Echte Demokratie geht anders

Wir reden viel von Demokratie und bewahren uns trotzdem nur allzugern jene Instrumente, welche eine echte, auf Individuen abgestellte Demokratie erschweren. Der Klubzwang ist ein solches Instrument der Kollektivierung und ergo eine Freiheitsbeschränkung für die gewählten Mandatare. Zur Erinnerung: Klubzwang bedeutet, dass jede Fraktion in jeder Abstimmung ein vollkommen einheitliches Verhalten demonstriert.

Nirgendwo ist der Klubzwang als Gesetz fixiert und trotzdem herrscht er im palamentarischen Alltag über die Fraktionen. Die Befürworter des Klubzwanges gehen davon aus, dass nur ein eindeutiges und einstimmiges Vorgehen jedes Klubs klare Entscheidungen möglich macht. Würde jede(r) Abgeordnete so abstimmern, wie es sein/ihr Gewissen verlangt, gäbe es viele unvorhergesehene Ergebnisse und klarerweise auch viel Unsicherheit und immer wieder überraschende Ausgänge bei Plenarsitzungen. Und das ist nicht im Sinne der jeweils herrschenden Mehrheit. Herrscher wollen Macht, Sicherheit und Ruhe. Auch in der österreichischen Demokratie.

Klubzwang bedeutet also, dass das Parlament zur Staffage der jeweiligen Regierung degradiert wird, weil jede Abstimmung schon a priori im Ergebnis klar ist.  Sitzungs-Marathons dienen nur der Profilierung der Redner und werden deswegen oft als Show abgehalten: Taferln in die Höhe halten oder diverse Gags wie Luftmatratzen im Parlament sind an der Tagesordnung, um den ohnediese vollkommen berechenbaren Ausgang jedes Plenums ein bisschen aufzulockern.

Ist das aber der Sinn einer parlamentarischen Demokratie? 183 vorbestimmte Ja-Sager (oder auch Nein-Sager, je nachdem), die so abstimmen, wie es die Klub-Räson verlangt? Oder gibt es andere Möglichkeiten, eine echte und lebendige Demokratie zu bekommen? Und gibt es Varianten, durch welche die unselige Parteiwirtschaft geschwächt, dafür aber die Individuen gestärkt werden könnten?

Ja, die gibt es: Das Mehrheitswahlrecht ist eine solche Möglichkeit. Diese Form des Wahlrechts ist deutlich besser geeignet, ohne Klubzwang auszukommen. Beim Mehrheitswahlrecht regiert jene Fraktion, die die meisten Stimmen hat. Alle anderen sind Opposition. Dadurch sind real Überstimmungen auch der Regierung möglich und die Debatten müssen überzeugender und klarer geführt werden. Der parlamentarische Diskurs würde dadurch kantiger und sachgerechter werden. England ist eine solche Demokratie mit mehrheitswahlrecht. Und historisch betrachtet ist das UK eine der ältesten und reifsten Demokratien Europas.

Wir könnten in Österreich trotz unseres aktuellen Verhältniswahlrechts auch eine lebendigere Demokratie haben, wenn die jeweils stimmenstärkste Partei den Mut aufbrächte, als Minderheitsregierung anzutreten. Mut war aber im politischen Alltag bei uns bisher nicht unbedingt die erste Tugend. Daher traut sich nur selten jemand, in eine Minderheitsregierung zu gehen. Bruno Kreisky tat es zuletzt in den 70ern.

Eine Verbesserung der aktuellen Jasager-Demokratie würde auch und vor allem eine Ausweitung des Persönlichkeitswahlrechtes darstellen. Wenn man Personen statt Parteien wählt, kommt man ebenfalls vom Klubzwang weg, denn die gewählte Person ist im Persönlichkeitswahlrecht eigenständig und in erster Linie dem Wähler und erst sekundär der Partei verpflichtet.

In Österreich ist es aber zur Zeit umgekehrt: "Ohne Partei bin ich nichts" bekannte einst Bundeskanzler Fred Sinowatz. Dem ist bis heute fast nichts hinzuzufügen - zumindest, wenn man in einer der Altparteien tätig ist (Der Autor dieser Zeilen war und ist übrigens parteifreier Nationalratsabgeordneter).

Gerade in unseren Zeiten des "postdemokratischen" Politikverdrusses ist die Notwendigkeit, Erfrischungen für die alte Tante "Parteien-Demokratie" herbei zu schaffen, riesengroß.

Mit Antifa-Demos, politischer Korrektheit und den überall sprießenden pseudoliberalen (weil beliebigen Anischten) sowie unserer stets präsenten Toleranz allem und jedem gegenüber werden wir den Verdruss nämlich nicht wegbekommen, sondern ihn immer nur vergrößern. Und das wird eine Tages wirklich gefährlich für die Demokratie.

Denken wir also lieber über in Europa und anderswo sehr bewährte Instrumente zru Stärkung der Demokratie nach!

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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