Die Frage der Legitimität

Wir westlich zivilisierten und säkularisierten Menschen glauben, im laizistischen demokratischen Prozess können wir all unsere Regeln und Gesetze so erstellen, dass sie eine allgemeine und korrekt begründbare Gültigkeit haben. Wir verleihen uns offensichtlich selber das Recht, über uns und andere demokratisch zu entscheiden. Das klingt beim ersten Hinschauen gut und richtig, unser gesamtes Staatswesen beruht auf dem Grundprinzip dieser Gedanken. Woraus legitimiert sich aber dieses offenbar als a priori vorgestellte Fundamentalrecht, das Recht zu kreieren?

In der vor-säkularen Zeit ging man davon aus, dass die Schaffung von Recht und die Rechtsprechung letztlich gottgegeben waren. Träger und Bewahrer dieses Rechts waren die Monarchen, die im allgemeinen Verständnis nicht zuletzt deswegen auch "von Gottes Gnaden" eingesetzt waren. Die englische Queen ist übrigens noch immer eine jene rmonarchischen Figuren, die das DG, also das Dei Gratia und somit das Gottesgnadentum im Siegel tragen. Bei den dänischen Königen ist es ähnlich. Nun wird wohl niemand behaupten, diese Länder seien noch nicht im säkularen und demokratischen Heute angekommen - ganz im Gegenteil, gerade England und Dänemark gelten als Vorzeigeländer des modernen Demokratie-Verständnisses.

Konstitutionelle Monarchien mit funktionierenden säkularen Apparaten (=Parlamenten) haben also durchaus etwas Metaphysisches und die gesamte Rechtssprechung Begründendes in der Hinterhand, auch wenn dies von Laizisten gern kleingeredet wird. Demokratien ohne repräsentative Monarchen haben entweder Gott in der Verfassung (wie die USA oder Deutschland) oder man findet ihn in den Schwüren vor Gericht oder sonst irgendwo im öffentlich-gesetzlichen Raum wie etwa als Kruzifix in den Gerichtssälen. Man hat Gott also eine gewisse Backup-Funktion zugewiesen, für den Fall der Fälle. Selbst 200 Jahre nach der Aufklärung und trotz Nietzsches Todesanzeige für Gott und trotz Dostojewskis erschreckendem Dialog zwischen Bischof und Jesus  ist Gott nach wie vor präsent.

Wenn wir also behaupten, unser Recht würde ganz allein von uns und aus uns, also aus dem Souverän und nur von ihm kommen, so stimmt das bis dato nicht. Da ist nach wie vor das Göttliche mitbeteiligt. Das macht die Beantwortung der Frage nach der grundsätzlichen Legitimation von Recht und Gesetz  ein bisschen einfacher. Wer argumentativ nicht mehr weiter weiß, wie der Rechtsstaat, die  Überlegenheit der westlichen Welt und die Notwendigkeit der Verbreitung von Demokratie zu begründen ist, kann sich noch immer auf Gott berufen. Natürlich ist dieser Sachverhalt laizistisch betrachtet rational angreifbar. Zumindest scheinbar, denn die letzten Fragen bleiben im Laizismus offen.

Wenn wir im Rahmen der Säkularisierung dem Laizismus und der Ratio jenen erklärenden und aufklärenden Raum geben, den sie so gern für sich beanspruchen,  dann müsste der Laizismus die Frage der Legitimation von Recht klar beantworten können.  Das geht aber sicher nicht mit dem lapidaren Verweis auf Mehrheiten oder der Beschreibung von Vorzügen der Demokratie oder irgendwelchen schnoddrigen Statements wie "man möge die Menschen doch bitte nicht mit Gott belästigen". Diese singuläre und alles entscheidende Frage lässt sich nur mit kausalen und teleologischen Antworten lösen - und die gibt es rein rational betrachtet ganz einfach nicht.

Denn ob es einem passt oder nicht, nach jedem rationalen Diskurs bleibt die eine heikle Frage: Wer ist die letzte Instanz, die über Gut und Böse entscheidet? Wer legt fest, was wirklich und wahrhaftig jenes für alle gültige Recht ist, nach dem es zu leben gilt? Wer sind wir, dass wir uns aufschwingen und der Welt erklären wollen, wie sie zu sein hat? Und was wäre der letzte Grund, der uns dazu legitimiert - wenn nicht ein Gott?

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:56

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