Die Diskussion um die Überalterung der Gesellschaft ist von einer einäugigen Sichtweise geprägt: Statt uns zu freuen, dass wir so lange leben wie nie zuvor, echauffieren wir uns über den zunehmenden Altenanteil in der Bevölkerung. Österreichs Demografie wird aber weniger durch die vielen Alten, sondern vielmehr durch das Zeitgeistphänomen der gewollten Kinderlosigkeit nachhaltig gestört.
Der Verzicht auf (mehrere) Kinder gehört heute zu den Normvarianten der individuellen Lebensentwürfe und wird von der Allgemeinheit mehr oder weniger respektiert. Ein gewolltes Dasein ohne Kinder kann aber keine gültige Maxime sein, wenn man in einer funktionierenden Gesellschaft leben und von derselben profitieren möchte. Auch die Nachwuchsverweigerer sind Nutznießer jener Funktionalitäten, die nur durch das regelmäßige Nachwachsen von neuen Generationen gewährleistet werden. Solidarische Strukturen wie die soziale Kranken- und Pensionsversicherung können nur durch ausreichend vorhandene jüngere Leistungsträger aufrechterhalten werden.
Die besagte unkritisch tolerierte Normvariante der diversen Lebensplanungen ist daher zu hinterfragen, weil sie keine brauchbare gesellschaftliche Perspektive bietet. Egozentrisch, demografisch kontraproduktiv und die Gesellschaft ökonomisch belastend ist sie sowieso. Wer sich zur vorsätzlichen Kinderlosigkeit bekennt, der bejaht implizit auch eine nihilistische und lebensfeindliche Weltanschauung. Hedonistische Erfüllung und materialistischer Erfolg gelten dann als Primärziele, Kinder als Störfaktor. Ein Feigenblatt dieses latenten Nihilismus ist das Vorhaben, später ohnehin einmal Familie haben zu wollen. Die Karriere oder die durch Kinder entstehende Doppelbelastung der berufstätigen Frau sind gängige Begründungen, die Familienplanung hintanzustellen.
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Mit diesem prolongierten Vorwand wird der flauen Geburtenrate samt ihren negativen Folgen permanent Vorschub geleistet. (Bezieht man übrigens die Abtreibungszahlen in demografische Betrachtungen mit ein, so lässt sich errechnen, dass durch Schwangerschaftsabbrüche alle 5 Jahre eine Stadt in der Größe von Graz ausgerottet wird).
Paradoxerweise macht sich gerade durch den Materialismus und durch die völlig falsche Familienpolitik ein zunehmender finanzieller Druck breit, der den Kinderlosen auch noch die rationalen Argumente liefert, kinderlos zu bleiben. „Kinder kann ich mir nicht leisten“, das hört man oft genug. Kinderlosigkeit lässt sich also immer rechtfertigen: Die einen rekurrieren auf ihre grundsätzliche Entscheidungsfreiheit, die anderen berufen sich zu Recht auf politische und gesellschaftliche Umstände, die das Kinderhaben zum Nachteil machen.
Allerdings trifft die hier gestellte Diagnose bei den bildungsfernen Schichten deutlich weniger zu als bei den Gebildeten: Mehrkindfamilien sind bei den Bildungsfernen häufiger anzutreffen als in Akademikerkreisen. Und Migranten haben überhaupt die höchsten Nachwuchsraten.
Die Rettung der Altengesellschaft wird also von „unten“ und von „außen“ erfolgen (müssen), wenn sich unsere Intellektuellen, Hedonisten und Karrieristen nicht eines Besseren besinnen und der Nachwuchsproduktion wieder einen höheren Stellenwert einräumen und das auch politisch formulieren. Erst dann und nur dann wird nämlich die Politik endlich die (finanziellen) Verhältnisse für Familien mit Nachwuchs entscheidend verbessern.