Elite ist notwendig

Ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, alle Menschen wären in ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht gleich. Gleiches Einkommen, einheitliche Ernährung, gleiche Kleidung, gleich große Wohnungen, gleiche Autos, gleiche Bildung, einheitliche Freizeitgestaltung usw., einfach alles wäre für alle gleich. Jede Neuerung, Erfindung oder Veränderung käme allen Leuten gleichermaßen zugute. Es gäbe sozio-ökonomisch betrachtet nur völlig gleichgestellte Männer und Frauen, auch die Kinder wären in absolut gleichen Settings zu erziehen. Und um diese Gleichheit aufrechtzuerhalten, wäre der Staat deren oberster Wächter.Abstruse Gedanken? Keineswegs. In abgeschwächter Form wurde dieses Experiment durch die Oktoberrevolution 1917 eingeleitet und danach über 70 Jahre lang durchgeführt. Der Ausgang dieses Experiments ist bekannt.

Weniger bekannt als der Ausgang des kommunistischen Experiments ist, dass eine der Grundvoraussetzungen jeden gesellschaftlichen Lebens Ungleichheit heißt. Nur unter grundsätzlich ungleichen Bedingungen können dynamische Prozesse entstehen, die eine Weiterentwicklung von Gesellschaften ermöglichen. Sozio-ökonomischer Fortschritt gelingt nur, wenn sich immer wieder Eliten bilden, die als Avantgarde einer Gesellschaft Neues schaffen und auf diese Weise anderen Gesellschaftsgruppen Anreize geben, ihnen nachzufolgen. Egal, ob in der Kunst, der Wirtschaft, im Sport oder in welcher Sparte auch immer, Weiterentwicklungen gedeihen nur dann, wenn Einzelne oder Gruppen neue Ideen und Leistungen bringen oder wenn sie das Neue und Unbekannte wagen. Am meisten haben Gesellschaften von im wahrsten Sinne Unternehmungslustigen profitiert, von Menschen, die aufgebrochen sind, um etwas zu verändern.

Historische Belege dafür füllen ganze Bibliotheken: von der Völkerwanderung bis zur Besiedelung Amerikas, von der Erfindung des Rades bis hin zum PC. Alles Leistungen von Menschen oder Menschengruppen, die anders waren als die anderen, also ungleich – und die sich auch bemühten, im Leistungssinne elitär zu sein. Politische Richtungen und Ideologien, die auf dem Willen zur Herstellung einer universellen Gleichheit beruhen, gehen also in eine prinzipiell kontraproduktive Richtung. Zum einen, weil sie wider die menschlichen Grundeigenschaften wie Individualität, Ehrgeiz, Erfindungsgeist und Mut agieren und zum anderen, weil sie durch das Ansinnen der Gleichheit das Wesen des Lebens per se attackieren, denn die Evolution beruht auf Ungleichheit und Veränderung.

Für den Menschen bedeutet das: Gerade die Unterschiede erzeugen die Fülle von individuellen Möglichkeiten und Lebensläufen und bieten Raum für Phantasien, Vorbildwirkungen und Kreativität. Das Schaffen von oktroyierter Gleichheit funktioniert in Gesellschaften daher nur durch Zwang: indem man die Gescheiten bremst, die Umverteilungen forciert, die Einkommen limitiert, die Steuern erhöht und wirtschaftliche Individual-Aktivitäten jeder Art reduziert – sprich, indem man alles verstaatlicht.

Der Wille zur Gleichheit bedeutet daher Hemmung der Eliten und somit Hemmung der Weiterentwicklung. Das Szenario der allumfassenden Gleichheit bedeutet das Ende jedes Individualismus, jeder persönlichen Freiheit und jedes Fortschrittgedankens. Übertriebene Gleichheit beendet jeden dynamischen gesellschaftlichen Prozess und ist letztlich der Stillstand allen Lebens. Erstrebenswert hingegen ist es sehr wohl, im Sinne der gesellschaftlichen Entwicklung dem Einzelnen etwa möglichst breite Chancen zur Bildung zu ermöglichen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich diejenigen, die das Potenzial haben, gut entfalten können - und zwar ohne Ansehen von Herkunft, Rang oder Namen.

Förderung von Förderungswürdigen und nicht die Förderung von Unwilligen oder Unfähigen um jeden Preis sollte dabei die Devise sein. Dass dabei niemand unter die Räder kommen soll, versteht sich in einer verantwortungsvollen und zum Glück noch immer von christlichen und humanistischen Grundgedanken geprägten Bürgergesellschaft von selbst und braucht hier nicht näher ausgeführt zu werden. Nur soviel: Zweifellos muss die Armutsproblematik weiter thematisiert werden, aber objektiv und sachlich und nicht mit jenem weinerlichen und pathetischen Gestus, der nur allzu oft von unseren hauptamtlichen Armutsbekämpfern gepflegt wird.

Erschwerend für eine Redimensionierung des Gleichheitsprinzips kommen die diesem Grundsatz immer gerne beigefügten Vokabel „Solidarität“ und die Legende von der „Sozialen Gerechtigkeit“ hinzu, weil diese Begriffe inhaltsleer sind und nur dazu taugen, die Jünger des Neides auf den Plan zu rufen. Solidarität kann nämlich übersetzt werden als „Die andern sollen zahlen!“ und zur vielbeschworenen sozialen Gerechtigkeit ist der Nobelpreisträger Friedrich v. Hayek zu zitieren: „Das Wort Soziale Gerechtigkeit ist Unsinn, weil der Begriff Gerechtigkeit die Regeln des Handelns bestimmt und nicht eine Zuteilungstätigkeit. Und handeln können nur Individuen, nicht der Staat. Die ganze Idee, dass der Staat bestimmt, was jeder haben soll, hat mit dem eigentlichen Gerechtigkeitsgedanken überhaupt nichts zu tun; es ist ein Missbrauch des Wortes.“ (Zürich, 1981).

Grundsätzlich ist es im sozialpolitischen Diskurs also notwendig, die überkommenen Begriffe namens Gleichheit, Soziale Gerechtigkeit und Solidarität neu zu bestimmen: Gleichheit kann es nur im rechtlichen Sinne als Gleichheit vor dem Gesetz und als Gleichheit der Chancen geben. Auf der anderen Seite sind Ungleichheit und Elitenbildung zunächst das Lebenselixier jeder Gesellschaft und prinzipiell notwendig. Der Begriff Soziale Gerechtigkeit sollte aufgrund seiner Unsinnigkeit überhaupt ersatzlos aus der Debatte gestrichen werden. Und Solidarität muss zuallererst als Aufruf zur Eigenverantwortung verstanden werden, denn nur wer für sich selbst sorgen kann oder sich zumindest darum bemüht, wird dies auch für andere können.

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