Die Novelle, der Po und das Gefängnis

Als Nationalratsabgeordneter (NAbg) hat man naturgemäß mit Gesetzen und deren Entstehung zu tun und man stimmt auch darüber ab, ob Gesetzes-Entwürfe je Realität werden sollen. Ein solcher, durchaus sehr heikler Entwurf zu einer Gesetzes-Novelle kursiert gerade: Nämlich jener zum § 218 des Strafgesetzbuches ("Sexuelle Belästigung";).

Mit dieser Novelle sollen nun auch vorsätzliche Berührungen an Körperteilen ausserhalb der Geschlechtsregion strafbar gemacht werden (die Novelle erhielt daher auch schon den Nickname "Po-Grapsch-Paragraf";).  Wenn also zukünftig der am Po berührte Mensch diese Art von Körperkontakt nicht haben möchte, soll Anzeige und Strafe erfolgen. Bisher war nur strafbar, wenn man Personen gegen deren Willen eindeutig am Geschlecht anfasste. Das ist nachvollziehbar und nicht nur juristisch argumentierbar, sondern auch vom Gefühl des/der Einzelnen her passend.

Nun soll alles anders werden. Gewisse Kreise haben Großes vor. Allein schon der Strafrahmen in der Novelle ist gewaltig: Bis zu 6 Monate Haft soll es dafür geben, wenn nun jemand jemand anderem einen nicht gewünschten Klaps auf den Po gibt.  In anderen Worten: Sechs Monate Gefängnis für eine aus einer vielleicht nicht ganz klaren Situation heraus entstandene de facto harmlose Berührung, die im Nachhinein von dem/der Berührten als "nicht erlaubt" qualifiziert wird.

Bisher wurde in solchen Situationen entweder ad hoc eine Klärung herbeigeführt oder auch (zu Recht) dem Grenzüberschreitenden eine reflektorische Ohrfeige verabreicht. Damit war so ein Fauxpas (sofern es einer war) abgetan.  Man darf ja nicht vergessen, dass gerade diese Situationen mit kurzen Berührungen typischerweise in der überwiegenden Zahl zum normalen Geschehen bei Dates und Rendezvous gehören: Miteinander Tanzen  etwa geht ja gar nicht ohne Körperkontakt. Und der Versuch, eine Beziehung anzubahnen, wird wohl auch früher oder später von Körperkontakt-Phasen begleitet sein. Das ist ganz natürlich und braucht - ausser Benimmregeln und Respekt - keine Vorschriften.

Nun ist plötzlich der Staat dabei, diese klassischen Situationen zwischen Mann und Frau (oder auch gleichgeschlechtlichen Menschen)  per Gesetz regeln zu wollen.

Und von nun an wird es absurd: Wir legen soviel Wert darauf, als mündige und selbst entscheidende Menschen unser Leben zu führen und unsere Beziehungen zu gestalten. Und jetzt soll der Staat respektive die Judikatur plötzlich in die zwischenmenschliche, ureigenste persönliche Welt hereingeholt werden und dort regeln, richten und bei Bedarf auch verurteilen. Brauchen wir jetzt bei jedem Date den Anwalt mit? Vor dem Rendezvous die Rechtsberatung?

Eine hochrangige Professorin für Strafrecht sagte in einem Standard-Interview, dass nach Gesetzwerdung auch Umarmungen strafbar sein könnten (3.4.2015, diestandard.at). Dar braucht man nicht mehr lange nachzudenken, das macht die Mann-Frau-Beziehungen a priori zum Fall für den Staatsanwalt.

Was also bringt Menschen dazu, solche Gesetzes-Ideen zu entwickeln?

Die Novelle wird vor allem vom feministischen Lager propagiert und natürlich auch von männlichen, links und feministisch eingestellten Leuten unterstützt: Denn hier wird dem allgemeinen Opfer-Gestus Rechnung getragen, der unsere Gesellschaft ohnehin schon an allen Ecken und Enden durchdringt und der zu jener politischen Korrektheit geführt hat, die uns alle im Grunde nur mehr lähmt und den meisten von uns schon zum Halse heraushängt.

Zum Glück für uns und zum Pech für die Kämpfer dieser längst übertriebenen Korrektheit kippt die Sachlage aber eh schon ins Abstruse - der Feminismus frisst seine Kinder. Was die Linken und vor allem die angeblich für die Sache der Frau kämpfenden Feministen mit dieser Gesetzes-Novelle nämlich völlig ausblenden oder, schlimmer noch, gar nicht mehr verstehen: Gerade durch diesen allgegenwärtigen Opfer-Gestus und das Belauern der bösen Männer wird die Rolle der Frau massiv geschwächt statt gestärkt.

Es werden mit der Novelle ja exakt jene Rollenbilder bedient, welche die Feministinnen zerstören wollen: die Frau ist das Opfer, der Mann der Täter. Wenn also dieses neue Gesetz Realität werden sollte, dann wird das "arme Hascherl" fröhliche Urständ feiern und der böse Macho vor den Kadi marschieren.

Die weiblichen Opfer der allgegenwärtigen männlichen Gewalt werden plötzlich überall sein und der Feminismus erhält eine neue Daseins-Berechtigung (Vielleicht ist das ja das wahre und perfide Motiv für die Novelle? Der untergehenden Frauenrechtler-Lobby noch einmal ordentlich Power zu verschaffen?)

Freilich gilt das Gesetz gleichermaßen für Frauen und Männer und es können auch Männer sexuelle Belästigungs-Opfer von Frauen werden. Das geschieht aber meistens doch nur in Hollywood (wie in "Disclosure", mit Michael Douglas und Demi Moore).

Mag sein, dass es auch im gleichgeschlechtlichen Bereich vorkommt, aber in der Regel wird es weiterhin und noch viel mehr hauptsächlich um den Mann als Täter und die Frau als Opfer gehen.

Die Endfolge dieser Ver(w)irrung ist dann der US-amerikanische Alltags-Zustand: Kein Mann fährt dort mit einer Frau mehr allein im Lift, kein Arbeits-Kollege geht allein mit einer Kollegin in der Kaffeepause tratschen. Kein Arzt, der ohne Video-Mitschnitt oder ohne Zeugen eine Patientin untersucht und so weiter.

Alle reden von der NSA und der dauernden Überwachung, aber gleichzeitig haben wir jetzt sehr starke Tendenzen, die Denunziations- und Überwachungskultur im privaten Bereich massiv auszubauen: Wo Vertrauen war, soll dann das Strafrecht herrschen. Und bitte immer schön mitschreiben oder mit dem Smartphone fotografieren, wer wo wen gerade berührt!

Jede(r) vernünftige NAbg, der/die sich noch in der Lage sieht, die wichtigen und unwichtigen Relationen im gesellschaftlichen Leben zu erkennen, wird daher gegen dieses Gesetz stimmen.

Der Autor dieser Zeilen ist NAbg und ich bin aus den geschilderten und klar argumentierten Motiven explizit gegen die Novelle. Meine durchaus auch provokanten Postings auf Twitter unterstreichen das. Und ich lade alle ein, sich den geplanten Gesetzes-Text im Internet anzusehen, die entsprechenden Interviews mit Strafrechts-Experten nachzulesen und fleißig die Sachlage zu diskutieren.

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Dieter Knoflach

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Johann Kaltenleitner

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