wäre nicht nur eine andere, insgesamt vermutlich bessere Politik die Folge, sondern auch eine atmosphärische Änderung in der Gesellschaft.

Österreich wäre dann bald nicht mehr das im Grunde deprimierende „Paradies der Frühpensionisten“, sondern ein Land mit Zukunftsorientierung und vor allem ein Staat mit einem frischem, von der Jugend ausgehenden Esprit und einer neuen Geisteshaltung.

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