Das neue Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) ist nun ein Jahr in Kraft. Mit dem FMedG wurde die Präimplantationsdiagnostik (PID) in bestimmten Fällen erlaubt. Mit der PID betraten wir aber sehr heikles Terrain: Diese Technik macht es nämlich möglich, bereits während oder kurz nach der Befruchtung genetische Defekte, Erbkrankheiten und gesundheitliche Risikosituationen, aber auch das Geschlecht des Embryonen festzustellen.

Über die exakten Zahlen dazu ist noch nichts bekannt, diese müssen erst Anfang 2016 erhoben werden. Vermutlich sind es nicht allzu viele Fälle, denn die Kriterien sind streng. Und doch wurde mit diesem Gesetz eine Tür zu etwas aufgemacht, das Pandoras Büchse ähnelt.

Viele jubelten zu Beginn dieses Jahres über diesen medizintechnologischen Fortschritt, der im Falle des Falles ein "humanes", weil extrem frühes Beenden des neuen menschlichen Lebens möglich macht. Wenn einem ein Embryo aus genannten Gründen (Erbkrankheiten, Risikoprofil etc) nicht genehm ist, kann er noch im Reagenzglas aussortiert werden.

Klarer formuliert: Es wird aus klar eugenischer Indikation der Embryo abgetötet und "verworfen" (so lautet der Fachausdruck). De facto ist es nicht nur möglich, wegen eines Gendefekts den Embryo zu vernichten, sondern auch aus einem ganz banalen Grund: Es gefällt den Eltern das Geschlecht nicht. Das ist in Österreich zwar verboten, aber in anderen westlichen Ländern erlaubt.

Die Grenze zur beliebigen, von den Eltern oder auch vom Labor gesteuerten Selektion ist international bei der PID längst überschritten. In Ländern, wo die Abtreibung in einer späteren Phase als bei uns gesetzlich gestattet ist und daher die Geschlechtsbestimmung beim Fetus generell möglich ist (z.B. in Schweden), werden übrigens deutlich mehr Mädchen als Buben abgetrieben. Dieses Faktum war seltsamerweise noch nie Thema einer Gender-Diskussion. Das Binnen-I und die gendergerechte Endung des Hauptwortes scheinen uns da wichtiger zu sein als über diese krasse tödliche Diskriminierung zu reden.

Doch zurück zur PID. Die Tatsache, dass wir mit dieser Technik exakt jenen Ideen, die einst ein Teil des eugenischen Rassen- und Reinheitswahns waren, heute wieder Vorschub leisten, fällt bei der PID-Debatte (so sie überhaupt geführt wird), elegant unter den Tisch. Man verwendet lieber eine euphemistische Argumentationslinie und bezieht sich sofort auf das angeblich "humane" Element dieser Vernichtungsform. Die Standard-Begründung lautet, es sei doch viel menschlicher, einen Zellhaufen zu entsorgen als später einen Fetus abtreiben zu müssen, wenn sich herausstellt, dass er behindert oder nur eingeschränkt lebensfähig ist.

Dieses Argument ist aber grob falsch: Durch die Option, im Labor Früh-Abtreibungen mit der Pipette durchführen zu können, steigt erstens die Anzahl der vernichteten ("verworfenen";) Embryonen an. Zweitens wird die Tatsache, dass Leben auf diese Weise klar und deutlich in eine werte und eine unwerte Variante eingeteilt wird, tunlich verschwiegen. Und drittens ist die Grundsatzfrage der eugenischen Indikation damit nicht beantwortet.

Kaum einer fragt nämlich: Was bedeutet diese neue alte eugenische Sichtweise überhaupt für jetzt lebende Menschen mit Behinderung oder genetischen Störungen? Wie fühlt man sich, wenn man weiß, dass die eigene Erbkrankheit ein gesetzlich legitimierter Grund für die Embryonal-Entsorgung ist?

Auch das Argument, dass eben die Fetozide (so nennt man die Abtreibungen von behinderten Babies bis kurz vor der Geburt) durch die PID verhindert würden, rechtfertigt dieselbe nicht: Es bleibt ja trotzdem die eugenische Absicht der Vernichtung unwerten Lebens bestehen. Diese Absicht wird nur verharmlost und vernebelt.

Und schließlich geht es auch darum, dass durch die PID das menschliche Leben an sich bzw. vor allem der Beginn des Mensch-Seins einer groß angelegten technokratischen Transformation unterzogen werden. Das natürliche Wesen der Zeugung und auch die natürliche Selektion in utero gehen dadurch verloren, weil der Mensch in diesen archaischen Bereich gezielt und steuernd eingreift und mittels einer speziellen Technik die Kreation von Leben selbst übernimmt.

Man kann das natürlich aus einer rein materialistischen und fortschrittsgläubigen Sicht toll finden und als positive Entwicklung sehen. Der Wunsch nach gesunden Kindern ist nachvollziehbar und natürlich. Und die PID verlockt eben mit ihren Versprechungen, dass nur gesunde Kinder zur Welt kommen werden. Wenn man diesen Heilsversprechungen glaubt und sie gutheißt, dann muss einem aber auch klar sein, dass man damit die Eugenik grundsätzlich als legitim und ethisch akzeptabel betrachtet. Ein argumentatives Herumschummeln um diese zentrale Frage ist nicht möglich.

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Lukas Steinwandter

Lukas Steinwandter bewertete diesen Eintrag 31.12.2015 17:42:17

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