Österreich hat massive Probleme: die höchste Arbeitslosenrate aller Zeiten plagt Hunderttausende. Alleinerziehende Mütter und Väter müssen oft jeden Cent einteilen, um über die Runden zu kommen. Eine Steuerreform, die gerade die Einkommensschwachen und den Mittelstand entlasten soll, wurde von der Regierung versprochen und ist noch immer ausständig. Der Bundeskanzler und die Minister ergehen sich in BlaBla und Vertröstungen. Unzählige ÖsterreicherInnen haben einen harten Alltag und echte Sorgen. Und sie haben die Politik satt. Was sie definitiv nicht haben, ist eine mächtige Lobby.
Nur wenn man eine starke Lobby in den Medien und in der Politik hat, ist man auf der "sunny side of life" - dann wird sogar das Anliegen einer kleinen Minderheit zum Mega-Thema und politisch wie medial ausgewalzt. Soeben haben wir ein Paradebesipiel von Lobbyismus miterleben können: Die Interessensgruppe der Homosexuellen hat eine bekannt starke Lobby und wenig überraschend errang diese soeben einen Etappensieg im Kampf um die sogenannte Gleichstellung: Der VfGH hat entschieden, dass Homosexuelle genauso Kinder adoptieren dürfen wie Heteros. Ok, das Gericht hat den Spruch veröffentlicht, der ist umzusetzen und Punkt.
Das politisch Perfide dran ist: Dieser Gerichtsentscheid wird von der sozialistischen Partei, die eigentlich für die erstgenannten Leute da sein sollte und sich um deren Sorgen kümmern, dieser Spruch also wird lauthals hochgejubelt- so, als ob alle Arbeitslosen einen Lotto-Sechser gemacht hätten und Österreich seine Schulden und seine ökonomischen Probleme auf einen Schlag losgeworden wäre. Minister und Staatssekretäre lachen freudig in Kameras und geben überschwängliche Interviews, als ob die Euro-Krise ausgestanden und Österreich der Gewinner wäre. Gehts noch? Hat unsere Regierung überhaupt noch den Sinn für die Realitäten und vor allem für die Prioritäten des harten Alltags?
Halten wir uns vor Augen: Es geht bei diesem VfGH-Spruch vermutlich um eine höchstens dreistelllige Zahl von Menschen. Es wollen halt Leute, die sichs finanziell leisten können und eine spezielle sexuelle Orientierung haben, endlich auch Kinder großziehen. Man kann das diskutieren, man kanns für gut oder schlecht finden, egal - es ist wie es ist. Ein Randthema, interessant für akademische und gesellschaftspolitische Debatten im Feuilleton und nun entschieden.
Angesichts der hunderttausenden Menschen, die echte Daseinssorgen haben und die täglich um ihr Leiberl kämpfen müssen, ist die Adoptions-Thematik de facto uninteressant und es wäre die vordringlichste Aufgabe gerade der Sozialdemokratie, die Klientel, die sie angeblich vertritt, nicht mit dem Feiern eines die große Mehrheit nicht betreffenden VfGH-Spruchs vor den Kopf zu stoßen und damit für dumm zu verkaufen.
Was hat die Verkäuferin im Supermarkt oder der Angestellte im Vertrieb vom VfGH-Spruch? Wird das Leben für die Leute besser? Verdienen die jetzt mehr? Haben sie mehr Urlaub? Nichts von alledem, gar nichts. Sie müssen sich aber trotzdem gutgelaunte, mit Steuergeld bezahlte Politiker ansehen, die so tun, als ob jetzt mit dem VfGH-Entscheid alles im Lot wäre: Von einem Meilenstein für die Gesellschaft, von einem historischen Urteil u.ä. mehr wurde da schwadroniert.
Die Jubelmeldungen der SPÖ (und auch der Grünen) zur Adoptionsfrage beweisen die Abgehobenheit gerade jener Politiker, die sich das Soziale und die so gerne zitierte soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geheftet haben. Wie soll mit solch einer Regierung und so einer Themen-Gewichtung Österreich jemals wieder aus der Miese kommen? Wie sollen die vielzitierten vielen kleinen Leute wieder Achtung vor der Politik bekommen, wenn nur die speziellen Lobbies etwas erreichen in dieser Politik? Wie willl diese Regierung authentisch und verlässlich endlich die brennenden Themen wie die Steuerreform anpacken?
Und, wichtigste Frage: wie will diese Regierung für die Millionen Eltern und Kinder eine spürbar verbesserte, finanziell wie organisatorisch attraktive Familien- und Nachwuchspolitik entwickeln, wenn sie dauernd den Verfassungsgerichtshof für klare Entscheidungen im Familienrecht braucht?